header
 
"A more direct, upbeat, and jubilant album." Sigur Ros setzen mit "Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust" ihre Reise durch die Welt der Pop-Musik fort. Es bleibt das Summen in unseren Ohren.

Sigur Ros: Orri Pall Dyrason - Goggi Holm - Kjarri Sveinsson - Jonsi Birgisson.

Sigur Ros lösen sich allmählich aus ihrem Korsett. Machte sie die Symbiose aus "elfenhaften Slo-Motion-Soundscapes" und "sphärischer Geistermusik", ihre bemerkenswert eigenwillige musikalische Sprache gepaart mit einem gewissen Exotenbonus einst auch außerhalb ihrer Heimat bekannt, so widmeten sich die vier Romantiker vom Polarkreis auf ihrem 2005er-Album "Takk" verstärkt fast schon herkömmlichen Anleihen populärer Musikkultur. Um einiges zugänglicher, nicht ganz so depressiv, phasenweise fast schon fröhlich, auf jeden Fall hoffnungsvoller. Nicht, dass sie damit ihre Seele verkauft hätten. Sigur Ros blieben und bleiben unverkennbar. Dafür sorgt allein die Falsettstimme von Frontmann Jonsi Birgisson. Doch was soll man bloß davon halten, wenn selbst ein Unikat wie er sich auf der neuen Platte dazu veranlasst sah, abseits gewohnt wirrem Kauderwelsch aus Isländisch und erdachter Fantasiesprache, zum ersten Mal auf einem Sigur Ros-Stück - dem hier abschließenden "All Alright" - auf Englisch zu singen. Ob es daran liegt, dass sie ebenso erstmalig außerhalb Islands aufgenommen haben, noch dazu mit Produzenten-Legende Mark Ellis aka Flood?

Vor drei Jahren betitelte ich das Review zu "Takk" mit der Überschrift "Pop Music". Nichtsahnend, dass Sigur Ros - abgesehen von "Hvarf-Heim", der zwischenzeitlichen Doppel-EP mit Unveröffentlichtem und Akustischem - auf dessen Nachfolger noch einen Schritt weiter gehen würden. Wollte ich der Gratwanderung zum Zugänglicheren bei "Takk" noch nicht recht trauen, entnehme ich ihrem fünften Studioalbum durchaus mit Wohlwollen, dass Birgissons Gesang hier nicht nur Wiedererkennungsmerkmal ist, vielmehr gar im Vordergrund steht, dass man sich diesmal mit Streichern und diverser Effekthascherei zurückgehalten hat, stattdessen die Kompositionen selbst im Mittelpunkt der knapp 56 Minuten stehen. Die eigenbrötlerischen Sound-Visionäre von Gestern haben die Gefahr von Heute frühzeitig erkannt, dem Reiz sich im Festgefahrenen zu suhlen getrotzt, folgerichtig Mut zur Reduktion gezeigt, ihre Musik mehr auf den Punkt gebracht. Das Beste an der vermeintlichen Neuerfindung: "Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust" klingt trotzdem wie Sigur Ros.

Mag der Einstand mit glückselig ausgelassenen Pop-Stücken wie "Gobbledigook" - "with its shifting acoustic guitars, playful vocals, time signature swings and swirling percussion" - und "Inní Mér Syngur Vitleysingur" - "one of the most anthemic songs Sigur Ros have ever written" - anfangs noch verwirren, manch eingesessenen Fan vielleicht sogar verstören, so kann - und will - man sich nach einigen Durchläufen der schlichtweg bezaubernden Unbekümmertheit gar nicht mehr erwehren. Was nicht zu bedeuten hat, dass man auf das gewohnt Epische, auf alles extrem langsam vor- und ebenso dick Aufgetragene vergessen hätte. Man lausche nur den altbekannten, dabei aber nicht minder beeindruckenden Breitwandstücken wie den jeweils neunminütigen "Festival" und "Ára Bátur", letzteres live mit dem London Sinfonietta und London Oratory Boy's Choir - insgesamt 90 Leute - in den altehrwürdigen Abbey-Road-Studios aufgenommen. Epische Theatralik hin, poppige Songstrukturen her, Sigur Ros machen immer noch die wunderschönste Musik auf Erden.

Sigur Ros: Með Suð I Eyrum Við Spilum EndalaustSigur Ros
Með Suð I Eyrum Við Spilum Endalaust
23.06.2008


[sigur-ros.co.uk]
[myspace.com/sigurros]

[Sigur Ros @ Arena (Open Air), Wien - 08.07.2008]

[UPDATE: SIGUR ROS... WITH A BUZZ IN THEIR EAR...]

[Review: Sigur Ros - Takk]