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Sind Supergrass in ihren alten Tagen doch noch erwachsen geworden? Jedenfalls könnte man das bei der erstaunlichen Gangart ihres fünften Albums "Road To Rouen" annehmen.

SupergrassEs soll Menschen geben, die hängen immer und ewig den alten Zeiten nach. Zugegeben: Hin und wieder ertappe ich mich auch dabei. Vor allem in Sachen Musik. Supergrass sind ein gutes Beispiel dafür. Man erinnere sich nur an "I Should Coco" (1995) und "In It For The Money" (1997). Das waren noch Alben. Mit wunderbarem Gute-Laune-Pop. Mal melancholisch, meist jedoch hoffnungslos überdreht. Die darauffolgenden zwei Longplayer konnten da unmöglich mithalten. Letztes Jahr dann die längst überfällige Greatest-Hits-Platte. Passenderweise zum zehnjährigen Bandjubiläum. Nur soviel: Eine bessere Untermalung für eine einstündige Autobahnfahrt gibt es nicht.

Jedes neue Supergrass-Album ist für mich wie ein Besuch guter, alter Freunde, die man alle paar Jahre mal zu Augen bekommt. Schön, wenn es passiert. Wenn nicht, dann kann man allerdings auch damit leben. Nicht falsch verstehen: Supergrass sind auf meiner Beliebtheitsskala immer noch sehr weit oben angesiedelt, aber irgendwie hat sich ihr musikalisches Schaffen in den letzten Jahren doch etwas totgelaufen. Dementsprechend misstrauisch stand ich auch der neuen Platte des Vierers aus Oxford gegenüber. Man will die Hoffnung ja nie so recht aufgeben, wirklich daran geglaubt habe ich jedoch nicht mehr. An dieses Pop-Meisterwerk, das alles bisherige in den Schatten stellen würde.

Kommerzieller Selbstmord? Wen interessiert's...

Und siehe da: Der Nachfolger zu "Life On Other Planets" (2002) lässt aufhorchen. Schon beim ersten Durchlauf. Mein erster Gedanke? "Road To Rouen" ist das bislang gewagteste Album von Supergrass. Mein zweiter Gedanke? Hat diese Platte echt nur neun Songs? 35 Minuten Spieldauer sind doch etwas sparsam für ein Album, das nicht mal aus einer Ansammlung rotzig runtergerockter Dreiminüter besteht. Der Unmut über das Minimum an Angebot war jedoch schnell verflogen. Denn "Road To Rouen" mag zwar etwas kurz ausgefallen sein, musikalisch bekommt man es hier jedoch mit einem äußerst weitreichenden Sammelbecken unterschiedlichster Bestandteile der Pop-Geschichte zu tun. "Road To Rouen" ist vollgepackt mit tollen Ideen. Und vor allem ungewöhnlichen Klängen. Jeder Song schafft es den Zuhörer auf eine andere Art und Weise zu überraschen. Trotz durchgehend entspanntem Feeling. Das liegt vor allem an den verwendeten Hilfsmitteln: Zither, Ukulele, jede Menge Streicher, Drum-Machines Marke Sly & The Family Stone und jener magische Psychedelic-Folk, der unweigerlich an Led Zeppelin erinnert. "Road To Rouen" schreckt vor nichts zurück. Und das ist gut so.

Irgendetwas muss im Hause Supergrass geschehen sein. Vielleicht liegt es am frisch eingerichteten Band-eigenen Studio in der Normandie, wo das komplette Album aufgenommen wurde. Vielleicht hat bei Supergrass aber auch endlich der obligate Selbstverwirklichungstrip eingesetzt. Wie bei jeder guten Band. Bei der einen früher, bei der anderen etwas später. Mit dem fünften Album muss man Supergrass eindeutig zweiterer Fraktion hinzuzählen. Was soll's, besser jetzt als nie. "Road To Rouen" war jedenfalls das lange Warten wert. Die eingangs erwähnten ersten beiden Supergrass-Platten haben ernsthafte Konkurrenz bekommen. Neues Lieblingsalbum? Durchaus möglich.

Supergrass: Road To RouenSupergrass
Road To Rouen
15.08.2005 (UK-Import)


[supergrass.com]