header
 
Ein amerikanisches Elektro-Pop-Duo veröffentlicht sein Debut-Album auf einem deutschen Label. Nichts besonderes, wäre diese Platte von Electric President nicht so unverschämt gut.

Electric PresidentWenn Indie-Pop mit Electronic-Beats angereichert wird, dann spricht man in Fachkreisen neuerdings gerne von "Indietronic". Eigentlich ein blöder Begriff. Allerdings durchaus praktisch für Schubladendenker. Auch ich erwische mich immer wieder mal dabei Musik zu kategorisieren. Ist ja auch verlockend. Vor allem dann, wenn Erklärungsbedarf besteht. Oftmals passt es aber auch zu gut. Beispielsweise bei Electric President und eben dem eingangs erwähnten "Indietronic". Das Duo aus Jacksonville Beach, Florida macht nun mal Pop-Mucke aus dem Laptop. Zumindestens dem ersten Eindruck nach. Die Wahrheit sieht anders aus. Haben Ben Cooper und Alex Kane die zehn Songs ihres selbstbetitelten Debuts doch mit richtigen Instrumenten eingespielt. Nur reichte ihnen diese herkömmliche Gangart nicht. Sie wollten etwas Neues ins Leben rufen. Und so entschlossen sich die Beiden jede einzelne Spur am Computer nachzubearbeiten. Soetwas kann man heutzutage problemlos im eigenen Schlafzimmer praktizieren. Was in diesem Fall auch geschah. Herausgekommen ist passenderweise ein Album voller wunderbar verspielter Indie-Pop-Perlen. Verbunden mit sanften elektronischen Beats und einer unscheinbaren, dafür aber umso einlullenderen Stimme. Klingt alles hoffnungslos romantisch. Die perfekte Untermalung zum Kuscheln unter der warmen Decke. Eben Schlafzimmer-Musik.

Doch was tun, wenn man mit solcher Musik in den USA keinen Vertrieb findet. Richtig: Man wendet sich der Musikindustrie Nordamerikas ab und versucht in Europa unterzukommen. Am Besten gleich bei jenem Berliner Label, von dessen Output man selbst seit Jahren Fan ist. Fehlt nur noch der Freund, der jemanden kennt, der wiederum einen Bekannten hat, der bei Morr Music arbeitet. Genauso ist es dann auch abgelaufen. Und siehe da: Thomas Morr zeigte sich begeistert. So kamen Electric President bei jenem Label unter Vertrag, das nun schon seit Jahren als beste Adresse für überdurchschnittlich gute Releases in Sachen Electro-Pop, Indietronic oder was auch immer gilt. Passt doch wunderbar.

Man betrachte nur mal die Referenzen dieses Albums: Von The Notwist über Postal Service bis hin zu Lali Puna. Klingt abgekupfert, ist es aber nicht. Denn Electric President liefern alles andere als eine billige Kopie ab. Dafür ist der Sound zu detailverliebt und vor allem das Songwriting zu gut. Es frickelt zwar an allen Ecken und Enden, gleichzeitig wird aber nie der Song als solcher aus den Augen verloren. Trotzdem sollte es eine Zeit lang dauern, bis ich mir endgültig sicher war, diesem Miteinander von fragiler Elektronik und akustischen Gitarren auch wirklich verfallen zu wollen. Zwar hörte sich das alles schon beim ersten Durchgang vielversprechend an, nur gehört diese Platte genau zu jener Art von Musik, die man bei nicht ausreichendem Reinhören gerne mal links liegen lässt. Kommt man allerdings über die Einstiegsphase hinaus, dann verwandelt sich der erste Eindruck hinsichtlich gepflegter Langeweile schon bald in Mitgerissenheit oder einfach nur Sucht. Davon kommt man nicht mehr los. Will man auch gar nicht.

Electric President: stElectric President
st
16.01.2006


[radicalface.com]