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Der durchgeknallteste Film des Jahres. Über jugendliche Pazifisten, die sich für Waffen begeistern. Kein Wunder, dass bei "Dear Wendy" einmal sogar Billy Elliot durchs Bild tanzt.

The Dandys"Dear Wendy, ...". Es beginnt mit einem Brief. Geschrieben von Dick (Jamie Bell), dem Protagonisten der Geschichte. Der Adressat ist vorerst unbekannt. Nun ja, man kennt den Namen. Was wiederum auf jemanden Weiblichen schließen lässt. Oder doch nicht? Erst mit Fortdauer erfährt man mehr. Über Dick. Sein Leben in einem kleinen, verschlafenen Dörfchen irgendwo in den USA. Wie er den einzigen dort angesehen Job als Minenarbeiter verweigert und stattdessen lieber in einem kleinen Drugstore Regale füllt. Und sich folglich auch gleich zum Außenseiter abstempeln lässt. Erst recht, weil Dick auch noch zu jener Sorte verschlossener Zeitgenossen gehört, die ihre eigene Welt nur ungern mit anderen teilen. Als er eines Tages in einem Trödelladen nach einem billigen Geburtstagsgeschenk sucht, weiß er noch nicht, dass dies sein Leben verändern soll. Nicht weil er - ein überzeugter Pazifist - eine vermeintliche Spielzeugpistole kauft, sondern vielmehr weil er dann doch lieber eine Ausgabe von "The Picture Of Dorian Gray" - allerdings ohne den letzten 20 Seiten - verschenkt und die Waffe für sich selbst behält. Nichtsahnend, dass daraus schon bald eine tiefe Bindung wird. Was sogar die Gründung eines Clubs zur Folge hat. Ein Haufen Verlierer: The Dandies. Allesamt von der Faszination für Waffen gepackt. Wobei allerdings der Kodex gilt, dass sie diese niemals für zerstörerische Zwecke benützen dürfen. In einem geheimen Schacht üben sie den Umgang mit den erlesenen Schusswaffen, zelebrieren den neugewonnenen Lebensinhalt aber auch mit Zeremonien. Da werden den Objekten der Begierde sogar Namen verliehen. Wie Dicks Waffe heißt? Richtig, Wendy. "... I found a new friend and it was you."

"Dear Wendy" lief beim letztjährigen Fantasy Filmfest. Der offizielle Kinostart in Deutschland war dann im Oktober 2005. Spätestens seit damals und den damit verbundenen Kritiken stand "Dear Wendy" auf meiner persönlichen To-Watch-Liste. Dass ich den Film erst knapp ein Dreiviertel Jahr später zu Augen bekam, liegt einerseits an dem hierzulande doch oftmals hinterherhinkenden Kinoprogramm, andererseits aber auch an meiner eigenen Unentschlossenheit, vielleicht auch Faulheit. Immerhin liegt die Leih-DVD (in Originalfassung) von "Dear Wendy" nun schon seit Wochen, wenn nicht Monaten, in den Regalen der Videothek meines Vertrauens. Ein Fehler meinerseits. Erst recht, wenn sich schlussendlich herausstellt, dass das Jugenddrama - auch mit dem Begriff "Satire" liegt man nicht falsch - einer skurrilen Mischung aus "Fight Club", "Elephant" und "Breakfast Club" gleichkommt. Zugeben: "Dear Wendy" ist natürlich nicht ganz so genial wie das zuerst genannte Meisterwerk, aber doch bemerkenswert ungewöhnlich. Dermaßen ungewöhnlich, dass so manch einem nach den 105 Minuten vermeintlicher Waffenverherrlichung - man beachte in diesem Zusammenhang die Schocktherapie bei der Darstellung des Eindringens einer Kugel in den menschlichen Körper und der daraus resultierenden Schusswunden - die Worte fehlen könnten.

Dabei hatte ich anfangs doch auch Bedenken. Wegen Regisseur und Drehbuchautor. Thomas Vinterberg und Lars von Trier mögen zwar zu Dänemarks Filmemacherelite zählen, gleichzeitig sind sie aber auch soetwas wie die Erfinder von "Dogma 95". Eine Filmreihe, die so manchen Cineasten heute noch das Leuchten in die Augen zaubert, mich hingegen nie so recht zufriedenstellen konnte. Ebenso wie das weitere Schaffen von Triers. Der ultimative Alptraum von Kinobesuch: "Dancer In The Dark". Was mich dazu brachte "Dogville" und "Manderlay" gleich gänzlich zu verweigern. Nun also ein weiterer Anlauf. Auch wenn von Trier bei "Dear Wendy" nur für die Drehbuchvorlage verantwortlich war. Doch siehe da: Es ist vor allem die originelle, surreale und kontroverse Story, die zu begeistern weiß. Da stört es dann auch nicht, dass die Geschichte über Dick Dandelion und seine Bande liebenswerter Waffennarren oftmals an den Haaren herbeigezogen wirkt. Ebenso, dass es dem blutigen Ende - so eine Art finale Schießorgie - an Logik mangelt. Ich fasse zusammen: "Dear Wendy" ist unrealistisch, theatralisch und hoffnungslos überdreht. Und das in einem Aufwasch. Kurz: Ein nicht gerade alltäglicher Film.

Dear WendyDear Wendy
Regie: Thomas Vinterberg.
Mit Jamie Bell, Bill Pullman, Mark Webber.
30.06.2006


[dearwendythemovie.com]
mono (Gast) - 5. Jul, 14:05:
Dear Wendy ist einer meiner Lieblingsfilme. Ich finde ihn einfach nur genial. Genau wegen diesem Nicht-alltäglichen. 
wasix - 8. Jul, 08:55:
ich war vor allem direkt nach dem kinobesuch von dem gesehenen extremst angetan. eben weil das alles so anders war. diese grenzenlose begeisterung hat sich zwar inzwischen wieder gelegt. trotzdem, es bleibt dabei: sehr guter film. eine äußerst positive überraschung. 
wasix - 10. Jul, 14:14:
verstehe einer diese veröffentlichungsstrategie
gerade erst im kino und schon gibt's den film auf dvd zu kaufen. gesehen vergangenen samstag bei einem der bekannten elektrogroßmärkte in wien. da blieb mir natürlich nichts anderes übrig als zuzuschlagen. eh klar... ;-)))