header
 
Finaler Teil der Huldigung: "... a pig, in a cage, on antibiotics."

Radiohead: OK Computer

[RETRO: RADIOHEAD - OK COMPUTER (1/3)]
[RETRO: RADIOHEAD - OK COMPUTER (2/3)]

"Fitter, happier, more productive, comfortable, not drinking too much, regular exercise at the gym (3 days a week)..." Strategisch klug im Mittelteil von "OK Computer" angesiedelt ist ein zeitgenössisches Gedicht in Form von einer elektronisch verzerrten Stimme und wirren Soundgeräuschen. "Fitter Happier" ist eine Mischung aus privatem Gebet und Lifestyle-Slogans. Yorke hält dem Zuhörer einen Spiegel vor das Gesicht und beweist, dass wir Teil einer synthetischen Welt geworden sind, unfähig Realität von künstlich Geschaffenem zu unterscheiden. "Fitter Happier" ist ein Alptraum mit der Hoffnung auf eine bessere, gesündere Zukunft. Apple Mac macht's möglich.

"Electioneering" ist der einzige Song des Albums, der wirklich als schnell zu bezeichnen ist. Man nehme einen Gitarrenriff Marke Oasis, verstärke diesen um das Zehnfache, lasse es plötzlich explodieren, und mit einem Schlag ist es aus mit all der Träumerei, zu der "OK Computer" nur allzu leicht verleiten mag. Es dauert jedoch nicht lange, schon befindet man sich wieder in der zugleich wunder- als auch sonderbaren Welt von Thom Yorke. "Climbing Up The Walls", eine schwergewichtige Version des Trip-Hop-Sounds, leitet jene Trilogie von Songs auf "OK Computer" ein, die nach und nach die logische Fortsetzung von "Street Spirit" darstellen. Da verwundert es nicht weiter, dass man gerade in dieser Phase des Albums mit dem Tod als textliches Hauptthema konfrontiert wird. "No Surprises" tut dies eindrucksvoll durch die bittersüße Version eines Kindergebets, das im Stil des "Pet Sounds"-Vibes festgehalten wurde. Das darauffolgende "Lucky" war erstmals bereits 1995 auf dem War Child-Compilation-Album "Help" zu hören und bot damals schon einen passenden Vorgeschmack, was aus dem Hause Radiohead noch zu erwarten war. "Lucky" ist aufgrund seiner zweijährigen Lebensdauer aber keinesfalls als Lückenfüller abzustempeln, sondern vielmehr als unverzichtbares Element von "OK Computer" einzuordnen.

Radiohead: Colin Greenwood - Ed O'Brien - Phil Selway - Jonny Greenwood - Thom Yorke.

"The Tourist" beendet das Album auf gespenstische Weise. Vielleicht kann man das abschließende Szenario als eine Art bluesiger Walzer beschreiben, wobei es wahrhaftig nicht einfach ist, einen Walzer mit jener Portion Angst zu spielen, die die Stimme von Yorke mit sich bringt. Jedenfalls werden sämtliche Versuche dieses Stück zu beschreiben sowieso ad absurdum geführt, indem die mit Fortdauer des Songs aufgekommen Gitarren plötzlich aussetzen, nur noch Bass und Drums zu hören sind und schlussendlich jedliches Mysterium mit dem Ding einer Triangel beendet wird.

Mit ihrem Debut "Pablo Honey" bewiesen Radiohead, dass sie durchaus im Stande sind großartige Pop-Songs zu schreiben. Auf "The Bends" schafften sie es dann erstmals die Sensibilität ihrer Musik zum Ausdruck zu bringen. Mit einem Schlag wandten sich Yorke & Co. einer musikalischen Weitschichtigkeit aus bizarren Spielereien und psychologischen Dramen zu. Der Brit-Pop boomte, doch Radiohead machten abseits jedlichen Hypes ihr eigenes Ding. "OK Computer" ist nun die Fortsetzung dieser Entwicklung. Dieses Album ist riesig und mysteriös, gleichermaßen etwas für Kopf und Seele. Es macht Radiohead zum unabkömmlicher Teil der modernen Popgeschichte. OK? Nein, eher ehrfurchtgebietend.

[10/10-Review @ Pitchfork Media] [OK Computer @ Wikipedia]

[radiohead.com] [radiohead.com/deadairspace]