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Acht Jahre nahmen die Beatles Platten auf. Genauso lange wie Sean Lennon für die Fertigstellung seines zweiten Albums brauchen sollte. "Friendly Fire" war das Warten wert.

Sean LennonDer Sohn von John und Yoko. Der Halbbruder von Julian. Lennons Filius. Da waren zuallererst diese Bedenken: Von wegen verzogenem Promi-Söhnchen, das ohne Mama nichts eigenes zu Wege bringt. Und wenn man schon mit der Musik der Mutter nichts anfangen kann, warum hätte es dann beim Nachwuchs klappen sollen? Zugegeben: Ich konnte Sean Lennon einfach nicht ausstehen, als er 1998 sein erstes Album veröffentlichte. So kam es dazu, dass ich "Into The Sun" jahrelang schlichtweg verweigerte. Nun ja, irgendwann kam mir das gute Stück dann doch unter. Und siehe da: Ein durchaus nettes Album, das zweifelsohne Potential offenbarte. Trotz der Tatsache, dass es unausgegoren klang. Vor allem etwas orientierungslos zwischen Genres wie Elektro-Pop, Bossa Nova und Jazz umherirrte. Nichtsdestotrotz waren da immer noch diese Handvoll klasse Songs. Schräge Pop-Perlen, die klar machten, dass Sean Lennon doch ein gewisses Maß an Talent von seinem Vater mitbekam. Was allerdings auch nichts daran ändern konnte, dass "Into The Sun" kommerziell gesehen scheiterte. Ein unterbewerteter Flop.

Vielleicht mit ein Grund warum es bis zu dieser Tage dauern sollte, dass Sean Lennon den Nachfolger seines Erstlings fertigstellen konnte. Oder auch wollte. "There was a long period after the first album where I felt disillusioned with the machinery of the industry. It's not that I stopped recording, playing, performing, I did all those things, just more discreetly." Wobei sich schon die Frage stellt, warum man sich - acht Jahre nachdem sich kein Mensch für "Into The Sun" interessierte - nun für "Friendly Fire" begeistern soll? Die Antwort ist simpel: Weil dem inzwischen fast 31-jährige Lennon ein verdammt gutes Album gelungen. Eine merkliche Weiterentwicklung zu "Into The Sun". Nicht mehr ganz so abgedreht, merklich durchdachter, auch entspannter. Vor allem aber stilistisch geschlossener. So präsentiert sich "Friendly Fire" als eine Platte, die mit lieblichem Sound und vermeintlicher Leichtigkeit zu bezaubern im Stande ist. Wobei letzteres beim Nebenbeihören täuschen kann. Denn hinter "Friendly Fire" steht wesentlich mehr Aufwand, als man vorerst annehmen könnte. Ausgetüftelte Instrumentierungen, dazu jede Menge orchestrale Verzierungen. Was natürlich nur die Hälfte wert wäre, gäbe es da nicht diese feinsinnigen Melodien, die einen einfangen und oft tagelang nicht mehr loslassen. Eines steht fest: Sean Lennon hat definitiv ein Gespür für Melodien der Sorte Faserschmeichler-Pop. Schon irgendwie seltsam, dass mir beim Hören von "Friendly Fire" immer wieder Paul McCartney durch die Gedanken geistert. "Love is like an aeroplane, you jump and then you pray..."

Ich höre bereits die Kritiker, denen Seans Stimme - wenn auch merklich höher - zu sehr der seines Vaters ähnelt. Und überhaupt der Stil von "Friendly Fire" zu sehr an jenen der Beatles angelehnt ist. Keinesfalls falsch. Denn die zweite Platte von Sean Lennon ist vor allem ein eingängiges Pop-Album. Aber wie bereits erwähnt: Ein verdammt gutes. Das aber nicht umher kommt, sich Vergleiche mit den Fab Four gefallen zu lassen. Nicht weiter schlimm. Wenn einer das Recht hat, wie ein Beatle zu klingen, dann wohl Sean Lennon. Wobei man "Friendly Fire" jedoch zu Gute halten muss, dass wenn man die Herkunft seines Verfassers weglässt, immer noch ein wirklich außergewöhnliches Album bleibt. Egal, ob nun von einem Lennon erschaffen oder nicht.

Als Bonus gibt es zum Album eine DVD, wo unter der Regie von Michele Civetta zu jedem der zehn Tracks von "Friendly Fire" ein Kurzfilm gedreht wurde. Aufwendig produziertes Material, das - laut Aussage von Lennon - fern konventioneller Musik-Videos angesiedelt sei. Vielmehr surreale Clips, die zusammen ein Konzeptwerk über Verrat und Scheitern der Liebe ergeben. Dabei zu sehen: Lindsay Lohan, Asia Argento, Devon Aoki, Carrie Fisher. Und natürlich Sean Lennon selbst. [Trailer]

Sean Lennon: Friendly FireSean Lennon
Friendly Fire
02.10.2006


[seanonolennon.com]
[myspace.com/seanlennon]

[Sean Lennon @ WUK, Wien - 06.02.2007]