"The band most people like to fall asleep to" zeigt bei "Viva La Vida Or Death And All His Friends" endlich Mut zur Erneuerung. Ich weiß, es bleibt immer noch Coldplay. Ja, und?
Coldplay dürfen sich als Multiseller bezeichnen bzw. müssen es als eine der erfolgreichsten Bands der Nuller-Jahre über sich ergehen lassen als solcher bezeichnet zu werden. Da führt kein Weg vorbei. Zu eindeutig der Zahlen Sprache. So heimsten ihre ersten drei Studioalben in ihrer Heimat insgesamt 22 mal Platin und in den USA für eine britische Band umso beachtlichere neun mal Platin ein. In den U.K. sind das pro Auszeichnung 300.000 verkaufte Einheiten, in den USA gar eine Million. Man aktiviere den Taschenrechner und staune. Erst recht in Zeiten wie diesen. "King Bono is dead, long live the kings." Die Folgen dessen kennt man. Kratzt man erst mal unter der Oberfläche selbsternannter Musikexperten, wird man recht bald kaum noch auf jemanden treffen, der zugibt freiwillig und noch dazu mit gewisser Begeisterung Coldplays musikalischem Output zu lauschen. Wie wurde Chris Martin vom deutschen Rolling Stone unlängst bezeichnet: "Jesus Of Uncool". Und kein Augenzwinkern inkludiert. Ein hartes Los für die U2-Nachfolge auserkoren zu sein.
Nein, man tut Coldplay damit nicht Unrecht. Die vier Herrschaften haben sich den Ruf zu nerven mühselig erarbeitet. Daran ändert auch nichts, dass ihr Frontmann im Stande ist Großartiges zu komponieren. Was er bereits mehr als einmal bewiesen hat. Schade nur, dass die Umsetzung dessen oftmals allzu schmachtfetzerisch ausfiel, vor allem aber zumeist bis immer der Weg Neuland zu beschreiten fehlte. Jedenfalls war das bei "Parachutes" (2000), "A Rush Of Blood To The Head" (2002) und "X&Y" (2005) so. Die ersten drei Alben, der erste Karriereabschnitt. Alles Vergangenheit, schenkte man den Vorankündigungen zu Album No. 4 Glauben. Beim neuen Werk mit dem eindrucksvollen Titel "Viva La Vida Or Death And All His Friends" soll nun alles anderes sein. Monatelang hat man daran herumgetüftelt und sich für die Studioaufnahmen mit einem der besten seines Faches zusammengetan. Einen Brian Eno als Produzenten zu gewinnen, da muss schon etwas dahinterstecken, das schafft nicht jeder. Roxy Music, John Cale, David Bowie, Devo, Talking Heads, U2. Eno steht für Musikgeschichte.
Und ja, sein Einfluss ist herauszuhören. Sofern man dem vermeintlichen Neuanfang denn auch eine Chance geben will. Okay, er ist nicht so drastisch ausgefallen, dass man Gefahr läuft, hier nicht sofort an Coldplay denken zu müssen. Dafür ist Martins Gesang - wenn auch merklich weniger Falsett als bisher - doch zu sehr Trademark. Nichtsdestotrotz ist da einiges, das man so von Coldplay noch nicht kennt. Von Wagnissen zu schreiben wäre übertrieben, ein anerkennenedes Aufhorchen ist jedoch allemal angebracht. So beim dreiteiligen "42" mit all seinen Klavieren, wirbelnden Streichern und geloopten Beats. Oder beim vierzigsekündigen Ambient-Intro und dem bluesig stolzierenden Rest der Vorab-Single "Violet Hill", dem ersten Coldplay-Hit ohne zwingendem Refrain. Nicht zu vergessen "Viva La Vida", ein wunderbar kitschiger Ausflug in die Kammermusik, und der Gute-Laune-Afro-Pop von "Strawberry Swing". Sehr wohl zu vergessen: Abziehbilder von Coldplay-Hymnen, wie sie alle Welt kennt. Stattdessen erweist sich "Viva La Vida Or Death And All His Friends" nachdrücklich als erstes Coldplay-Album, das unbedingt als Ganzes gehört werden will. Schau an, sie scheinen also tatsächlich die Kurve gekriegt zu haben.
Coldplay
Viva La Vida Or Death And All His Friends
16.06.2008
[coldplay.com]
[myspace.com/coldplay]
[Review: Coldplay - X&Y]
[Coldplay @ Stadthalle, Wien - 24.09.2008]
[Coldplay @ Nuke-Festival, Pielachtal - 10.07.2005 (1)]
[Coldplay @ Nuke-Festival, Pielachtal - 10.07.2005 (2)]
Coldplay dürfen sich als Multiseller bezeichnen bzw. müssen es als eine der erfolgreichsten Bands der Nuller-Jahre über sich ergehen lassen als solcher bezeichnet zu werden. Da führt kein Weg vorbei. Zu eindeutig der Zahlen Sprache. So heimsten ihre ersten drei Studioalben in ihrer Heimat insgesamt 22 mal Platin und in den USA für eine britische Band umso beachtlichere neun mal Platin ein. In den U.K. sind das pro Auszeichnung 300.000 verkaufte Einheiten, in den USA gar eine Million. Man aktiviere den Taschenrechner und staune. Erst recht in Zeiten wie diesen. "King Bono is dead, long live the kings." Die Folgen dessen kennt man. Kratzt man erst mal unter der Oberfläche selbsternannter Musikexperten, wird man recht bald kaum noch auf jemanden treffen, der zugibt freiwillig und noch dazu mit gewisser Begeisterung Coldplays musikalischem Output zu lauschen. Wie wurde Chris Martin vom deutschen Rolling Stone unlängst bezeichnet: "Jesus Of Uncool". Und kein Augenzwinkern inkludiert. Ein hartes Los für die U2-Nachfolge auserkoren zu sein.
Nein, man tut Coldplay damit nicht Unrecht. Die vier Herrschaften haben sich den Ruf zu nerven mühselig erarbeitet. Daran ändert auch nichts, dass ihr Frontmann im Stande ist Großartiges zu komponieren. Was er bereits mehr als einmal bewiesen hat. Schade nur, dass die Umsetzung dessen oftmals allzu schmachtfetzerisch ausfiel, vor allem aber zumeist bis immer der Weg Neuland zu beschreiten fehlte. Jedenfalls war das bei "Parachutes" (2000), "A Rush Of Blood To The Head" (2002) und "X&Y" (2005) so. Die ersten drei Alben, der erste Karriereabschnitt. Alles Vergangenheit, schenkte man den Vorankündigungen zu Album No. 4 Glauben. Beim neuen Werk mit dem eindrucksvollen Titel "Viva La Vida Or Death And All His Friends" soll nun alles anderes sein. Monatelang hat man daran herumgetüftelt und sich für die Studioaufnahmen mit einem der besten seines Faches zusammengetan. Einen Brian Eno als Produzenten zu gewinnen, da muss schon etwas dahinterstecken, das schafft nicht jeder. Roxy Music, John Cale, David Bowie, Devo, Talking Heads, U2. Eno steht für Musikgeschichte.
Und ja, sein Einfluss ist herauszuhören. Sofern man dem vermeintlichen Neuanfang denn auch eine Chance geben will. Okay, er ist nicht so drastisch ausgefallen, dass man Gefahr läuft, hier nicht sofort an Coldplay denken zu müssen. Dafür ist Martins Gesang - wenn auch merklich weniger Falsett als bisher - doch zu sehr Trademark. Nichtsdestotrotz ist da einiges, das man so von Coldplay noch nicht kennt. Von Wagnissen zu schreiben wäre übertrieben, ein anerkennenedes Aufhorchen ist jedoch allemal angebracht. So beim dreiteiligen "42" mit all seinen Klavieren, wirbelnden Streichern und geloopten Beats. Oder beim vierzigsekündigen Ambient-Intro und dem bluesig stolzierenden Rest der Vorab-Single "Violet Hill", dem ersten Coldplay-Hit ohne zwingendem Refrain. Nicht zu vergessen "Viva La Vida", ein wunderbar kitschiger Ausflug in die Kammermusik, und der Gute-Laune-Afro-Pop von "Strawberry Swing". Sehr wohl zu vergessen: Abziehbilder von Coldplay-Hymnen, wie sie alle Welt kennt. Stattdessen erweist sich "Viva La Vida Or Death And All His Friends" nachdrücklich als erstes Coldplay-Album, das unbedingt als Ganzes gehört werden will. Schau an, sie scheinen also tatsächlich die Kurve gekriegt zu haben.
Coldplay
Viva La Vida Or Death And All His Friends
16.06.2008
[coldplay.com]
[myspace.com/coldplay]
[Review: Coldplay - X&Y]
[Coldplay @ Stadthalle, Wien - 24.09.2008]
[Coldplay @ Nuke-Festival, Pielachtal - 10.07.2005 (1)]
[Coldplay @ Nuke-Festival, Pielachtal - 10.07.2005 (2)]
wasix - 1. Jul, 18:19 - [2008 Platten]
DIY - 1. Jul, 19:20:
das schmachtfetzerische
hielt sich auf parachutes durchaus in grenzen. wird wohl für immer ihr einziges hörbares album bleiben.
wasix - 1. Jul, 20:24:
ach ja, die "kleinen, schnuckeligen songperlen" von "parachutes"... früher, ja früher, da war scheinbar doch alles noch besser... ;-)