header
 
Nach fast vier Jahren endlich das neue Album der Flaming Lips. Eine weitere spektakuläre Gratwanderung zwischen Underground und Mainstream, bei der es viel zu entdecken gibt.

Steven Drozd - Wayne Coyne - Michael IvinsBei "The Yeah Yeah Yeah Song" gehen die Meinungen auseinander. Geniestreich oder totaler Schwachsinn? Geilste Popmusik oder doch eher "Kindergeburtstag auf Drogen"? Wobei man letzteres gar nicht mal negativ sehen muss. Die Musik der Flaming Lips umgab immer schon etwas Naives, war stets von dieser lebensbejahenden Einstellung geprägt. Wobei man jedoch nie die Ironie des Ganzen aus Augen und Ohren verlieren sollte. Natürlich wirkt vieles amüsant. Stehen die Flaming Lips doch zweifelsohne für den durchgeknalltesten Indie-Pop unserer Tage. Gleichzeitig aber auch für das Leidenschaftlichste und Intelligenteste, was das Genre in den letzten 20 Jahre hervorgebracht hat. Denn genauso lange gibt es das Trio aus Oklahoma bereits. Eigentlich unglaublich: Ihr Debut "Hear It Is" stammt aus dem Jahr 1986. Viele Jahre vor dem großen Durchbruch. Die ihnen gebührende Aufmerksamkeit bekamen die Flaming Lips nämlich erst mit ihren letzten zwei Alben: "The Soft Bulletin" (1999) und "Yoshimi Battles The Pink Robots" (2002). Beides unbestritten monumentale Klassiker alternativer Rock/Pop-Musik. Zurecht von Kritikern in höchsten Tönen gelobt. Aber immerhin auch schon Nummer 9 und 10 in ihrer Album-Diskografie. Bei den Flaming Lips laufen die Uhren eben anders.

"The Yeah Yeah Yeah Song" ist - den Vorab-Download-Only "The W.A.N.D." nicht mitgerechnet - die erste Single aus "At War With The Mystics", dem neuen Album der Flaming Lips. Eigentlich der perfekter Richtungsweiser. Zumindestens dahingehend, dass auf dieser Platte alles erlaubt und nichts unmöglich scheint. Was man sich als erprobter Flaming Lips-Hörer ohnehin erwartet. Und mit "At War With The Mystics" ein weiteres Mal bekommt. Wenn man schon unbedingt eine Konstante zu den Vorgängern suchen muss, dann findet man sie wohl am ehesten in den wunderbar verrückten Songtiteln. Beispiele gefällig? Man bestaune "Free Radicals (A Hallucination Of The Christmas Skeleton Pleading With A Suicide Bomber)". Oder "Pompeii Am Götterdämmerung". Soetwas lässt auf Großes schließen. Ist es auch. Allerdings auf vollkommen unterschiedliche Weise. Ersteres ein Disco-Stomper. Eine schamlose Prince-Hommage, wie sie auch Beck nicht besser hinbekommen hätte. Zweiteres Siebziger-Psychedelic-Prog-Rock Marke Pink Floyd. Ein Riesensong. Doch keine Sorge: Auf "At War With The Mystics" gibt es noch weitaus mehr zu entdecken. Überraschungen ohne Ende. Das reicht vom abgespaceden Pop über ausufernden Krautrock bis hin zu Anleihen beim Bombast Wagner'scher Opern. Und damit ist das Spektrum dieses Albums noch lange nicht abgedeckt. Wer sich aufgrund dieser unglaublichen Vielfalt nicht bereits vollauf begeistert zeigt, der hat im Klang-Kosmos der Flaming Lips ohnehin nichts verloren.

Wenn eine Band ein ums andere Mal einem Meisterwerk ein ebenso gutes, wenn nicht sogar besseres Album nachlegt und sich dabei auch noch jedes Mal neuerfindet, dann muss diese Band zweifelsohne etwas richtig machen. Da stört es auch nicht, dass die drei bereits in die Jahre gekommen Herren nicht sonderlich cool aussehen (Ansichtssache) und deren Frontmann eigentlich gar nicht besonders gut singen kann (Geschmacksache). Um es auf den Punkt zu bringen: Die Herren Wayne Coyne, Steven Drozd und Michael Ivins sind verdammte Genies. Anders lässt sich dieses bis auf's Letzte ausgetüftelte, hoffnungslos schräge und von nahezu perfekter Schönheit gekennzeichnete Album nicht erklären. Und da will man mir in jeder zweiten Rezension erklären, dass es sich bei dieser Platte um einen Grower handelt, der bestenfalls nach dem x-ten Durchgang zündet. Ich habe "At War With The Mystics" jetzt zweimal am Stück gehört. Meine Frage dazu: Wo soll dieses Wunderding denn bloß noch hinwachsen?

Flaming Lips: At War With The MysticsFlaming Lips
At War With The Mystics
03.04.2006


[flaminglips.com]