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Die Eckdaten: Nick Talbot, Bristol, Warp Records, William S. Burroughs. Das fünfte Gravenhurst-Album liegt vor. Ein durch und durch stimmiges Gesamtkunstwerk. Beste Kopf(hörer)musik.

Ich mag Album-Cover, wo auf der Frontseite das Songverzeichnis angeführt ist. Das bringt eine Andersartigkeit mit, weil es doch eigentlich ein Widerspruch in sich ist. Heutzutage gehört die Tracklist einer Platte auf die Rückseite, sollte man annehmen. Ist das in den seltensten Fällen nicht so, schon umgibt das Artwork einen Hauch von Gestern. Erst recht, wenn dieses zwei zu dunkle und unscharfe Schwarz-Weiß-Fotos eines Live-Konzertes, worauf keines der Gesichter der Abgebildeten zu erkennen ist, ziert. Wenn als Bonus des Skurrilen dann auch noch so eine Art seitenverkehrter Fehldruck auf der linken unteren Seite zu finden ist, dann geht das finale Cover durchaus als etwas merkwürdig durch. Eines, das jedoch eine ganz besondere Anziehungskraft ausübt, im Stande ist, dass sich der Betrachter richtiggehend darin verkuckt. Hätte ich in musikalischer Hinsicht irgendetwas anzubieten, ich würde es nur allzu gerne mit dieser Verpackung schmücken.

Nick Talbot aka GravenhurstNick Talbot hat sich in den letzten Jahren den Status eines eigenbrötlerischen Musikgenies erarbeitet. Nicht, dass man sein Antlitz kennen müsste. Nicht, dass sich sein Schaffen einer breiteren Zuhörerschicht erschlossen hätte. Der Sänger, Songwriter und Gitarrist von Gravenhurst - nicht zu vergessen seine beiden Alben unter dem Pseudonym Exercise One - mag sein Quasi-Ein-Mann-Unternehmen zwar hegen und pflegen, gleichzeitig scheint er es aber auch richtiggehend vor ungebetenen Eindringlingen schützen zu wollen. Es ist schon ein leicht morbider Hang zu einer bedrückenden, fast schon todessehnsüchtigen Stimmung von Nöten, um an Gravenhursts verträumt-verruchtem Hin und Her zwischen zartbesaiteter Akustik und treibendem Gitarrenfeedback Gefallen zu finden. Da kann einem auch Talbots wunderbar fragile, nichtsdestotrotz gigantische Stimme und dessen wunderschöne Kompostionen nicht weiterhelfen. Schon eher Beat Generation-Philosoph William S. Burroughs, dessen 1987er-Roman "The Western Lands" als Titelgeber für das fünfte Album von Gravenhurst diente.

Das tolle Artwork wurde bereits eingehend gewürdigt. Nun ist "The Western Lands" aber auch aufgrund seiner musikalischen Inhalte - nicht ganz unwesentlich in solch einem Fall, wie ich meine - eine bemerkenswerte Platte geworden. Noch eindringlicher als "Fires In Distant Buildings", der ohnehin bereits bestens gelungene Vorgänger. Musik von epischer Größe, bei der durchaus mal mit den Erwartungen gebrochen wird. "The Western Lands" mag in seiner Grundstimmung melancholisch, so richtig schön verträumt sein. Da sind aber auch diese scheinbar ewig lang andauernden Instrumentalpassagen mit ihren ausufernden, schon mal härteren Gitarren-Ausbrüchen. Eine Mischung aus Nick Drake und My Bloody Valentine. Irgendwo zwischen herzerweichendem Spätsechziger-Folk und düsterem Shoegazing von vor zwanzig Jahren. Was zusammengefügt tunlichst vom hellen Tageslicht ferngehalten werden sollte. Des Nächtens oder in frühen Morgenstunden, womöglich mit Kopfhörer auf, da entfacht diese ungemein atmosphärische Musik ihre ganze Wirkung, kann dieser schlafwandlerische Trip vollends seine Stärken ausspielen.

Gravenhurst: The Western LandsGravenhurst
The Western Lands
10.09.2007


[gravenhurstmusic.com]
[myspace.com/gravenhurst]