Ingrid (Gast) - 8. Apr, 16:05:
Das sehe ich anders...
Der Film nimmt das Buch als Grundlage, spinnt dann aber auf dieser eine neue, eigene Geschichte. Röhler erhebt nicht den Anspruch, Elementarteilchen buchgetreu zu verfilmen. Im Gegenteil, er verformt, wählt aus, ändert duch Auslassen und dichtet ein neues, optimistisches Ende. Du solltest den Film als eigenständiges Werk betrachten, und als dieses ist es ein sehr unterhaltsamer, melancholicher aber auch ironischer Blick auf zwei unterschiedliche Männer und ihre Leiden (-schaften). Der, wie du so schön sagst, verkopfte Biologe, der vor dem Körperlichem geradezu flieht und als männliche Jungfrau nach einer Art der Fortpflanzung ohne Sexualität forscht; und im Gegenzug sein Bruder, der sich auf pathetische Weise nach der Vielweiberei sehnt, Sexualität ohne persönlichen Kontakt sucht und geradezu mitleiderregend die unterschiedlichsten Dinge versucht, um seinem Ziel näher zu kommen. Vielleicht eine Reaktion beider Brüder auf den etwas zu unbeschwerten Umgang mit Sexualität und Partnerschaft Ihrer Hippiemutter, die die beiden zurücklässt, um ihr eigenes Leben zu führen? Vielleicht zwei unterschiedliche Möglichkeiten, mit dem Verlust der Aufmerksamkeit und Mutterliebe umzugehen, sei es als Sexualitätsverweigerer oder als -völlerer? Der Film hat viele Diskussionen angeregt und wurde innerhalb des Freundeskreises heiss diskutiert, daher lobe ich mir die offenen Fenster, die der Film zur Interpretation lässt und sehe sie nicht als Schwachstellen.
Ganz überein stimme ich mit der Einschätzung von Bleibtreus Leistung, den ich bisher in eher einfachen Rollen gesehen habe und dem ich nun ein gänzlich anderes Repertoire zutraue - er hat die anderen Schauspieler, vielleicht zusammen mit Frau Gedeck, an die Wand gespielt.
P.S. Ich habe das Buch nicht gelesen.
Ingrid
wasix - 8. Apr, 17:25:
der unterschied...
du siehst den film als eigenständiges werk. ich nicht. zumindestens war dies meine herangehensweise. noch bevor ich irgendetwas zu augen und ohren bekommen habe. was im grunde auch die motivation dazu war, mir diesen filmen überhaupt anzusehen. zumindestens im kino. und weil ich dann doch zu faul dazu war, mich durch das buch durchzukämpfen, wählte ich die hörbuch-variante. mal etwas anderes. da musste der vergleich dann einfach sein...hätte ich mir - wie du - einfach "nur" den film angeschaut und danach eine "rezension" geschrieben, vieles, das meiste, vielleicht sogar alles hätte wohl mit deiner sichtweise übereingestimmt. aber so...
p.s.: selten einen so ausführlichen kommentar bekommen. danke.
christian