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Biopic, die Erste: Im Falle von "Capote" noch dazu ein Oscar-prämiertes. Dank der unglaublichen, schlichtweg grandiosen Performance von Philip Seymour Hoffman.

Truman Capote - Philip Seymour HoffmanTruman Capote, geboren als Truman Streckfus Persons am 30. September 1924 in New Orleans, war einer der erfolgreichsten Schriftsteller seiner Zeit. Eine Mischung aus literarischem Genie und schrulligem Nerd. Ein Exzentriker wie er im Buche steht und dabei äußerst schwieriger Mitmensch. Gleichzeitig aber auch ein leidenschaftlicher und durchaus berüchtigter Partylöwe. Der New Yorker Jetset liebte ihn. Die Stars hingen an seinen Lippen. Denn Capote war nicht nur mit einem unglaublichen Talent zum Schreiben gesegnet, der Schriftsteller-Dandy galt auch als begnadeter Selbstdarsteller und Alleinunterhalter. Auf die Frage sich selbst zu definieren, antwortete er: "I am a homosexual. I am a drug addict. I am a genius." Ein Monat vor seinem 60. Geburtstag starb Truman Capote an einer Überdosis Tabletten.

"Capote" erzählt seine Geschichte. Zumindestens einen Teil davon. Genauer den Zeitraum zwischen 1959 und 1966 und damit die Entstehungsgeschichte von "In Cold Blood" ("Kaltblütig"), dem wichtigsten und erfolgreichsten Werk von Truman Capote. Ein Roman basierend auf wahren Begebenheiten. Was zu dieser Zeit einem Tabubruch gleichkam. Capote kümmerte das wenig. Die bestialische Ermordung einer Farmer-Familie in der tiefsten Provinz von Kansas und die damit verbundene Geschichte der beiden Mörder faszinierte ihn dermaßen, dass er sich richtiggehend in eine Besessenheit hineinsteigerte. Seine akribisch genaue Recherche brachte ihn sogar in die Gefängniszellen der Täter, wo er stundenlange Gespräche führte, um so an seine authentische Geschichte über die zum Tode Verurteilten heranzukommen. Capote ging sogar soweit, den Beiden Anwälte zu besorgen, damit ihre Hinrichtung hinausgezögert werden konnte. Einerseits eigennütziges Mittel zum Zweck, andererseits brachte diese Vorgehensweise ihn am Rande der Verzweiflung. Denn solange die Mörder am Leben waren, konnte Capote sein Buch nicht beenden. Ein mehr als sechsjähriger, äußerst mühsamer Schaffensprozess war die Folge. Es sollte sich auszahlen: "In Cold Blood" schrieb Literaturgeschichte. Truman Capote hatte sein Ziel erreicht. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Es war sein letzter Roman. Er hat danach nie wieder ein Buch beendet.

Regisseur Bennett Miller ist mit "Capote" ein beeindruckendes Biopic gelungen. Wenn auch nicht im klassischen Sinn, kommt der Streifen einer spannungsgeladenen Spurensuche doch wesentlich näher als einem herkömmlichen Porträt. Noch dazu behandelt der Film gerade mal sechs Jahre im Leben von Truman Capote. Diese sind allerdings so gut gewählt, dass es dem Betrachter vollends reichen sollte sich ein Bild von diesem Menschen zu machen. Von seinem empfindsamen Wesen und ungeheuren Ergeiz. Vor allem aber auch von seiner durchaus kaltblütigen Vorgehensweise um den Inhalt seines Buches füllen zu können. Ein fesselnder Einblick in die Psyche dieses zugleich begnadeten und skurrilen Autors. Was natürlich auch an der großartigen Performance von Hauptdarsteller Philip Seymour Hoffman liegt. Eine tadellose Darstellung, die man unbedingt in der Originalfassung gesehen bzw. gehört haben sollte. Allein wegen Hoffmans Imitation der speziellen Tonlage von Capotes Fistelstimme. Der Mann hat sich seinen Oscar nach all den Jahren in der zweiten Reihe mehr als verdient. Ein Meister der Verwandlung hat seine Paraderolle gefunden. Jetzt gehört der "hoffnungslos Uncoole" zu den ganz Großen. Philip Seymour Hoffman werden wir so schnell nicht mehr los. Und das ist gut so. Stichwort: "M:I 3". Noch dazu als Bösewicht und Gegenspieler von Tom Cruise. Da bin ich ja mal gespannt drauf.

CapoteCapote
Regie: Bennett Miller.
Mit Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener, Clifton Collins Jr.
14.04.2006


[sonyclassics.com/capote]
Ingrid (Gast) - 14. Apr, 23:09:
Fad und schal, trotz Hoffman
Voller Spannung hatte ich den Film erwartet und war am Ende doch enttäuscht. Die schauspielerische Leistung, wenn auch glänzend, so war sie doch aufwühlend, unerträglich, nervenaufreibend. Vielleicht lag es auch daran, dass das unsympathische Wesen Capotes zuviel Widerwillen hervorrief. Aber sicherlich ist auch das eine beachtliche Leistung. Nichtsdestotrotz möchte ich festhalten, dass der Plot schwammig, ohne Standpunkt, blieb. Der Regisseur hat sich wohl zu sehr darauf verlassen, dass die schauspielerische Leistung Hoffmans über die Mängel im Drehbuch hinwegtröstet. Am Ende blieb ein schales Gefühl - ich habe einen Eindruck des Zeitgenossen Capotes gewonnen, aber es wurde nicht klar, warum Capote so ein grosses Interesse für diesen Kriminalfall entwickelte. Dieser Film hat keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen, er blieb fad und wenig eingängig. Es stimmt wohl doch: es sind die Geschichten, die den Menschen berühren. In Capote gab es zuwenig Geschichte und zuviel Darstellung von Schrulligkeiten - das hat nicht gereicht, der Film blieb blutleer.

Ingrid 
wasix - 16. Apr, 14:04:
ich fand genau...
...dieses vermeintlich unsympathische wesen capotes - und natürlich auch die darstellung hoffmans von genau diesem - interessant, um nicht zu schreiben: anziehend. nicht nur dem new yorker jetset ging es damals so. auch ich hing - zwar ein paar jahre später und nur im kino - an seinen lippen. oder eben jenen des famosen philip seymour hoffman.

christian 
Ingrid (Gast) - 16. Apr, 17:27:
..beängstigend ;-). Aber da sieht man mal, wie unterschiedlich doch die Reaktionen sein können. Ich denke, dass Capote zu seiner Zeit wahrscheinlich genauso polarisierend gewirkt hat. Entweder du warst hypnotisiert und angezogen oder eben angewidert und abgestoßen...

Ingrid