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Ashcroft übertreibt und dramatisiert. Nur diesmal endlich wieder mit The Verve, der Band, die ihn einst zum Brit-Pop-Helden machte. Eine traumhaft pathetische Wiederkehr, dieses "Forth".

The Verve: Simon Jones - Nick McCabe - Richard Ashcroft - Peter Salisbury.

Es war Mitte der Neunziger, zur besten Zeit von Oasis, als Noel Gallagher nicht bloß einmal betonte, dass für ihn The Verve nach den Beatles und - natürlich - seiner eigenen Formation die drittbeste Band aller Zeiten sei. Und das hatte damals einiges zu bedeuten, wenigstens in England. Wie weit die Zuneigung von Gallagher zu The Verve-Frontmann Richard Ashcroft ging, bewies allein die Tatsache, dass Oasis für "(What's The Story) Morning Glory?" (1995) mit "Cast No Shadow" einen eigens für "Mad Richard" geschriebenen Song aufnahmen. Jenen zur Selbstüberschätzung neigenden Sänger, den man noch bei den ersten beiden LP's von The Verve nie so recht ernstnehmen wollte. Ihn, der in seinen Texten behauptete, er könne fliegen, in die Zukunft sehen und ähnlich verrückte Dinge anstellen. Dass 1997 alles anders werden sollte, lag nicht daran, dass Ashcroft sich geändert hatte. Er war immer noch derselbe, der zwei Jahre davor The Verve auflöste um eine Solokarriere zu starten, die Band im darauffolgenden Jahr aber wieder reumütig reaktivierte. Ashcroft war keinesfalls vernünftig geworden. Er hatte nur gerade eben "Urban Hymns" vollbracht.

Begonnen hatte alles mit der Veröffentlichung von "Bitter Sweet Symphony", jener Single, die die Band bis auf Platz 2 der UK-Charts brachte, von deren Einnahmen The Verve aufgrund der Verwendung eines Rolling Stones-Samples jedoch keinen Cent gesehen haben. Nichtsdestotrotz war "Bitter Sweet Symphony" jener Hoffnungsschimmer im Sommer 1997, der in dieser Zeit sogar das Radiohören für kurze Momente erträglich machte. Ebenso das darauffolgende "The Drugs Don't Work", ein Song, für den laut Ashcroft die Musikgeschichte einen Platz freigehalten hatte. Keine Frage, herzzerreißender ging nicht. Zwei Singles, die sehr viel über "Urban Hymns" aussagten. The Verve hoben im Gegensatz zu den beiden Vorgängeralben nur noch vereinzelt in abgedriftete Sphären ab, gaben sich stattdessen verstärkt dem Hang zur Harmonie hin. Herausgekommen war dabei ein melancholisches Meisterwerk mit songwriterischer Eleganz, lyrischen Einsichten und frenetischen Gitarrenklängen. Voll mit faszinierenden Melodien, die eine zuweilen beängstigende Intensität versprühten. Ein weitläufiges, anregendes Opus zwischen Pop und Rock. Ganz, ganz groß.

Elf Jahre danach nun die Gewissheit: "Urban Hymns" bleibt unerreicht. Denn The Verve haben nach zwischenzeitlich drei doch eher durchschnittlichen Ashcroft-Solo-Alben wieder zusammen gefunden und ein neues Album eingespielt. Wer dabei eine neue "Urban Hymns" erwartete, wurde schlichtweg enttäuscht. Ganz klar: "Forth" wird keine Handvoll Hits abwerfen, dafür sind die zehn Songs auf knapp 65 Minuten zu wenig songorientiert, stattdessen umso schwelgerischer. Grund genug für unzählige durchwachsene Kritiken, wo nach kurzem Hineinhören gleich von einem langweiligen Album und überflüssigen Comeback geschrieben wurde. Kurz: Eine weitere dieser angsteinflößenden Reunions, auf die höchstens noch der eingeschworenste Fan gehofft bzw. gewartet hatte. Ungeachtet dessen erweist sich "Forth" jedoch als weitaus besser als befürchtet. Vorausgesetzt man ist willig, kann mit ausschweifenden Low-Tempo-Rock N' Roll Marke "The early Verve" auch etwas anfangen. Das Bemerkenswerte daran? Gibt man diesen unendlich relaxten, scheinbar ziellos fließenden Songs mit ihren himmelweit reichenden Refrains die Zeit, die sie verdienen, hört auch tatsächlich ganz genau hin, man wird sie finden, die allerschönsten Balladen und magischen Momente, die auf "Forth" doch angeblich abgehen. Ein erstaunlich tiefgehendes Album.

The Verve: ForthThe Verve
Forth
25.08.2008


[theverve.co.uk]
[myspace.com/thevervetv]