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Das Debut, das keines ist. Eher Fortführung vom meisterlichen Breitwand-Düster-Rock, den iLiKETRAiNS bereits vergangenes Jahr angedeutet hatten. Geschichtsunterricht gefällig?

iLiKETRAiNS

Eigentlich war es nur eine EP, so eine Art Mini-Album, eine Compilation der bisher erschienenen, streng limitierten 7-Inches. Nun wies "Progress-Reform" mit seinen sieben Songs jedoch bereits eine beachtliche Spieldauer von mehr als 32 Minuten auf. Und schaffte es auch anhand ungeheurer Intensivität den Flair eines herkömmlichen Longplayers zu verbreiten. "Keine lieblose Aneinanderreihung. Vielmehr ein in sich greifendes, wunderschönes Stück Musik." Wobei man sich die Frage stellen musste, was iLiKETRAiNS da erst mit dem bewusst als Album konzipierten Nachfolger für Wunder vollbringen würden? Umso interessanter die Nachricht, dass der Fünfer aus Leeds bei seinem vermeintlichen Erstling für die Mischpultarbeit niemand geringeren als Ken Thomas gewinnen konnte. Der Mann war immerhin für den Produzentenjob eines der ganz großen Alben jüngerer Musikgeschichte verantwortlich: "Agætis Byrjun", das auch bereits sieben Jahre alte Breakthrough-Album von Sigur Ros.

Was bei iLiKETRAiNS auffällt, ist ihrer Vorliebe über historische Begebenheiten zu texten. Zumeist britischer und durchwegs tragischer Natur. Der Geschichtsunterricht auf "Elegies To Lessons Learnt" beginnt mit "We All Fall Down" im Jahr 1665: In dem kleinen Dorf Eyam in Derbyshire sterben aufgrund einer Pestepidemie 260 Menschen, nur 83 überleben [>]. Bereits ein Jahr später kommt es zum Großen Brand von London, wobei vier Fünftel der Innenstadt zerstört werden. "Twenty Five Sins" handelt davon [>]. 15. Mai 1800: "Voice Of Reason" erzählt vom versuchten Mord an dem britischen König George III von dem Geisteskranken James Hadfield [>]. 42 Jahre später: "Remnants Of An Army" ist die Geschichte des Chirurgen William Brydon, der als einziger europäischer Soldat "Auckland's Folly", den ersten anglo-afghanischen Krieg überlebt [>]. Doch auch Ereignisse des letzten Jahrhunderts werden erwähnt: So beschäftigt sich "The Deception" mit dem Selbstmord des Geschäftsmannes Donald Crowhurst während des "Sunday Times Golden Globe Race", einer Weltumsegelung 1969 [>]. Und "Death Of An Idealist" handelt vom britischen Staatssekretär John Stonehouse, der am 10. November 1974 seinen Selbstmord vortäuscht um sich nach Australien abzusetzen [>].

Zeitlich irgendwo dazwischen angesiedelt: "The story of the only successful assassination of a British Prime Minister in 1812. The song is written from murderer John Bellingham's perspective [...]" Die bereits im März veröffentlichte Vorabsingle "Spencer Perceval" ist mit seinen mehr als neun Minuten das unumstrittene Meisterwerk auf "Elegies To Lessons Learnt". "Monumental, episch, eindrucksvoll, so sehr, dass es sowohl einschüchtert als auch begeistert." Wer "Spencer Perceval" zu Ohren bekommen hat, der weiß, was einem bei diesem Album erwartet, ist es doch soetwas wie Vorzeigestück des typischen iLiKETRAiNS-Sounds. Langsame bis träge, düstere Moll-Epen mit schweren Gitarren. Dazu diese wahrlich Gänsehaut verbreitende Stimme von Sänger David Martin. Nur soviel: Wer schon bei Nick Cave kreischend das Weite sucht, der ist auch bei iLiKETRAiNS falsch. Mir jedenfalls läuft es bei dieser zugleich morbiden, aber auch von erhabener Schönheit gekennzeichneten Musik jedes Mal auf's Neue kalt den Rücken runter. "Frankly genius is an understatement", meinte der NME bereits treffend.

iLiKETRAiNS: Elegies To Lessons LearntiLiKETRAiNS
Elegies To Lessons Learnt
08.10.2007


[iliketrains.co.uk]
[myspace.com/iliketrains]

[Review: iLiKETRAiNS - Progress-Reform]