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Broken Social Scene waren mal wieder in der Stadt. Und standen auch diesmal wahrhaftig in Zehner-Besetzung auf der bescheidenen Bühne der Szene Wien. Ein fulminantes Szenario.

Die Sache mit den Absagen durchaus interessanter und folglich gern gesehener Vorbands nervt schön langsam. Zuerst The New Pornographers beim Konzert von Maximo Park. Und jetzt auch noch The Most Serene Republic bei BSS. Noch dazu beide Male derselbe Grund: Man habe noch Verpflichtungen und stoße erst bei den anstehenden Konzerten in Deutschland hinzu. Da beginnen Europa-Tourneen schon mal in Wien - die Daten auf der Insel zählen nicht - und dann soetwas. Kein Verlass auf diese kanadischen Indie-Rock-Bands.

Broken Social SceneBei Broken Social Scene geht man mit solch einem Problem folgendermaßen um: Kommt einem die Vorband abhanden, dann nimmt man einfach einen Musiker aus dem eigenen Kollektiv und lasse ihn einige seiner nebenbei entstandenen Solonummern zum Besten geben. In diesem Fall war es Gitarrist Andrew Whiteman, der sich mit E-Gitarre und technischem Hilfswerkzeug an der Loop- oder Sample-Technik versuchte. Ein Trend, der sich ausweitet. Wenn keine Bandunterstützung zur Hand ist, dann greift man halt auf die selbsterschaffene Hilfe aus der Konserve zurück. Was in diesem Fall zwar recht nett anzuhören, allerdings auch mit so manchem Problem verbunden war. Na ja, wer weiß wie kurzfristig dieser Not-Gig angesetzt werden musste.

Ein Hurra auf die euphorisch-überschwängliche Vielseitigkeit.

Wie kann man ein Konzert von BSS noch mehr huldigen als es in den Absätzen 3 bis 6 an dieser Stelle ohnehin bereits geschehen ist. Auch diesmal wurde man von der Mischung aus epischen Soundscapes und purem Pop förmlich vereinnahmt. Wunderbar verspielte Gitarrenmusik mit tausend Ideen. Ähnlich wie auf Platte, aber doch ganz anders. Auch diesmal wurden bei den bis zu zehn Musikern auf der Bühne immer wieder untereinander die Instrumente gewechselt. Mal waren es fünf Gitarristen, dann wieder zwei Drummer. Und wenn es so richtig schön ausgelassen werden sollte, kamen auch noch Posaune und Trompete zum Einsatz. Das Bemerkenswerte bei all diesem grenzenlosen Durcheinander: Auch diesmal wurde mit unverschämter Leichtigkeit und blindem Verständnis untereinander agiert. Ohne sich auch nur einen Song lang an irgendwelche stilistischen Vorgaben gehalten zu haben. Eben eine riesige Jam-Session, bei der auch diesmal an die zwei Stunden gespielt wurde und keine Minute davon zuviel war.

Leslie Feist - neben Kevin Drew soetwas wie die Stimme von BSS - war bei diesem bunten Treiben leider nicht zugegen. Wie schon beim Wien-Gastspiel vor eineinhalb Jahren. Nicht weiter schlimm, machte die Ersatzsängerin die Sache bei ihren Kurzeinsätzen doch wirklich gut. Noch dazu verlieh der Einsatz einer neuen Stimme der Musik von BSS einen zusätzlichen Reiz. Durchaus passend zum Rest der Performance. Gibt es doch kaum ein Lied, das im Live-Kontext noch der Originalfassung auf Platte gleicht. Zu sehr wird bei BSS auf der Bühne improvisiert, das Songmaterial abgeändert, den musikalischen Instinkten einfach freien Lauf gelassen. Ein nicht nur hörens- sondern auch sehenswertes Aufeinandertreffen von ungestümer Spielfreude und entspanntem Können.

Eigentlich traurig, dass es für solch ein außergewöhnliches Konzert noch am selben Abend Karten gab. Und das bei einer von Musikkritikern durchaus hochgehandelten Formation. Wie auch immer. All die Anwesenden haben ihr Kommen mit Sicherheit nicht bereut. BSS wurden ihrem legendären Ruf als Liveband jedenfalls mehr als nur gerecht. Man muss dieses Kollektiv schon auf der Bühne miterlebt haben, um erahnen zu können, wie grandios sie denn nun wirklich sind. Beim zweiten Mal nennt man soetwas dann wohl eine angekündigte Offenbarung.

[Review: You Forgot It In People (2004)]
[Review: Broken Social Scene (2005)]

Broken Social Scene
01.12.2005 - Wien, Szene.


[arts-crafts.ca/bss]
wasix - 5. Dez, 15:11:
wie ich gerade...
...an dieser stelle vernommen habe, sollte man nie zu voreilig den heimweg antreten.

"...dass noch zehn Minuten nach dem Ende des Gigs sich die Band zu noch einer Zugabe überreden ließ. Ein viertelstündiger »Vienna Jam« entließ uns in eine kalte Nacht."