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Die Guillemots zelebrieren auf "From The Cliffs" abenteuerlichen Pop abseits der Norm. Alles ist möglich, kein Song ist wie der andere. Eigentlich das perfekte Album, wäre es denn eines.

Aristazabal Hawkes (Kontrabass) - Rican Caol (Drums) - Fyfe Dangerfield (Gesang, Keyboard) - MC Lord Magrao (Gitarre)Ein fünfter Platz mag normalerweise nichts besonderes sein. Nicht so bei jener Liste der britischen BBC, wo Anfang jeden Jahres zehn Bands und Solokünstler genannt werden, die den großen Durchbruch schaffen. Verantwortlich dafür mehr als 100 Musikkritiker und Radio-DJ’s, die eine beachtliche Trefferquote vorweisen können. Man betrachte nur mal einige ihrer Voraussagen der vergangenen zwei Jahre: Keane, Franz Ferdinand, Bloc Party, Kaiser Chiefs. Bei "The Sound Of 2006" findet man nun im Mittelfeld der Top 10 eine Band names Guillemots. Im November 2004 in London von dem Sänger/Songwriter Fyfe Dangerfield gegründet, spielte das Quartett bereits 2005 im Vorprogramm der UK-Tournee von Rufus Wainwright. Ebenso veröffentlichten sie letztes Jahr auf der Insel ihre auf 1000 Stück limitierte Debut-EP "I Saw Such Things in My Sleep" und die allerorts hochgelobte Single "Trains To Brazil". Und genau diesen musikalischen Output - bestehend aus einem Intro und sieben Songs - gibt es nun auch komprimiert auf einer CD. In Form des 40-minütigen Mini-Albums "From The Cliffs". Eigens zusammengestellt für den amerikanischen Markt und nur als Import erhältlich.

Die vier Bandmitglieder der Guillemots kommen aus den unterschiedlichsten musikalischen Ecken. Dangerfield stammt ursprünglich aus Birmingham, Kontrabassistin Aristazabal Hawkes aus Kanada. Beide besitzen klassischen Background. Gitarrist MC Lord Magrao hingegen kommt aus Brasilien und trieb sich bislang in der hiesigen Noise/Metal-Szene herum. Und das i-Tüpfelchen dieser Zusammenstellung ist mit Rican Caol ein schottischer Drummer. Nun könnte man meinen, dass solch eine kunterbunte Mischung in einem Chaos enden muss, tut es im Falle der Guillemots aber nicht. Im Gegenteil. Der Schmelztiegel dieser Einflüsse funktioniert. Mit der interessanten Nebenerscheinung, dass sich der Sound der Guillemots nur schwer in eine Schublade stecken lässt. Sind sie nun Pop, Rock oder doch eher Jazz? Die Antwort: Von allem ein bisschen. Der ein oder andere Song geht schon als Popmusik durch, in Summe ist ihr Schaffen dann aber doch zu versponnen. Dem Rock könnte man sie deshalb zuordnen, weil sie Gitarren verwenden, wirklich tonangebend sind diese allerdings nicht. Ebenso sind Anleihen aus dem Free-Jazz zu erkennen. Und die Freude am Experimentieren kann man ihnen nun wirklich nicht abstreiten. Was dagegen spricht, sind die immer wiederkehrenden Songstrukturen. Nicht zu vergessen die herzzerreißend schönen Melodien. Dieses Sich-Bedienen von überall und nirgends kann man natürlich als arty-farty und übertrieben clever abtun. Für mich hingegen sind die Guillemots genau so, wie ich mir eine innovative Band dieser Tage vorstelle: Erfinderisch, eklektisch, versponnen. Und natürlich zum scheitern verurteilt. Eben das perfekte Risiko für jede Plattenfirma.

"From The Cliffs" ist Musik für die Massen. Zumindestens wäre sie das in einer besseren Welt. Das beginnt schon beim wahrlich triumphalen "Trains To Brazil", eine Hymne wie gemacht für die großen Bühnen dieses Festivalsommers. Danach gleich das zuckersüße "Made Up Lovesong #43". Beides wunderbar catchy, dabei aber auch extrem verspielte Ohrwürmer. Was auf "From The Cliffs" aber eher die Ausnahme bleibt. Bewegen sich die Guillemots doch fortan lieber in den Gewässern der späten Talk Talk und Kid A-Ära-Radiohead. Das vermeintlich verschlafene, dabei aber nur verträumte und unendlich eindringliche "Over The Stairs" ist das beste Beispiel dafür. Da darf ein Song schon mal die Spieldauer von neun Minuten überschreiten und in einen improvisierten Studio-Jam ausarten. Ein meisterliches Stück Musik, wo Atmosphäre ganz groß geschrieben wird. Passend dazu die Unmengen an Hintergrundgeräuschen, die sich auf die Spieldauer dieses Albums verteilen: Kinderlachen, Vogelzwitschern, Alarmglocken, Telefonläuten. Alles extremst verspielt. Ohne jedoch überladen zu wirken. Ein wunderbares Album, das immer wieder auf's Neue zu überraschen vermag. Ich glaube, ich habe eine neue Lieblingsband gefunden.

Inzwischen gibt es auch schon Nachschlag in Sachen Guillemots. Bereits Ende März ist in England die Single "We're Here" erschienen. Uneingeschränkt empfehlenswert. Ebenso wie die Downloads auf der offiziellen Website. Noch ein Tipp: Unbedingt mal an dieser Stelle umschauen. Es lohnt sich.

Guillemots: From The CliffsGuillemots
From The Cliffs
27.03.2006 (US-Import)


[guillemots.com]
Matthias (Gast) - 23. Mai, 18:25:
PEOPLE WHO MAKE NOISES FOR A LIVING
Die CD ist am 5.5 auch in Deutschland veröffentlicht wurden (Naive/Indigo) und die Band kommt auf Tour:

6. Juni 2006 - Hamburg, Molotow
7. Juni 2006 - Berlin, Lido
8. Juni 2006 - Köln, Gebaeude 9
5. August 2006 - Haldern Festival

Viele Grüsse! 
wasix - 23. Mai, 19:41:
danke für die info
wenn da jetzt noch ein termin für wien dabei gewesen wäre...