Zwei Alben an einem Tag veröffentlichen. Das wagte zuletzt der Mann mit dem Pflaster auf der Wange. Der Unterschied? Bei Bright Eyes sind es zwei kleine Meisterwerke.
Die Musik von Bright Eyes begleitete mich durch die letzten zwei Jahre wie kaum eine andere. Das mag daran gelegen haben, dass ich das Schaffen von Conor Oberst erst mit dem letzten Album "Lifted Or The Story Is In The Soil, Keep Your Ear To The Ground" kennenlernte und somit einiges nachzuholen hatte. Kein Unterfangen, das man mal einfach so zwischendurch erledigen kann. Umfasste das musikalische Werk des 1980 geborenen Oberst doch bereits damals vier Alben, unzählige EP's und noch mehr Side-Projects und Split-Singles. Die Möglichkeit, sich nicht bloß einmal durch diese Stunden herrlicher Musik durchzuhören, offenbarte sich als wahre Wohltat. Denn Bright Eyes sind im Stande höchste Ansprüche zu befriedigen. Was blieb, war die Erkenntnis, dass man es bei dem jungen Ausnahmemusiker aus Omaha, Nebraska mit dem vielleicht begabtestes Songwriter dieser Tage zu tun hat.
2005 stehen uns nun gleich zwei neue Alben von Conor Oberst und seinen Bright Eyes ins Haus. Veröffentlicht an ein und demselben Tag. In der Tradition von Guns N' Roses, Bruce Springsteen und Tom Waits. Oder auch Nelly. Die bereits vor Weihnachten veröffentlichten Singles deuteten bereits die jeweilige Richtung an. Und die konnte unterschiedlicher nicht ausfallen. So ging "Lua" eindeutig an die Adresse der eher konservativen Hörerschaft. Conor Oberst allein an der Gitarre zelebriert zerbrechliches Songwriting. Mit "Take It Easy (Love Nothing)" überraschte der manische Song-Schreiber hingegen mit einem Midtempo-Ohrwurm, der durch elektronische Anleihen einen richtig guten Groove hervorzaubert. Auf der einen Seite also der eher traditionelle Folk-Rock, der Oberst als Singer/Songwriter hervorhebt. Auf der anderen Seite die elektronisch angehauchten Experimente, wo der Meister unter Beweis stellt, dass er auch seine Lektion an den Synthies gelernt hat.
The Folk Record.
Februar 2004: Etwas mehr als eine Woche dauerte es, bis Conor Oberst den Großteil der Songs für ein neues Bright Eyes-Album eingespielt hatte. Es fehlten nur noch ein paar Kleinigkeiten. So auch einige der Vocals. Da hatte Oberst die Idee mit einer Gastsängerin zu arbeiten. Nicht mit irgendeiner, sondern Emmylou Harris, der großen Dame des Folk. Nachdem er ihr ein Tape zukommen ließ, sagte sie zu. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit gibt es nun in Form von drei hinreißenden Duetten auf "I'm Wide Awake, It's Morning" zu hören.
Dieses Album steht unverkennbar in der Tradition früherer Bright Eyes-Platten. Dabei wird der Musikkosmos von Conor Oberst auf simple, aber fesselnde Melodien reduziert. Einige Lieder bestehen sogar ausschließlich aus akustischer Gitarre und seiner zittrigen Stimme. Wenn andere Instrumente zum Einsatz kommen, dann werden sie nur äußerst sparsam eingesetzt. Wie dieses Album überhaupt durch seine karge Produktion besticht. Man kann "I'm Wide Awake, It's Morning" durchaus als typische Songwriter-Platte bezeichnen. Allerdings eine mit rauhen Kanten und tiefsinniger Poesie. Das ist Lo-Fi zwischen sperrigem Folk und bezauberndem Country-Kitsch. Soetwas kann dann auch schon mal in hemmungslosem Chaos enden. Wie beim abschließenden "Road To Joy". Furioser hätte "I'm Wide Awake, It's Morning" nicht enden können.
The Digital Record.
Ist "I'm Wide Awake, It's Morning" die eindeutig ruhigere Platte, so kann man "Digital Ash In A Digital Urn" durchaus als das gewagtere der beiden Alben bezeichnen. Hier steht Innovation im Vordergrund. Conor Oberst betritt dabei Neuland. So werden seine einfach strukturierten Kompositionen auf bislang ungewohnte Weise verpackt. Da bekommt man sowohl elektronische Beats und Samples als auch so manch gefühlvolle Streicherarrangements zu Ohren. Die vorliegenden Songs werden aber nicht mit Fremdklängen zugepflastert, sondern gewissenhaft bereichert. Nichts wirkt hektisch, alles dezent.
An die zwei Dutzend Musiker hat Conor Oberst für die Aufnahmen von "Digital Ash In A Digital Urn" ins Studio geholt. Der Großteil davon ist auch auf der Platte zu hören. Darunter jede Menge Label-Kollegen von Saddle Creek, aber auch andere namhafte Indie-Größen wie Jimmy Tamborello von Postal Service oder Yeah Yeah Yeahs-Gitarrist Nick Zinner. Das Ergebnis klingt dementsprechend vielschichtig und interessant. Hier werden keinerlei Erwartungen erfüllt. Vielleicht gerade deshalb sind Superlativen angebracht. Ein Album mit unzähligen Facetten und noch mehr großen Momenten.
Die Qual der Wahl.
Müsste ich - und auch nur dann - zwischen den beiden Alben wählen, ich würde mich für "Digital Ash In A Digital Urn" entscheiden. Wohl deshalb, weil es eine neue, spannende Seite von Bright Eyes offenbart. Das ändert natürlich nichts an dem stimmungsvollen Flair, den "I'm Wide Awake, It's Morning" versprüht. Natürlich kann man dem Sich-Entscheiden-Müssen auch aus dem Weg gehen und die vorliegenden Werke einfach als Doppelalbum mit zwei vollkommen unterschiedlichen Platten sehen. Vielleicht werde ich das auch tun, wenn am Ende des Jahres die obligatorischen Bestenlisten anstehen. Denn dort werden diese beiden Alben mit Sicherheit auftauchen. Egal ob als Doppelpack oder getrennt.
[Live: Arena, Wien - 04.03.2005]
[Live: Arena (Open Air), Wien - 23.06.2005]
Bright Eyes
I’m Wide Awake, It’s Morning
Digital Ash In A Digital Urn
24.01.2005
[saddle-creek.com/brighteyes]
Die Musik von Bright Eyes begleitete mich durch die letzten zwei Jahre wie kaum eine andere. Das mag daran gelegen haben, dass ich das Schaffen von Conor Oberst erst mit dem letzten Album "Lifted Or The Story Is In The Soil, Keep Your Ear To The Ground" kennenlernte und somit einiges nachzuholen hatte. Kein Unterfangen, das man mal einfach so zwischendurch erledigen kann. Umfasste das musikalische Werk des 1980 geborenen Oberst doch bereits damals vier Alben, unzählige EP's und noch mehr Side-Projects und Split-Singles. Die Möglichkeit, sich nicht bloß einmal durch diese Stunden herrlicher Musik durchzuhören, offenbarte sich als wahre Wohltat. Denn Bright Eyes sind im Stande höchste Ansprüche zu befriedigen. Was blieb, war die Erkenntnis, dass man es bei dem jungen Ausnahmemusiker aus Omaha, Nebraska mit dem vielleicht begabtestes Songwriter dieser Tage zu tun hat.
2005 stehen uns nun gleich zwei neue Alben von Conor Oberst und seinen Bright Eyes ins Haus. Veröffentlicht an ein und demselben Tag. In der Tradition von Guns N' Roses, Bruce Springsteen und Tom Waits. Oder auch Nelly. Die bereits vor Weihnachten veröffentlichten Singles deuteten bereits die jeweilige Richtung an. Und die konnte unterschiedlicher nicht ausfallen. So ging "Lua" eindeutig an die Adresse der eher konservativen Hörerschaft. Conor Oberst allein an der Gitarre zelebriert zerbrechliches Songwriting. Mit "Take It Easy (Love Nothing)" überraschte der manische Song-Schreiber hingegen mit einem Midtempo-Ohrwurm, der durch elektronische Anleihen einen richtig guten Groove hervorzaubert. Auf der einen Seite also der eher traditionelle Folk-Rock, der Oberst als Singer/Songwriter hervorhebt. Auf der anderen Seite die elektronisch angehauchten Experimente, wo der Meister unter Beweis stellt, dass er auch seine Lektion an den Synthies gelernt hat.
The Folk Record.
Februar 2004: Etwas mehr als eine Woche dauerte es, bis Conor Oberst den Großteil der Songs für ein neues Bright Eyes-Album eingespielt hatte. Es fehlten nur noch ein paar Kleinigkeiten. So auch einige der Vocals. Da hatte Oberst die Idee mit einer Gastsängerin zu arbeiten. Nicht mit irgendeiner, sondern Emmylou Harris, der großen Dame des Folk. Nachdem er ihr ein Tape zukommen ließ, sagte sie zu. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit gibt es nun in Form von drei hinreißenden Duetten auf "I'm Wide Awake, It's Morning" zu hören.
Dieses Album steht unverkennbar in der Tradition früherer Bright Eyes-Platten. Dabei wird der Musikkosmos von Conor Oberst auf simple, aber fesselnde Melodien reduziert. Einige Lieder bestehen sogar ausschließlich aus akustischer Gitarre und seiner zittrigen Stimme. Wenn andere Instrumente zum Einsatz kommen, dann werden sie nur äußerst sparsam eingesetzt. Wie dieses Album überhaupt durch seine karge Produktion besticht. Man kann "I'm Wide Awake, It's Morning" durchaus als typische Songwriter-Platte bezeichnen. Allerdings eine mit rauhen Kanten und tiefsinniger Poesie. Das ist Lo-Fi zwischen sperrigem Folk und bezauberndem Country-Kitsch. Soetwas kann dann auch schon mal in hemmungslosem Chaos enden. Wie beim abschließenden "Road To Joy". Furioser hätte "I'm Wide Awake, It's Morning" nicht enden können.
The Digital Record.
Ist "I'm Wide Awake, It's Morning" die eindeutig ruhigere Platte, so kann man "Digital Ash In A Digital Urn" durchaus als das gewagtere der beiden Alben bezeichnen. Hier steht Innovation im Vordergrund. Conor Oberst betritt dabei Neuland. So werden seine einfach strukturierten Kompositionen auf bislang ungewohnte Weise verpackt. Da bekommt man sowohl elektronische Beats und Samples als auch so manch gefühlvolle Streicherarrangements zu Ohren. Die vorliegenden Songs werden aber nicht mit Fremdklängen zugepflastert, sondern gewissenhaft bereichert. Nichts wirkt hektisch, alles dezent.
An die zwei Dutzend Musiker hat Conor Oberst für die Aufnahmen von "Digital Ash In A Digital Urn" ins Studio geholt. Der Großteil davon ist auch auf der Platte zu hören. Darunter jede Menge Label-Kollegen von Saddle Creek, aber auch andere namhafte Indie-Größen wie Jimmy Tamborello von Postal Service oder Yeah Yeah Yeahs-Gitarrist Nick Zinner. Das Ergebnis klingt dementsprechend vielschichtig und interessant. Hier werden keinerlei Erwartungen erfüllt. Vielleicht gerade deshalb sind Superlativen angebracht. Ein Album mit unzähligen Facetten und noch mehr großen Momenten.
Die Qual der Wahl.
Müsste ich - und auch nur dann - zwischen den beiden Alben wählen, ich würde mich für "Digital Ash In A Digital Urn" entscheiden. Wohl deshalb, weil es eine neue, spannende Seite von Bright Eyes offenbart. Das ändert natürlich nichts an dem stimmungsvollen Flair, den "I'm Wide Awake, It's Morning" versprüht. Natürlich kann man dem Sich-Entscheiden-Müssen auch aus dem Weg gehen und die vorliegenden Werke einfach als Doppelalbum mit zwei vollkommen unterschiedlichen Platten sehen. Vielleicht werde ich das auch tun, wenn am Ende des Jahres die obligatorischen Bestenlisten anstehen. Denn dort werden diese beiden Alben mit Sicherheit auftauchen. Egal ob als Doppelpack oder getrennt.
[Live: Arena, Wien - 04.03.2005]
[Live: Arena (Open Air), Wien - 23.06.2005]
Bright Eyes
I’m Wide Awake, It’s Morning
Digital Ash In A Digital Urn
24.01.2005
[saddle-creek.com/brighteyes]
wasix - 17. Jan, 12:43 - [2005 Platten]
srocca - 19. Jan, 19:40:
Zur Qual der Wahl
Ich würde mich für "I'm Wide Awake, It's Morning" entscheiden. Andererseits - warum sollte man auf das zweite Album verzichten müssen?
wasix - 20. Jan, 00:00:
das mit dem wählen...
...war ja auch nur so gemeint, wenn es denn wirklich sein muss. nix da nur ein album hören/kaufen/brennen. beide muss man haben. so sieht's aus.
johnny_greenwood - 20. Jan, 03:39:
wir betreten feuertrunken...
ähm, bin ich eigentlich der einzige, den das letzte lied auf i´m wide awake, an beethovens "ode an die freude" erinnert? wir erinnern uns: text friedrich schiller, "alle menschen werden brüder" auch bekannt als "olle menschen san ma zwieda", in zweiterem fall aber eher nicht von schiller. europahymne, und so. nicht? keine cover-version? nicht geklaut? hm.
wasix - 21. Jan, 09:18:
"bin i a mensch oder a wiener?"
vollkommen richtig. sensationeller vergleich. conor oberst covert kurt sowinetz. auf das muss man erst mal kommen. vom qualtiger gibt es das lied auch. und obskurerweise sogar vom tocotronic-sänger dirk von lowtzow. gemeinsam mit dj dsl. "olle menschen san ma zwider, i mechts in die goschn haun..."
johnny_greenwood - 21. Jan, 17:50:
"teuferl"
letzteres lebt allerdings weitgehend allein vom versuch des deutschen lotzow einen wiener dialekt hinzubekommen. was dem lied aber natürlich vollkommen als existenzberechtigung ausreicht. an der stelle möchte ich euch dazu auffordern, deutsche dazu zu zwingen, mal "engerl", zu sagen. das mögen die garnicht. so wie katzen nicht wollen dass man ihnen ins gesicht bläst...