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Steve Buscemi auf den Spuren von Theo van Gogh. Mit dem Remake von "Interview" ist ihm ein kleiner, feiner Film mit bemerkenswert dichter Atmosphäre gelungen. Man staune über Miss Miller.

Steve Buscemi und Sienna Miller in "Interview"

"Er ist sauer, denn sie kommt zu spät. Sie ist verärgert, weil er arrogant ist. Er ist genervt, weil sie Allüren zeigt. Sie ist beleidigt durch sein Desinteresse. Er ist Pierre Peders, ernsthafter politischer Journalist und seriöser Kriegsberichterstatter. Sie ist Katya, Starlet und Schauspielerin, zu sehen in diversen Fernsehsoaps und seichter Kinounterhaltung." Nein, er hat auch keinen jener B-Horrorfilme gesehen, wofür sie bekannt ist. Vielleicht eine ihrer wenig unterhaltsamen Komödien, während einer Flugreise, quasi als Zwangsbeglückung. Nun sitzt er hier in einem New Yorker Szenelokal und hat sie, das klassische It-Girl zu interviewen. Zur selben Zeit, wo in Washington der Politskandal des Jahres am brodeln ist. Dementsprechend seine Reaktion: Unvorbereitet und widerwillig stellt er die Fragen. Womit er nicht gerechnet hat, sind die zynischen Konter seines Gegenübers. Hat er sich von der hübschen Fassade täuschen lassen? Ist die vermeintliche Skandalnudel gar nicht so oberflächlich wie angenommen? Haben diese beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Charaktere gar mehr gemein, als ihnen bewusst ist? Ein spannender, bemerkenswert aufschlussreicher Schlagabtausch kann beginnen.

"Interview" ist das Remake des gleichnamigen 2003er-Streifens von Theo van Gogh, jenem niederländischen Regisseur, der im November 2004 in Amsterdam auf offener Straße von einem islamischen Fundamentalisten erschossen wurde. Grund dafür war der Kurzfilm "Submission", welcher sich kritisch mit der Behandlung von Frauen im Islam auseinandersetzt. Das plötzliche Ableben van Goghs verwehrte dem stets provozierenden Enfant Terrible die Verwirklichung angestrebter Pläne. Immer schon hatte er davon geträumt in den USA zu drehen. Wenigstens konnte nun verwirklicht werden, dass amerikanische Filmemacher drei seiner Werke neuinszenieren. Die Hommage umfasst "Blind Date" (Original: 1996) von Stanley Tucci, "06" (Original: 1994) von Bob Balaban und eben "Interview", das als erster Teil der geplanten Trilogie im Jänner 2007 beim Sundance-Festival Premiere hatte und eineinhalb Jahre danach nun auch endlich in der Zwei-Millionen-Metropole Wien in einem einzigen Kino in Originalfassung mit deutschen Untertiteln zu sehen ist.

Für die Neuinterpretation von "Interview" zeigt sich Steve Buscemi als schauspielender Filmemacher verantwortlich. Genau: Jene US-Indie-Ikone, die manch einem nur als Nebendarsteller aus mittelmäßigen Hollywood-Blockbustern bekannt ist. Was jedoch stets einem Highlight gleichkommt. Einen Steve Buscemi sieht man eben gerne. Und sei es auch nur, dass sein Charakterschädel eben mal durchs Bild huscht. Nicht so bei "Interview", seiner vierten Spielfilm-Regie-Arbeit. Hier hat sich Buscemi selbst für eine der beiden Hauptrollen besetzt. Seinen Gegenpart verkörpert die englische Schauspielerin Sienna Miller, passenderweise auch im echten Leben fester Bestandteil der Klatschpresse. Umso überraschender ihre Performance. Ein Wellengang der Emotionen. Sie beschimpft ihn, er beschimpft sie. Die Beiden fallen übereinander her, versöhnen sich, um sich gleich wieder zu streiten. Was soweit führt, dass sie einander sogar dunkle Geheimnisse anvertrauen. Wobei sich die Frage stellt: Wie weit können sich Zwei, die sich eben erst kennen- bzw. hassengelernt haben, überhaupt vertrauen? Was ist Lüge, was Wahrheit? Wer ist am Ende der Gewinner, wer der Verlierer? Ein hinterfotziges Katz-und-Maus-Spiel, dieses "Interview".

InterviewInterview
Regie: Steve Buscemi.
Mit Sienna Miller, Steve Buscemi.
22.08.2008 (OF)


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