Alles beim Alten bei der bedeutendsten progressiven Rock-Band der Gegenwart. "10,000 Days" bietet wenig Neues, zu begeistern weiß das Tool'sche Sounduniversum aber immer noch.
Prog-Rock? Ein längst vergessenes Überbleibsel der Siebziger-Jahre. All dieser hoffnungslos überladene Bombast mit seinen in die Länge gezogenen Songs. Epische Rock-Monumente: Düster, mystisch, spannungsgeladen. Dazu diese endlos vertrackten Rhythmen. Meistens mit einem Taktefeuerwerk gleichzusetzen, wo man als Normalsterblicher ohnehin nicht durchblicken kann. Wer hört denn noch soetwas? Eine berechtigte Frage. Zumindestens Anfang der Neunziger. Denn zur Blütezeit des Grunge war Prog-Rock tot. Schlichtweg nicht vorhanden. Was sich 1996 jedoch mit einer einzigen Platte ändern sollte. Die Band: Tool. Das Wunderwerk: "Aenima". Ein verdammtes Monster von Album. Wunderbar verkopft. Soetwas nennt man wohl Jahrhundert-Platte, hat "Aenima" - der Nachfolger zu dem recht eindimensionalen Debut "Undertow" (1993) - doch mit einem Schlag dem Genre frisches Leben eingehaucht. Eine neue Generation von Rock-Fans war geboren: Die Toolarmy. Jene Ansammlung willenloser Verehrer, für die es von nun an tagtäglich nur eine einzig wahre Dröhnung gab. Und die dabei ganze fünf Jahre warten mussten, bis ihnen nach "Aenima" von ihren musikalischen Göttern endlich eine neue Droge vorgesetzt wurde. Ein ebenso eindringliches, noch ausufernderes, wenn auch weniger düsteres Suchtmittel. Natürlich war auch "Lateralus" überdimensional, wenn auch nicht ganz so groß wie sein Vorgänger. Hauptsache man wurde ein weiteres Mal von diesem unverkennbaren, fast schon klinisch wirkenden Tool-Sound gepackt. Das ist schon Faszination genug.
Weitere fünf Jahre später nun das nächste Konzeptalbum aus dem Hause Tool. Da haben die Herren Adam Jones (Gitarre), Justin Chancellor (Bass) und Danny Carey (Drums) also wieder mal aus ihren schier endlosen Jam-Sessions die Rosinen rausgepickt. Da hat Maynard James Keenan (Vocals) nach seinem A Perfect Circle-Intermezzo endlich wieder Zeit gefunden um sich die diversen Songfragmente seiner drei Kollegen anzuhören, seinen Senf dazuzugeben und infolgedessen auch neue Texte zu schreiben. Fertig war das gewohnt komplexe Soundkonstrukt. "10,000 Days" bietet dann auch genau das, was das Quartett aus Los Angeles ausmacht. Perfekt durcharrangierte Songs mit jeder Menge technischer Finessen. Alles handwerklich virtuos umgesetzt. Mit halsbrecherischen Breaks und Wendungen ohne Ende. Mal dynamisch und von extremer Härte geprägt. Mal mit tollen Klangcollagen und Melodien, die unter die Haut gehen. Letzteres vor allem wegen der immer noch einmaligen Stimme von Herrn Keenan. Er mag unnahbar, distanziert und irgendwie auch unsympathisch wirken, sein Gesang ist und bleibt jedoch großartig. Egal ob er nun flüstert, haucht oder wie ein Verrückter um sich herumschreit, eine emotionalere und intensivere Stimme ist mir bislang nicht untergekommen. Da darf man schon mal ins Schwärmen geraten. Ebenso wie beim Artwork der neuen CD. Inklusive 3D-Brille und kompatiblem Booklet. Eine doch ziemlich eigenwillige Idee, die so manchen Download-Fetischisten ziemlich alt aussehen lässt. Der Titel "Artwork des Jahres" ist Tool damit jedenfalls schon mal sicher.
Natürlich könnte man Tool den Vorwurf machen, dass "10,000 Days" vor Selbstzitaten nur so übertrieft. Das ein oder andere Deja-Vu-Erlebnis kann man da unmöglich leugnen. Zu unverkennbar ist der Sound. Man ist sich zweifelsohne treu geblieben und setzt auf altbekannte Stärken. Trotzdem schaffen es Tool immer noch die gesamte Konkurrenz in Sachen Komplexität und Atmosphäre an die Wand zu spielen. "10,000 Days" hört sich nicht nur nach verdammt viel Aufwand an, da steckt auch jede Menge dahinter. Eigentlich müsste man bei diesem Album noch gut ein Jahr warten, bis man es endgültig bewerten kann. Was wenig Sinn macht. Ebenso wie einzelne Songs herauszuheben. Selbst die Erwähnung der Tracktitel ist überflüssig. "10,000 Days" ist als Ganzes zu hören. Ohne Wenn und Aber. Die knapp 76 Minuten muss man sich schon Zeit nehmen, um diesem Lehrstück in Sachen Sound und Mastering näherkommen zu können. Nur soviel: Die Toolarmy wird diese Platte lieben. Da stört es auch niemanden, auf innovativen Fortschritt bei "10,000 Days" verzichten zu müssen. Nicht weiter schlimm. Denn mit der vorhandenen Stagnation auf allerallerhöchstem Niveau kann man sehr gut leben.
[Live @ Stadthalle, Wien - 19.11.2006]
Tool
10,000 Days
01.05.2006
[toolband.com]
Prog-Rock? Ein längst vergessenes Überbleibsel der Siebziger-Jahre. All dieser hoffnungslos überladene Bombast mit seinen in die Länge gezogenen Songs. Epische Rock-Monumente: Düster, mystisch, spannungsgeladen. Dazu diese endlos vertrackten Rhythmen. Meistens mit einem Taktefeuerwerk gleichzusetzen, wo man als Normalsterblicher ohnehin nicht durchblicken kann. Wer hört denn noch soetwas? Eine berechtigte Frage. Zumindestens Anfang der Neunziger. Denn zur Blütezeit des Grunge war Prog-Rock tot. Schlichtweg nicht vorhanden. Was sich 1996 jedoch mit einer einzigen Platte ändern sollte. Die Band: Tool. Das Wunderwerk: "Aenima". Ein verdammtes Monster von Album. Wunderbar verkopft. Soetwas nennt man wohl Jahrhundert-Platte, hat "Aenima" - der Nachfolger zu dem recht eindimensionalen Debut "Undertow" (1993) - doch mit einem Schlag dem Genre frisches Leben eingehaucht. Eine neue Generation von Rock-Fans war geboren: Die Toolarmy. Jene Ansammlung willenloser Verehrer, für die es von nun an tagtäglich nur eine einzig wahre Dröhnung gab. Und die dabei ganze fünf Jahre warten mussten, bis ihnen nach "Aenima" von ihren musikalischen Göttern endlich eine neue Droge vorgesetzt wurde. Ein ebenso eindringliches, noch ausufernderes, wenn auch weniger düsteres Suchtmittel. Natürlich war auch "Lateralus" überdimensional, wenn auch nicht ganz so groß wie sein Vorgänger. Hauptsache man wurde ein weiteres Mal von diesem unverkennbaren, fast schon klinisch wirkenden Tool-Sound gepackt. Das ist schon Faszination genug.
Weitere fünf Jahre später nun das nächste Konzeptalbum aus dem Hause Tool. Da haben die Herren Adam Jones (Gitarre), Justin Chancellor (Bass) und Danny Carey (Drums) also wieder mal aus ihren schier endlosen Jam-Sessions die Rosinen rausgepickt. Da hat Maynard James Keenan (Vocals) nach seinem A Perfect Circle-Intermezzo endlich wieder Zeit gefunden um sich die diversen Songfragmente seiner drei Kollegen anzuhören, seinen Senf dazuzugeben und infolgedessen auch neue Texte zu schreiben. Fertig war das gewohnt komplexe Soundkonstrukt. "10,000 Days" bietet dann auch genau das, was das Quartett aus Los Angeles ausmacht. Perfekt durcharrangierte Songs mit jeder Menge technischer Finessen. Alles handwerklich virtuos umgesetzt. Mit halsbrecherischen Breaks und Wendungen ohne Ende. Mal dynamisch und von extremer Härte geprägt. Mal mit tollen Klangcollagen und Melodien, die unter die Haut gehen. Letzteres vor allem wegen der immer noch einmaligen Stimme von Herrn Keenan. Er mag unnahbar, distanziert und irgendwie auch unsympathisch wirken, sein Gesang ist und bleibt jedoch großartig. Egal ob er nun flüstert, haucht oder wie ein Verrückter um sich herumschreit, eine emotionalere und intensivere Stimme ist mir bislang nicht untergekommen. Da darf man schon mal ins Schwärmen geraten. Ebenso wie beim Artwork der neuen CD. Inklusive 3D-Brille und kompatiblem Booklet. Eine doch ziemlich eigenwillige Idee, die so manchen Download-Fetischisten ziemlich alt aussehen lässt. Der Titel "Artwork des Jahres" ist Tool damit jedenfalls schon mal sicher.
Natürlich könnte man Tool den Vorwurf machen, dass "10,000 Days" vor Selbstzitaten nur so übertrieft. Das ein oder andere Deja-Vu-Erlebnis kann man da unmöglich leugnen. Zu unverkennbar ist der Sound. Man ist sich zweifelsohne treu geblieben und setzt auf altbekannte Stärken. Trotzdem schaffen es Tool immer noch die gesamte Konkurrenz in Sachen Komplexität und Atmosphäre an die Wand zu spielen. "10,000 Days" hört sich nicht nur nach verdammt viel Aufwand an, da steckt auch jede Menge dahinter. Eigentlich müsste man bei diesem Album noch gut ein Jahr warten, bis man es endgültig bewerten kann. Was wenig Sinn macht. Ebenso wie einzelne Songs herauszuheben. Selbst die Erwähnung der Tracktitel ist überflüssig. "10,000 Days" ist als Ganzes zu hören. Ohne Wenn und Aber. Die knapp 76 Minuten muss man sich schon Zeit nehmen, um diesem Lehrstück in Sachen Sound und Mastering näherkommen zu können. Nur soviel: Die Toolarmy wird diese Platte lieben. Da stört es auch niemanden, auf innovativen Fortschritt bei "10,000 Days" verzichten zu müssen. Nicht weiter schlimm. Denn mit der vorhandenen Stagnation auf allerallerhöchstem Niveau kann man sehr gut leben.
[Live @ Stadthalle, Wien - 19.11.2006]
Tool
10,000 Days
01.05.2006
[toolband.com]
wasix - 12. Mai, 15:21 - [2006 Platten]