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Zach Condon und Frankreich? Nein, "The Flying Club Cup" ist nicht die erwartete Brel/Aznavour/Becaud/Gainsbourg-Platte geworden. Nichts-destotrotz: C'est fantastique, das Zweitwerk von Beirut.

"Balkan-Klänge mit Akkordeon und Blasinstrumenten, die doch irgendwie Indie-Pop sind. Möglich gemacht durch einen 19-jährigen Ami. Wunderbar melancholisch. Und so richtig schön dramatisch. Die cleverste Platte 2006." Das Debutalbum von Beirut war zweifelsohne eine der erfreulichsten Überraschung des vergangenen Musikjahres. Weil "Gulag Orkestar" so anders schien, dabei aber keinesfalls einer Neuerfindung gleichkam. Vielmehr einer Neuaufbereitung von etwas, das so nah, bislang allerdings doch eher fern war. Wenigstens in musikalischer Hinsicht. Was "Gulag Orkestar" so interessant machte? Hier wurde zwar schamlos zitiert, dabei aber auch Frischblut hinzugefügt. Alle waren sie sich einig, begonnen bei der Blogosphäre, später auch bei der herkömmlichen Kritikerschar. Manch einer soll von dem Indie-Pop-Ausflug in den Osten so begeistert gewesen sein, dass er dieses Album so oft gehört hat, bis es irgendwann nicht mehr ging, er es zwecks Selbstschutz für eine Zeit lang beiseite legen musste. Weil die Schönheit beinahe schmerzte, so gut war "Gulag Orkestar".

Zach Condon aka BeirutEs folgte ein Häppchen hier, ein Häppchen da. Zach Condon aka Beirut ließ sich nicht lumpen und versorgte seine neugewonnene Fangemeinde schon bald mit allerlei Sammelswertem. Die "Lon Gisland"-EP vom vergangenen Dezember, die "Pompeii"-EP vom Februar, die "Elephant Gun"-EP vom Juni dieses Jahres. Dazu jeweils ein Song vom Calexico-7"-Split und The Believer-Magazin-Sampler. Macht eine CD-R mit zwölf Songs, bestens geeignet um die Zeit bis zum "Gulag Orkestar"-Nachfolger zu verkürzen. Eine Wartezeit, die überraschend schnell verging. Weil Condon in seiner neuen Wahlheimat Paris ein Übermaß an Inspiration vorfand. "I was listening to a lot of Jacques Brel and French chanson music - pop songs shrouded in big, glorious, over-the-top arrangements and all this drama." Aber auch, weil er für die Aufnahmen zu "The Flying Club Cup" in Owen Pallett aka Final Fantasy einen Gleichgesinnten gewinnen konnte. Der sich nicht nur als Arrangeur, sondern auch als Sänger für das fabelhafte "Cliquot" betätigte. Wenn sich findet, was zusammengehört.

Mein erster Gedanke: Französisch, großartig! Jacques Brel, Charles Aznavour, Gilbert Becaud, Serge Gainsbourg. Nach dem ersten Hören dann die Richtigstellung, vielleicht sogar Enttäuschung: "The Flying Club Cup" ist weit davon entfernt die traditionelle Heimatmusik Frankreichs zu glorifizieren. Bestenfalls ein Hauch von Chanson. Nichtsdestotrotz Songs voller Drama. In deren Mittelpunkt allerdings unverändert die Folklore des Ostens steht. Wer unbedingt will, könnte "The Flying Club Cup" einen franko-slawischen Touch andichten. Mehr nicht. Und so muss es sich den Vorwurf gefallen lassen, bloß eine gutgemachte Kopie seines Vorgängers zu sein. Eine Vorverurteilung, die auch mir durch den Kopf ging, als ich diese Platte erstmals hörte. Nach längerem Linksliegenlassen, als ich mir endlich die nötige Zeit nahm, genauer hinhörte, dann die späte Einsicht, dass “The Flying Club Cup“ weit mehr ist. Weil mir dessen wundervolle Songs mittlerweile immer mehr ans Herz gewachsen sind. Weil Mr. Zachary F. Condon doch tatsächlich ein verdammtes Genie zu sein scheint.

Beirut: The Flying Club CupBeirut
The Flying Club Cup
08.10.2007


[beirutband.com]
[myspace.com/beruit] [flyingclubcup.com]

[Review: Beirut - Gulag Orkestar]