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The Strokes melden sich mit ihrem dritten Longplayer zurück. Ein Album, bei dem sich etwas ändern musste, wollte man überleben. Denn eines ist Fakt: Die Revolution hat Staub angesetzt.

The Strokes

Ihr erstes Album ist ein Klassiker seiner Zunft. Das kann man trotz seiner gerade mal viereinhalb Jahre auf dem Buckel durchaus so stehen lassen. An "Is This It" gibt es rein gar nichts auszusetzen. Knackige Drei-Minuten-Ohrwürmer, verpackt in diesem unverkennbar retro-lastigen Sound Marke Velvet Underground mit all seinen kurzangebundenen Gitarrenriffs und eingängigen Pop-Melodien. Und erst der Look. The Stokes hatten mit "Is This It" nicht bloß eines der besten Erstlingswerke der jüngeren Rock-Geschichte abgeliefert, sie brachten auch gleich eine ganze Musikwelle ins Rollen. "New Rock" oder so ähnlich. Mit jenem coolen schäbigen Sound, der heute noch allgegenwärtig scheint. Im Fahrwasser dessen konnte zwei Jahre später beim Nachfolger eigentlich gar nichts schiefgehen. Und genauso verhielt sich die Band auch. Man ging auf Nummer Sicher. "Room On Fire" konnte qualitativ mit seinem Vorgänger zwar durchaus mithalten, hatte allerdings den Nachteil, im Endeffekt dann doch zu sehr einer Kopie des Erfolgsrezeptes zu gleichen. Dass eine junge Band zweimal das gleiche Album macht, kann man schon mal durchgehen lassen. Danach muss sich allerdings etwas ändern. Die Schonfrist ist vorüber.

Und siehe da: Album Nummer 3 beginnt schlichtweg genial. Ein anbetungswürdiges Riff. "You Only Live Once" ist typisch The Strokes, aber doch irgendwie neu. Wie geil ist das denn bitte? Besser waren sie nie. Nicht einmal vor vier Jahren. Über "Juicebox" darf man hingegen schon mal geteilter Meinung sein. Ein durchaus hart rockendes Experiment, das zu allerlei Vergleichen motiviert. "Heart In A Cage" fällt vor allem durch seine abgedrehten Gitarren auf. Wer braucht da noch einen wirklichen Refrain? Bei "Razorblade" wird das Tempo erstmals zurückgeschraubt. Ein eingängiger Feel-Good-Song, der sich im Refrain unüberhörbar an Barry Manilows "Mandy" bedient. Obskur, funktioniert aber. Danach das konfuse "On The Other Side": Wirkt besoffen, droht auseinanderzubrechen, kriegt dann aber doch noch die Kurve. "Vision Of Division" geht da anders zur Sache. Bester Art-Punk, teils dermaßen grenzwertig, dass man meint System Of A Down herauszuhören. Mit "Ask Me Anything" gibt es dann auch gleich den perfekten Gegenpol. Eine minimalistisch vorgetragene Ballade. So schön. Back To The Roots: "Electricityscape", "Killing Lies" und "Fear Of Sleep" bieten mehr oder minder bekannte Kost. Mal groovig rockend, mal charmant poppig. Dann wieder ersteres. Wobei die Steigerung letzterer Nummer schon ziemlich unter die Haut geht. Ebenso wie bei "15 Minutes". Allerdings mit gegenteiligem Resultat. Das schleppende Schunkellied hätte der erste Totalausfall werden können, würde es in der zweiten Hälfte nicht zum wüsten Party-Kracher mutieren. Mutig. Danach einer dieser wunderbar verspielten Hits. "Ize Of The World" steht für facettenreichen Stadion-Rock, wenn es soetwas überhaupt gibt. Dagegen wirkt "Evening Sun" eher zerfahren, wenn auch nicht weniger hypnotisch. Ähnlich verhält es sich bei "Red Light". Wenn in diesem Fall auch wieder deutlich das Tempo angezogen wird. Nicht unbedingt der typische Rausschmeißer, den man sich als letztes Stück erwartet hätte, im Kontext dieses Albums aber gar nicht mal unpassend.

"First Impressions Of Earth" ist gewöhnungsbedürftig. Denn die vielverlangte Weiterentwicklung hat diesmal wirklich stattgefunden. Das hat sich nicht irgendein Musik-Journalist ausgedacht. Das ist wahrhaftig wiederzuerkennen. Es mag an der Zusammenarbeit mit dem neuen Produzenten David Kahne liegen, jedenfalls präsentieren sich The Strokes abwechslungsreicher denn je. Dieses Album ist schräg und rumpelig. Das kannte man bereits. Ebenso wie den Gesang von Julian Casablancas. Manchmal heult er zuviel. Dann wirkt er wieder vollkommen emotionslos. Hin und wieder sogar irgendwie angetrunken. In Summe ist und bleibt er allerdings eine verdammt coole Sau, die zwar nicht wirklich singen kann, es dabei aber trotzdem schafft, lässig rüberzukommen. Neu hingegen ist die verspieltere, melodiösere und nicht mehr so durchgehend abrockende Gangart dieser Platte. Das mag verwirren. Und man sollte es auch möglichst unterlassen, dieses Werk bereits nach dem ersten Durchlauf zu bewerten. Denn bei "First Impressions Of Earth" handelt es sich um einen dieser berühmt-berüchtigten Grower. Dieses Album wächst. Und wird dabei besser und besser. Mit der Zeit avancieren sogar die anfangs eher als Lückenbüßer verdächtigten Nummern zu wahren Krachern. Bei mir läuft das gute Stück nun schon wochenlang auf dem Prüfstand. Und im Hier und Jetzt kann ich keinen wirklich schwachen Song mehr ausmachen. Jedenfalls finde ich an dem Teil inzwischen mehr als nur Gefallen.

The Strokes: First Impressions Of EarthThe Strokes
First Impressions Of Earth
02.01.2006


[thestrokes.com]