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Ein großes Pop/Rock-Meisterwerk feiert sein Zehnjähriges. Die Fortsetzung.

Radiohead: OK Computer

[RETRO: RADIOHEAD - OK COMPUTER (1/3)]

Wer "Airbag" bereits als faszinierend und brillant einstuft, für den kann das darauffolgende "Paranoid Android" eigentlich nur der Song des Jahres sein. Während diesem sechseinhalb Minuten langen Wechselspiel zwischen melancholischen Gesangsharmonien und wilden Gitarrensolos wandern Radiohead so geschickt zwischen Pop und Bombast, dass man diese Nummer ohne größere Hemmnisse als erste ernstzunehmende Pop-Sinfonie seit Queens "Bohemian Rhapsody" bezeichnen kann. Im Gegensatz zu den einmaligen vokalen Ergüssen eines Freddie Mercury setzt "Paranoid Android" jedoch mehr auf ausufernde Instrumentalpassagen, wobei ein wahres Arsenal an elektronischen Mutationen, wirren Sounds und stotternden Anti-Rhythmen vom Stapel gelassen werden. Kein Wunder, dass dieser Song aufgrund seiner extremen Stimmungswechsel von vielen als schwer zugänglich eingestuft wird. Nichtsdestotrotz wählten Radiohead genau diese Nummer als erste Single von "OK Computer" aus.

Bereits nach den ersten beiden Songs des Albums wird einem bewusst, dass man es hier mit progressiver Rock-Musik in Reinkultur zu tun hat. Als Zuhörer wird es einem nicht gerade leicht gemacht herauszufinden, welches Instrument gerade welche Geräusche fabriziert. Alles wirkt auf eine magische Art unorthodox und abschweifend. Ein Song wie "Subterranean Homesick Alien", in dem Yorke seine nicht vorhandenen Angst vor außerirdischen Lebewesen kundtut, ist der beste Beweis für das intergalaktische Szenario, das "OK Computer" zu bieten hat.

Radiohead: Thom Yorke - Ed O'Brien - Phil Selway - Colin Greenwood - Jonny Greenwood.

"Exit Music" ist eine Art Up-To-Date-Version von "She's Leaving Home" der Beatles. Es beginnt als einfache Akustikballade mit einem herzzerreißenden "Breathe, keep breathing. I can't do this alone"-Refrain. Das entstandene Bild wandelt sich mit Fortdauer aber immer mehr zu einem tiefgehenden Etwas aus glamourösen Harmonien und seltsamen Samples. Erst gegen Ende lichtet sich der dichte Soundnebel wieder und entlässt einem mit den ausklingenden Textzeilen "We hope that you choke". "Exit Music" läuft übrigens auch im Abspann zur Kinoversion von "Romeo & Juliet", wobei eines doch einmal geschrieben werden muss. Es ist und bleibt mir unverständlich, warum Romeo nach der gemeinsamen Nacht mit Julia diese nicht einfach genommen hat und mit ihr abgehauen ist. Irgendwie macht das Verhalten dieses Idioten doch keinen Sinn, oder? Was spricht eigentlich gegen das Davonlaufen, wenn einem ansonsten nichts als eine beschissene Zeit bevorsteht?

Wer den Anfang von "Let Down" hört, könnte leicht den Verdacht schöpfen, dass man es hier mit einer Hommage an "The Joshua Tree" zu tun hätte. Doch der Schein trügt. Sehr schnell wird man eines Besseren belehrt und der entstandene Vergleich wird durch den Einsatz von verrückten Synthesizer-Klängen, die wie bei einer Laser-Show aus allen Richtungen zu kommen scheinen, einfach weggewischt. Das darauffolgende "Karma Police" ist ein von Piano-Klängen gesteuertes Statement über drogengesteuerte Missgeschicke in der heutigen Pop-Kultur. "Karma police arrest this girl. Her Hitler hairdo is making me feel ill." Eine Textzeile, durch die Yorke mit Sicherheit keine uns bekannte Persönlichkeit zu beschreiben versucht, oder?

[RETRO: RADIOHEAD - OK COMPUTER (3/3)]

[The Album, Song By Song: 1997 Interview With The Band]

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