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Für Rammstein ein Remix. Mit Howe Gelb auf Tour. Von Musik-Gazetten hochgejubelt. Für Under Byen stürzt man sich schon mal ohne großes Vorwissen in die Nacht. Zu Recht?

"Irgendwo zwischen Björk und Sigur Ros. Aber seit ich einmal Under Byen gehört habe, kann Björk einpacken. Sorry Björk, da ist einfach mehr Herz."

Under ByenDer Flex-Flyer zum Wien-Konzert von Under Byen machte neugierig. Auch mich. Dabei war es gar nicht das erste Mal, dass mir der ungewöhnliche Bandname - dänisch für "Unter der Stadt", auszusprechen als "Unner Bün" - des Oktetts aus Aarhus unterkam. In allen möglichen Musikblättern gab es in den letzten Wochen ausschließlich positive Worte über Under Byen nachzulesen. Von wegen "Dänemarks derzeit spannendste Band" und "Klassik trifft auf TripHop, Jazz geht in Chansons auf, Postrock und Folk schleichen umeinander". Klingt natürlich alles superinteressant. Erst recht bei einem Eintrittspreis von sechs Euro. Da kann man schon mal das Risiko eingehen, ohne einen einzigen Song von der Band zu kennen, einen ihrer Live-Gigs zu besuchen. Auch wenn das Ganze nach einem mühevollen Arbeitstag in Form einer Mitternachtseinlage in Wiens meist überschätzter Konzerthalle über die Bühne geht.

Für Fans nordischer Melancholie.

Wie bereits erwähnt sind Under Byen eine achtköpfige Band. Jeweils vier Damen und Herren. Wie ebenfalls bereits erwähnt füllen die Dänen mit ihrer Musik ein weitläufiges Spektrum "zwischen Poetry Rock, Folk, Jazz und klassischen Elementen" aus. Habe ich mir zumindestens sagen lassen. Diese mysteriöse Symbiose soll wiederum durch die traumwandlerische Stimme von Frontfrau Henriette Sennenvaldt unterstrichen werden. Noch dazu, wenn diese in dänischer Sprache vorgetragen wird. Nachzuhören ist das alles auf dem neuen Album "Det Er Mig Der Holder Traeerne Sammen". Obwohl so neu ist das gute Stück gar nicht mehr. Immerhin erschien es in der Heimat der acht Nordlichter bereits 2002.

In Dänemark sind Under Byen inzwischen weit mehr als ein Geheimtipp. Das beweist, dass ihrer Konzerte in Skandinavien regelmäßig ausverkauft sind. Soweit ist man hierzulande zwar noch nicht, trotzdem fand sich an diesem Abend in Wien eine beachtliche Menge Interessierter im Flex ein. Freunde nordischer Melancholie konnten sich solch ein Spektakel auch unmöglich entgehen lassen. Sofern sie natürlich überhaupt etwas davon mitbekommen haben. Was aufgrund kaum vorhandener Werbung und keinerlei Ticketvorverkauf alles andere als selbstverständlich war.

Nicht neu, aber gut.

Die Bühne des Flex präsentierte sich an diesem Abend in weiße Stoffbahnen gehüllt und umgeben von nur spartanisch eingesetztem Licht. Durchaus passend für die sphärische Traumwelt Under Byens, welche durch eine große Vielfalt verschiedener Instrumente, beginnend bei Cello und Melodica bis hin zu zwei Drumsets und einer singenden Säge, zu beeindrucken wusste. Im Mittelpunkt dieses märchenhaften Klangerlebnisses stand jedoch die seidige Stimme der blonden Sängerin. Ganz in sich gekehrt, schaffte sie es mit ihrer selbstvergessenen Ausstrahlung alle Blicke auf sich zu ziehen. Zweifelsohne eine Form von Dramaturgie, der man eine gewisse Perfektion zugestehen musste.

Doch was bekommt man bei einem Konzert von Under Byen nun musikalisch geboten? Als erstes fiel mir der Begriff "Trip Hop" ein. Dafür sorgten die zwar nur phasenweise einsetzenden, dabei aber umso machtvolleren Rhythmen der beiden Schlagzeuge. Folglich könnte man natürlich meinen, dass Under Byen eine laute Band wären. Im Gegenteil. Ihr Sound wirkte größtenteils eher minimalistisch und verhalten. Denn konträr zu den unterschwelligen Grooves wurden immer wieder Streicherinstrumente gezupft und gestrichen, was dem Ganzen einen fragilen Touch verlieh. Alles in allem eine Mischung, mit der Under Byen zwar keinesfalls etwas Neues hervorzauberten, allerdings bei dermaßen viel spielerischem Geschick auch nichts falsch machen konnten.

So wurden die Konzertbesucher in gut sechzig Minuten in ein geheimnisvolles Universum aus Tönen, Stimmen und jeder Menge Atmosphäre entführt. Die Band drang dabei in Gefilde vor, die einerseits geheimnisvoll und beruhigend, andererseits aber auch irgendwie bizarr wirkten. Das Hingehen hat sich jedenfalls gelohnt. Schade nur wegen des typischen Kneipengemurmels, das bei solch verhaltenen Klängen natürlich umso nervender erschien. Es wird Zeit, dass ich mir Under Byen endlich mal auf Platte anhöre. In meinen eigenen vier Wänden. In aller Ruhe. Nämlich hier.

Under Byen
01.04.2005 - Wien, Flex.


[underbyen.dk]