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... war es vielleicht nicht gerade, mit Sicherheit aber ein verdammt guter Konzertabend mit zwei der interessantesten deutschen Bands dieser Tage: Kante und Sport in der Szene Wien.

Kante werden gemocht. Mehr denn je. Da kann man fast schon von einem Hype in der deutschen Musikpresse sprechen. Gründe dafür gibt es mehrere. Zuallererst das neue Album der Band, wo man sich einer gewissen Stilkorrektur unterzogen hat. "Die Tiere sind unruhig" ist rockorientierter, experimenteller. Dazu Songlängen jenseits der Norm, was man durchaus als Post/Prog-Rock-Referenz auslegen darf. Warum auch nicht? Steht ihnen gut, diese ausschweifende Liebe zum Detail. Intelligente deutsche Alternative-Mucke muss nicht immer nur Sha-La-La-Pop sein, nein, da darf auch mal über den Horizont hinaus instrumentiert werden. Wobei wir auch schon bei einem weiteren Grund wären: Kante sind die besseren Blumfeld. Bezogen auf jene Ära der Band von Jochen Distelmeyer, wo diese nicht bloß als Literaten deutscher Popmusik galten, sondern auch musikalisch den ein oder anderen Moment hatten, wo sie aneckten, noch für Risiken abseits der Naturlyrik zu haben waren. Meine These: Warum auch immer, alle lechzen sie nach den Blumfeld der frühen Neunziger. Nur bringen’s die eben nicht mehr ganz so wie man es gerne hätte. Und jetzt braucht die Meute halt Ersatz. Warum sich also nicht beim Naheliegendsten bedienen? Bei einem ehemaligen Blumfeld-Mitglied, das rechtzeitig den Absprung geschafft hat. Bei einem wie Peter Thiessen. Und dessen Band Kante.

Peter Thiessen (Kante) - Felix Müller (Sport, Kante)Was für ein Zufall: Genau ein Monat nach dem - zugegeben: durchaus positiv aufgefallenen - Blumfeld-Konzert im Radiokulturhaus gaben sich auch Thiessen und Band in Wien ein Stelldichein. Zum wiederholten Mal. Traten Kante doch bereits im Juli dieses Sommers in eben genannter Location auf. Nun kehrten sie also zurück. Im Rahmen ihrer "regulären" Tour. Und bespielten diesmal die altehrwürdige Szene. Vor (nahezu) ausverkauftem Haus. Doch der Reihe nach: Denn im Falle eines Kante-Konzertberichtes gehört auch deren Vorband erwähnt: Sport, die gerade mit ihrem zweiten Album "Aufstieg und Fall der Gruppe Sport" für einiges Aufsehen sorgen. Vor allem deshalb, weil sie es zuwege bringen gute, deutsche Texte zum Besten zu geben und dabei trotzdem stilvoll abzurocken. Letzteres kommt vor allem auf der Bühne mit gehörigem Nachdruck zum Tragen. Mein erster Gedanke: Soundgarden. Mein zweiter: Grunge. Nur soviel: Wären da nicht diese Nackenschmerzen und das inzwischen doch etwas schüttere Haupthaar, ich hätte geheadbangt. Wie damals vor 15 Jahren.

Der Großteil der Anwesenden wusste es ohnehin, manch einen hat es dann aber doch überrascht: Sport-Gitarrist/Sänger Felix Müller spielte auch beim Hauptact mit. Der Multiinstrumentalist fährt zweigleisig. Auch live. Und so werden es allabendlich geschätzte drei Stunden, die der Mann auf der Bühne verbringt. Eine mit Sport, zwei mit Kante. Wenigstens erspart er sich beim zweiten Konzert Gesang und Zwischenansagen. Dafür ist der bärtige Riese mit den langen blonden Haaren zuständig. Peter Thiessen halt. Und diese Rolle spult er in stets netter, aber doch etwas zurückhaltender Manier eines Norddeutschen ab. Dementsprechend kurz waren die Wortmeldungen. Gerade soviel wie nötig. Was zählt, ist ohnehin die Musik. Und damit wussten Kante an diesem Abend wahrlich zu beeindrucken. Natürlich nutzte man die Gelegenheit und spielte vorwiegend Stücke des aktuellen Albums. Perfekt durchdachte Musik, die im Live-Kontext noch um einige Nuancen spannungsgeladener und gewagter rüberkommt. Ohne jedoch zu übertreiben. Wobei man sich bei den instrumentalen Passagen doch merklich zurückhielt. Was jedoch nicht zu bedeuten hatte, dass man nicht mit vollster Hingabe zu Werke ging. Kennzeichnend jene Minuten, wo Thiessen mit nass-fetten Zotteln im Gesicht ins Mikro brüllte und man sich wenige Momente lang bei einem Konzert einer schwedischen Death-Metal-Combo wähnte. Zumindestens in Sachen Optik. Da behaupte noch einer, deutsche Intellektuelle können sich nicht die Seele aus dem Leib rocken.

Kante / Sport
15.09.2006 - Wien, Szene.


[kantemusik.de] [myspace.com/kantemusik]
[diegruppesport.de] [myspace.com/diegruppesport]
wiesengrund - 20. Sep, 16:34:
"Wenigstens erspart er sich beim zweiten Konzert Gesang und Zwischenansagen." ... ausgenommen natürlich seinen (auch live hervorragend abgfespulten) rap-part bei de rgrößten party der geschichte. :)

toller abend. 
wasix - 20. Sep, 19:39:
haste vollkommen recht
wie konnte ich gerade DAS vergessen. erst recht wenn oben drüber auch noch "die größte party der geschichte" steht... ;-)

kante haben die szene wien "in schutt und asche gelegt". äußerst treffend beschrieben.