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Nine HorsesDavid Sylvian ist der Drahtzieher hinter dem Projekt Nine Horses. Mit "Snow Borne Sorrow" ist ihm ein wahrlich erhabenes Stück Musik gelungen. New Romantic 2005.

David Sylvian war eine Stilikone der Achtziger. Sowohl hinsichtlich Erscheinungsbild als auch in Sachen Musik. Mit seiner Band Japan brachte er es auf einige der wichtigsten Alben dieser Dekade. Auch wenn ihnen der ganz große Erfolg - zumindestens im Vergleich mit Gruppen wie Duran Duran oder Human League - verwehrt blieb. Das mag allerdings auch daran gelegen haben, dass Sylvian die Band bereits Ende 1982 - nach gerade mal einer Hand voll Alben - wieder auflöste und fortan auf Solopfaden wandelte.

Mit jedem neuen Album veränderte sich der perfekte Popmix Sylvians mehr in Richtung sphärischer Klangexperimente. Ein gewisses Maß an Tiefgang war in seiner Musik zwar immer schon allgegenwärtig, mit der Zeit siedelte sich sein Schaffen aber verstärkt zwischen anspruchsvollem Songwriting und avantgardistischem Geräuschemachen an. Allesamt wunderbare Platten. Allerdings auch oft etwas schwer zugängliche Kost. Wer sich als Neueinsteiger einen Überblick über die Solokarriere Sylvians verschaffen will, dem sei die Compilation "Everything And Nothing" (2001) nahegelegt. Zwei CD's und die Erkenntnis, dass Pop auch "anders" klingen kann.

2003 erschien "Blemish", das bislang letzte Solowerk von David Sylvian. Dass er es seiner Hörerschaft nur selten leicht macht, wusste man bereits vor diesem Album. Mit "Blemish" trieb er seine künstlerischen Ambitionen allerdings auf die Spitze. Spröde, depressiv, sparsam. Fast schon E-Musik. Eine irritierende Produktion. Allerdings auch eine, die sich einem aufgrund ihrer ruhigen und fließenden Art mit Fortdauer immer mehr offenbart. Langsam aber sicher mauserte sich das gute Stück zu einem meiner Favoriten der letzten Jahre. Einen Zwillingsbruder fand "Blemish" übrigens Anfang dieses Jahres mit dem Remix-Album "The Good Son Vs The Only Daughter". Sehr empfehlenswert, das alles.

Der Meister erfindet sich neu. Wieder einmal.

Nun liegt also eine neue Platte von und mit David Sylvian vor. Kein Soloalbum, sondern ein Projekt namens Nine Horses. Bestehend aus drei Musikern: Sylvian, dessen Bruder und Ex-Japan-Mitglied Steve Jansen und Burnt Friedman, eigentlich Bernd Friedmann aus Köln und seines Zeichens Elektronik-Komponist und Produzent. Hinzu kommen noch jede Menge hochkarätige Gastmusiker, beispielsweise der Japanische Pianist und alte Sylvian-Mitstreiter Ryuichi Sakamoto, die Schwedische Sängerin Stina Nordenstam oder der Norwegische Trompeter Arve Henriksen.

Burnt Friedman - Steve Jansen - David Sylvian"Snow Borne Sorrow" beginnt wie eine typische Jazz-Platte. "Wonderful World" - mit dem Gastauftritt von Stina Nordenstam - wirkt etwas irritierend, weil für den Rest des Albums eher untypisch. Zwar driften die Arrangements dieser Platte beim genaueren Hinhören aufgrund ihrer Komplexität und dem Einsatz diverser Blasinstrumente immer wieder in Richtung Jazz ab, gleichzeitig offenbart sich "Snow Borne Sorrow" - zumindestens im musikalischen Kosmos eines David Sylvian - als Longplayer mit traditionellen Popsong-Strukturen. Also eher eine Abkehr von "Blemish" und dessen abstrakten Soundwelten. Ohne dabei aber weniger interessant zu klingen. Dafür sorgen schon Steve Jansens Sample- und Rhythmusexperimente. Oder die elektronischen Soundtüfteleien von Burnt Friedman. Nicht zu vergessen die über all dem thronende Stimme Sylvians. Ein Gesang jenseits von Gut und Böse. Allein deshalb kann man hier trotz aller Pop-Anleihen nicht von Mainstream sprechen. Eine mystische Glanzleistung.

Mit "Snow Borne Sorrow" feiert David Sylvian die Rückkehr zum Pop, jenem Genre, von dem er sich bei allen Experimente eigentlich nie so recht gelöst hat. Trotzdem hat man es hier mit einem Album zu tun, bei dem auch nach dem x-ten Durchlauf noch Neues zu entdecken ist. Dafür sorgen schon die unkonventionellen Soundideen. Meist in Form elektronischer Musik vermischt mit allerlei Jazz-Interpretationen. Allerdings stets unter dem Deckmantel "herkömmlicher" Songstrukturen gehalten. Das Ergebnis wirkt düster und depressiv, ist aber auch warm und zugänglich. Das mag an den schönen Melodien liegen. Vielleicht auch an der Leichtigkeit der atmosphärischen Arrangements. Auf jeden Fall hat der Meister seine poppigste Platte seit langem abgeliefert. Definitiv eines der ganz großen Alben des Jahres.

Nine Horses: Snow Borne SorrowNine Horses
Snow Borne Sorrow
17.10.2005


[ninehorses.com]