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Pearl Jam - die letzten Überlebenden der Grunge-Ära - gastierten in Wien. Ein grandioses Konzert. Und das ganz ohne karierte Baumwollhemden und abgeschnittene Fetzenjeans. Memories...

Mein erstes Mal war vor knapp zehn Jahren in Ungarn. Genauer am 17.11.1996 in irgendeiner Sporthalle in Budapest. Pearl Jam hatten gerade mit "No Code" ihr viertes Album veröffentlicht und tourten durch Europa. Österreich wurde damals ausgelassen. Vier Jahre später war das anders. Trotz aller Bedenken hinsichtlich der zu dieser Zeit gerade vorherrschenden politischen Lage im Land. Stichwort: FPÖVP. Vielleicht lag es am außergewöhnlichen Ambiente des Salzburger Residenzplatzes, das die Band - allerdings ohne Frontmann Eddie Vedder - bereits im August 1995 bei der gemeinsamen Tour mit Neil Young genießen durfte. Jedenfalls sprang man über seinen Schatten und ließ die Fans nicht einfach links liegen. Im Gegensatz zu manch anderem Künstler zu dieser Zeit. Es sollte ein unvergesslicher Tag werden. Nicht nur wegen dieses ganz großen Konzertes. Vielmehr weil ich Eddie Vedder - den ultimativen "Rockstar wider Willen" - wenige Stunden vor dem Gig in der Salzburger Altstadt begegnete, ein Autogramm mit Widmung abstauben konnte und ihn sogar auf die Schulter klopfen durfte. Fan-Begeisterung am Siedepunkt. Was ärgere ich mich, dass es damals noch keine Foto-Handys gab.

Eddie Vedder - Matt Cameron25.09.2006: Pearl Jam treten in der Wiener Stadthalle auf. Sechs Jahre sind seit ihrem letzten Österreich-Gastspiel vergangen. Die Band hat inzwischen ihr achtes Studioalbum veröffentlicht. Auch wenn man Pearl Jam vorhalten kann, bereits mit ihrer zweiten Platte den Zenit erreicht zu haben, so darf man das aktuelle, selbstbetitelte Werk zweifelsohne zu ihren besseren zählen. Auch wenn die Zeit der großen Grunge-Hymnen längst vorbei ist. Nicht so wie damals im Sommer 1992, wo Pearl Jam erstmals in der Hauptstadt zu sehen waren. Im altehrwürdigen Rockhaus, dem heutigen Planet Music. Und ich Vollidiot habe mir dieses Ereignis damals entgehen lassen. Wie auch immer. Mehr als 14 Jahre nach ihrem Wien-Debut kehrten Pearl Jam nun also zurück. Und spielten ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Konzert. Bemerkenswert, weil man die biedere Stadthalle trotz all ihrer Soundprobleme zum Kochen brachte. Und das mit einfachem Rock N' Roll. Inklusive altbackener Gitarren- und Drumsolos. Jedoch ohne jeglichen optischen Firlefanz. Just Music. Für fast zweieinhalb Stunden. Und keinen Moment langweilig. Bemerkenswert, weil man all die zu ihrer Blütezeit totgespielten Songs neu aufwärmte und diese trotzdem erträglich waren. Was schreibe ich da? Stücke wie "Rearviewmirror", "Jeremy" oder "Black" beamten mich regelrecht zurück in die Neunziger. In eine Zeit, wo mir genau dieses Liedgut so unendlich viel bedeutete. Da wurden Erinnerungen geweckt, die ich eigentlich längst verdrängt hatte, die mich an diesem Abend dann aber doch nochmals in Melancholie schwelgen ließen.

Dieses Konzert war aber auch deshalb so bemerkenswert, weil Eddie Vedder immer noch im Stande ist die Menge in Ekstase zu versetzen. Man muss ihn einfach lieben, wenn er beim Singen den Mikroständer umklammert und grüblerisch die verbissene Miene zum Besten gibt. Diesen schamlosen Charismatiker nimmt man all das selbst heute noch ab. Was auch für jene Zwischenansagen galt, die er im gebrochenen Deutsch vom Zettel heruntergelesen hat. Ebenso beim unbestrittenen Höhepunkt des Abends, wo Eddie Vedder während der ersten Zugabe "Last Kiss" - zur Überraschung aller - mitten im Saal im abgegenzten Bereich der Soundmischerin vor sich hinlitt. Einer jener raren Konzertmomente, den man wohl nie vergisst. Da nahm ich dann auch gerne in Kauf, inmitten von 10.000 tobenden Fans lautstark "Alive" mitgrölen zu müssen. Übrigens der letzte Song, bevor an diesem Abend die Saalbeleuchtung anging. Und trotzdem noch nicht Schluss war. Manch einer könnte die letzten beiden Nummern als "echte" Zugaben auslegen, waren sie aber nicht. Doch wen stört an solch einem Konzertabend schon Kalkül? Die Ewiggestrigen - meine Wenigkeit eingeschlossen - wohl kaum.

Pearl Jam
25.09.2006 - Wien, Stadthalle.


Setlist:
Life Wasted / Corduroy / Rearviewmirror / World Wide Suicide / Comatose / Elderly Woman Behind The Counter In A Small Town / Severed Hand / Sad / Gods' Dice / Daughter / Jeremy / I Got Id / Parachutes / Wishlist / State Of Love And Trust / Why Go / Go.
Encore 1: Last Kiss / Inside Job / Off He Goes / Black / Do The Evolution / Even Flow.
Encore 2: Spin The Black Circle / Once / Alive / Fuckin' Up / Yellow Ledbetter (Little Wing).

[pearljam.com] [myspace.com/tenclub]
driftwood - 27. Sep, 22:50:
Neid, Neid, Neid.
Wegen dem Konzert vor zehn Jahren.

Habe sie bei der Tour zum ersten Mal gesehen (allerdings in Italien) und was ich dabei so erstaunlich fand: obwohl um mich tausende Leute waren, hatte das fast was familiäres und selbst die ganze Mitsingerei und das Geklatsche vom Publikum haben mich nicht wirklich gestört (und ich hasse normaler tausendköpfiges Publikum, ganz besonders natürlich, wenn es auch noch singt). 
wasix - 28. Sep, 15:01:
we are family
das gefühl teil eines fast "familiären" konzertes zu sein hatte ich an diesem abend auch. alle sangen sie, freuten sich - mal ausgiebiger, mal weniger - über das ein oder andere lied. und trotzdem war es keinen moment peinlich. richtiggehend angenehm, das alles...

vielleicht hat es damit zu tun, dass pj dann doch weniger diese typischen "konzerttouristen" anlocken. möglich wär's... 
turntable - 30. Sep, 12:02:
"auch wenn man pearl jam vorhalten kann, bereits mir ihrer zweiten platte den zenit erreicht zu haben" - finde ich voll ins schwarze getroffen, bravo.
beim gastspiel im damaligen fritz war ich dabei und es war toll. eddie surfte ins publikum. beim salzburg-gig von neil young war ich auch vor ort, wußte aber nicht, daß vedder mit im "tourgepäck" war.
grüße 
wasix - 30. Sep, 14:22:
re:
was meinst du mit "im damaligen fritz"? auf der pj-website steht etwas vom rockhaus in wien. ich kenn' mich nimma aus...

beim salzburg-konzert von pj mit neil young war ich damals im urlaub und folglich nicht im lande. schwerer fehler. ein freund von mir war dort und schwärmt mir noch heute davon vor...

"allerdings ohne frontmann eddie vedder". nein, er war damals nicht mit dabei. da haste etwas falsch verstanden...

l.g. 
turntable - 1. Okt, 16:11:
planet music hieß ganz am anfang fritz und später rockhaus.
habe nachgesehen und bei pearl jam hieß es schon rockhaus.
mein fehler und das mit neil young habe ich dann falsch verstanden.
die waren ja später mit eddie in salzburg, wovon es ja auch ein livealbum gibt - glaube ich.
grüße 
wiesengrund - 1. Okt, 16:13:
2000 war das, jawoll. großartiger tag, abgesperrte innenstadt, und ich war nochnichmal 16. was haben wir uns provinzheinis damals gefreut, dass sie ausgerechnet unsere kleine unbedeutende stadt ausgesucht haben...

es gab zu jedem gig der damaligen tour ein live-album. 
wasix - 2. Okt, 10:02:
siehste: wusste ich gar nicht, dass das rockhaus mal fritz hieß...

das live-album von salzburg musste ich mir damals - natürlich - zulegen. ganz simpel aufgemacht, das teil. im braunen kartonschuber. allemal 'ne nette erinnerung...