Rückblick auf die Viennale 2005, Teil 2: Schwerpunkt "Musik". Die Betroffenen: Morrissey, Daniel Johnston und Kurt Cobain.
Die Viennale feiert sich selbst. Von Zuschauerrekord ist die Rede. Nun ja, immerhin hat man das diesjährige Festival auch von vier auf fünf Spielorte aufgestockt (das Künstlerhaus-Kino kam hinzu). Da war soetwas schon Pflicht. Die Begeisterung kann ich jedenfalls nicht ganz teilen. Im Großen und Ganzen wurde ich von dem Angebot der Viennale enttäuscht. Wieder mal. Trotzdem muss ich der Veranstaltung zu Gute halten, dass sie immer noch Spaß macht. Auch wenn mich die Filme der letzten Jahre nur selten wirklich vom Hocker rissen. Vielleicht lag das auch an mir. Vielleicht bin ich einfach zu wenig in die Tiefe vorgestoßen. Man gebe mir in Zukunft mehr Geduld. Und vor allem mehr Zeit. Irgendwann ist es ohnehin mal wieder fällig: Zwei Wochen Urlaub. Dabei nichts anderes tun, als von einem zum anderen Kino pilgern und sich mehr oder minder merkwürdige Filme zu Gemüte führen. Dazwischen darüber bedeutungsschwanger fachsimpeln oder auch nur beim nächstbesten Würstelstand einen Hot Dog runterwürgen. Vielleicht geht’s ja schon vom 13. bis 25. Oktober 2006, bei der nächsten Viennale.
Is He Really So Strange? (Part One)
Er feierte das Comeback des letzten Jahres. Nach einer schier endlosen Abstinenz veröffentlichte Stephen Patrick Morrissey 2004 endlich wieder ein Album. Und dann auch noch sein bestes. Zumindestens als Solokünstler. Morrissey gilt als Ikone und lebende Legende. Letzteres vor allem, weil er in den Achtzigern Sänger von The Smiths war. "Is It Really So Strange?" setzt ihm nun ein filmisches Denkmal. Oder vielmehr seiner Fangemeinde. In dem Dokumentarfilm geht es nicht um eine biografische Herantastung an den Künstler Morrissey, sondern um den Fankult, der um seine Person unter den jungen Hispanics in Los Angeles betrieben wird. Egal ob männlich oder weiblich, homo- oder heterosexuell, alle lieben sie den extravaganten Dandy. Das mag anfangs noch seltsam erscheinen, ergibt mir Fortdauer des eher billig wirkenden, dadurch aber auch sehr persönlichen Dokumentarfilms durchaus Sinn.
Die Sache mit dem Applaus nach dem Filmende finde ich ja eher zweifelhaft. Scheint bei Festivals allerdings Tradition zu sein. Warum auch immer. Im Falle von "Is It Really So Strange?" war das mehr oder minder spontane Klatschen ausnahmsweise angebracht. Nicht weil der Streifen so außergewöhnlich gut, sondern weil mit William E. Jones der dafür verantwortliche Regisseur vor Ort war. Und da macht soetwas durchaus Sinn. Dieser stand dann auch für eine Runde Smalltalk mit dem Saalpublikum zur Verfügung und sprach dabei von einer Herzensangelegenheit und wie er all die Morrissey-Fans vor die Kamera bekam. Sehr schön. Was uns jedoch alle brennend interessierte: Wie war denn nun sein kurzes Aufeinandertreffen mit der Pop-Ikone während des im Film gezeigten Fotoshootings? Eine wirklich aussagekräftige Antwort blieb Jones leider schuldig.
[Review: You Are The Quarry (2004)]
[Review: Who Put The "M" In Manchester? / Live At Earls Court (2005)]
Is He Really So Strange? (Part Two)
Die Musik von Daniel Johnston hat eine merkwürdige Anziehungskraft. Nicht nur auf mich. Zu den Fans des manisch-depressiven und von Schizophrenie geplagten Künstlers zählen auch Musikgrößen wie David Bowie, Eddie Vedder oder Sonic Youth. Um nur einige zu nennen. Sein wohl "wichtigster" Fan war Kurt Cobain, der bei den MTV-Awards 1992, wo er eines der von Johnston kreierten T-Shirts trug, den Kult um den "etwas anderen" Songwriter und Maler in neue Dimensionen rückte. Gleichzeitig aber auch bei nicht gerade wenigen Musikinteressierten für Kopfschütteln sorgte. Eine gewisse Gewöhnungszeit braucht man für die Musik des inzwischen 44-jährigen schon. Denn eines steht fest: Virtuosität kann man dem fanatischen Beatles-Fan mit Sicherheit nicht bescheinigen. Ebenso wäre es vermessen zu behaupten, dass er besonders gut singen könne oder die von ihm bedienten Instrumente auch nur einigermaßen beherrsche. Im Gegenteil.
Inzwischen ist Daniel Johnston weit mehr als ein Geheimtipp aus der Einöde Texas. Der Mann ist Kult. Und angesehener Musiker. Die wenigen Konzerte, die er gibt, sind stets ausverkauft. Namhafte Künstler widmen ihm ein Tribut-Album. Jetzt gibt es mit "The Devil And Daniel Johnston" sogar eine Doku über sein Leben. Und Regisseur Jeff Feuerzeig ist damit ein wirklich bemerkenswerter Streifen gelungen. Mit Unmengen an altem Filmmaterial, Kassetten und Bildern sowie Interviews und Mitschnitten von Johnstons seltenen Live-Auftritten dokumentiert er den Lebensweg des tragischen Genies. Wenn es daran überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann die mit knapp zwei Stunden etwas zu lange geratene Spieldauer. Ein halbes Dutzend potentieller Schlusspunkte sind vielleicht doch zu viel des Guten. Dazu kommt noch das bei Johnston sehr gewichtige Problem mit Satan (hinsichtlich Plattenfirmen und natürlich einer Band namens Metallica), das mit Fortdauer des Streifens zum Overkill verkommt. Wie auch immer. Sehenswert ist "The Devil And Daniel Johnston" allemal. Immerhin ist es ein Dokumentarfilm über "den größten lebenden Singer und Songwriter unserer Tage". Oder "den größten real existierenden Anti-Helden der Popkultur". Man wähle selbst.
[Sorry Entertainer - The Story Of Daniel Johnston]
[Review: Discovered Covered - The Late Great Daniel Johnston]
Was He Really So Strange?
Der Mann, der zu Beginn des Streifens in vergammelten Klamotten durch den Wald irrt und wenig später in einen Bach springt, hat den Namen Blake. Er ist Musiker. Ein sehr erfolgreicher noch dazu. Allerdings auch einer jener sensiblen Künstler, die mit dem dazugewonnenen Ruhm rein gar nichts anfangen können. Die Flucht aus der Realität ist die Folge. Mit Hilfe von Drogen. So auch bei Blake. Kaum eine Szene, wo er zurechnungsfähig wirkt. Stets stammelt er irgendwelches wirres Zeug vor sich hin. Seine einzigen lichten Momente hat er dann, wenn er seiner großen Leidenschaft - dem Musikmachen - verfällt. Was ihn jedoch auch nicht mehr retten kann. Blake steuert unaufhaltsam dem Ende entgegen.
Blake - dargestellt vom famosen Michael Pitt - soll natürlich niemand geringerer als Kurt Cobain sein. Jenes Role-Model einer ganzen Generation, das sich am 5. April 1994 in seinem Haus in der Nähe von Seattle mit einer Schrotflinte den Kopf wegschoss. Gus Van Sant - immerhin einer der führenden US-Independent-Regisseure - hat für "Last Days" dessen letzte Lebenstage nachgestellt. Mit jeder Menge Fantasie. In Form zusammenhangloser Einzelteile. Voll mit Trauer und Todessehnsucht. Was eindringlich sein will, erweist sich auf die Dauer von gut eineinhalb Stunden irgendwann nur noch als anstrengend. Der Rockstar leidet. Ansonsten passiert so gut wie nichts. Ausnahmen sind, wenn Musik ins Spiel kommt. Ansonsten erwischt man sich nicht bloß einmal dabei aufgrund des tragik-komischen Drogendilemmas sogar zu schmunzeln. Von einem intensiven Kinoerlebnis jedenfalls keine Spur. Fazit: "Last Days" ist eigentlich eine Zumutung. Depressiver geht es nicht mehr. Getreu dem trostlosen Cobain-Motto: "I hate myself and I want to die."
[Kurt Cobain: Memoria]
[Nirvana: Das letzte Konzert]
[Review: Nirvana - With The Lights Out]
[Rückblick auf die Viennale 2005, Teil 1]
Is It Really So Strange?
Regie: William E. Jones.
Dokumentation.
Viennale 2005
[shiftlessbody.com]
The Devil And Daniel Johnston
Regie: Jeff Feuerzeig.
Dokumentation.
Viennale 2005
[thedevilanddanieljohnston.com]
Last Days
Regie: Gus Van Sant.
Mit Michael Pitt, Lukas Haas, Asia Argento.
Viennale 2005
[lastdaysmovie.com]
Die Viennale feiert sich selbst. Von Zuschauerrekord ist die Rede. Nun ja, immerhin hat man das diesjährige Festival auch von vier auf fünf Spielorte aufgestockt (das Künstlerhaus-Kino kam hinzu). Da war soetwas schon Pflicht. Die Begeisterung kann ich jedenfalls nicht ganz teilen. Im Großen und Ganzen wurde ich von dem Angebot der Viennale enttäuscht. Wieder mal. Trotzdem muss ich der Veranstaltung zu Gute halten, dass sie immer noch Spaß macht. Auch wenn mich die Filme der letzten Jahre nur selten wirklich vom Hocker rissen. Vielleicht lag das auch an mir. Vielleicht bin ich einfach zu wenig in die Tiefe vorgestoßen. Man gebe mir in Zukunft mehr Geduld. Und vor allem mehr Zeit. Irgendwann ist es ohnehin mal wieder fällig: Zwei Wochen Urlaub. Dabei nichts anderes tun, als von einem zum anderen Kino pilgern und sich mehr oder minder merkwürdige Filme zu Gemüte führen. Dazwischen darüber bedeutungsschwanger fachsimpeln oder auch nur beim nächstbesten Würstelstand einen Hot Dog runterwürgen. Vielleicht geht’s ja schon vom 13. bis 25. Oktober 2006, bei der nächsten Viennale.
Is He Really So Strange? (Part One)
Er feierte das Comeback des letzten Jahres. Nach einer schier endlosen Abstinenz veröffentlichte Stephen Patrick Morrissey 2004 endlich wieder ein Album. Und dann auch noch sein bestes. Zumindestens als Solokünstler. Morrissey gilt als Ikone und lebende Legende. Letzteres vor allem, weil er in den Achtzigern Sänger von The Smiths war. "Is It Really So Strange?" setzt ihm nun ein filmisches Denkmal. Oder vielmehr seiner Fangemeinde. In dem Dokumentarfilm geht es nicht um eine biografische Herantastung an den Künstler Morrissey, sondern um den Fankult, der um seine Person unter den jungen Hispanics in Los Angeles betrieben wird. Egal ob männlich oder weiblich, homo- oder heterosexuell, alle lieben sie den extravaganten Dandy. Das mag anfangs noch seltsam erscheinen, ergibt mir Fortdauer des eher billig wirkenden, dadurch aber auch sehr persönlichen Dokumentarfilms durchaus Sinn.
Die Sache mit dem Applaus nach dem Filmende finde ich ja eher zweifelhaft. Scheint bei Festivals allerdings Tradition zu sein. Warum auch immer. Im Falle von "Is It Really So Strange?" war das mehr oder minder spontane Klatschen ausnahmsweise angebracht. Nicht weil der Streifen so außergewöhnlich gut, sondern weil mit William E. Jones der dafür verantwortliche Regisseur vor Ort war. Und da macht soetwas durchaus Sinn. Dieser stand dann auch für eine Runde Smalltalk mit dem Saalpublikum zur Verfügung und sprach dabei von einer Herzensangelegenheit und wie er all die Morrissey-Fans vor die Kamera bekam. Sehr schön. Was uns jedoch alle brennend interessierte: Wie war denn nun sein kurzes Aufeinandertreffen mit der Pop-Ikone während des im Film gezeigten Fotoshootings? Eine wirklich aussagekräftige Antwort blieb Jones leider schuldig.
[Review: You Are The Quarry (2004)]
[Review: Who Put The "M" In Manchester? / Live At Earls Court (2005)]
Is He Really So Strange? (Part Two)
Die Musik von Daniel Johnston hat eine merkwürdige Anziehungskraft. Nicht nur auf mich. Zu den Fans des manisch-depressiven und von Schizophrenie geplagten Künstlers zählen auch Musikgrößen wie David Bowie, Eddie Vedder oder Sonic Youth. Um nur einige zu nennen. Sein wohl "wichtigster" Fan war Kurt Cobain, der bei den MTV-Awards 1992, wo er eines der von Johnston kreierten T-Shirts trug, den Kult um den "etwas anderen" Songwriter und Maler in neue Dimensionen rückte. Gleichzeitig aber auch bei nicht gerade wenigen Musikinteressierten für Kopfschütteln sorgte. Eine gewisse Gewöhnungszeit braucht man für die Musik des inzwischen 44-jährigen schon. Denn eines steht fest: Virtuosität kann man dem fanatischen Beatles-Fan mit Sicherheit nicht bescheinigen. Ebenso wäre es vermessen zu behaupten, dass er besonders gut singen könne oder die von ihm bedienten Instrumente auch nur einigermaßen beherrsche. Im Gegenteil.
Inzwischen ist Daniel Johnston weit mehr als ein Geheimtipp aus der Einöde Texas. Der Mann ist Kult. Und angesehener Musiker. Die wenigen Konzerte, die er gibt, sind stets ausverkauft. Namhafte Künstler widmen ihm ein Tribut-Album. Jetzt gibt es mit "The Devil And Daniel Johnston" sogar eine Doku über sein Leben. Und Regisseur Jeff Feuerzeig ist damit ein wirklich bemerkenswerter Streifen gelungen. Mit Unmengen an altem Filmmaterial, Kassetten und Bildern sowie Interviews und Mitschnitten von Johnstons seltenen Live-Auftritten dokumentiert er den Lebensweg des tragischen Genies. Wenn es daran überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann die mit knapp zwei Stunden etwas zu lange geratene Spieldauer. Ein halbes Dutzend potentieller Schlusspunkte sind vielleicht doch zu viel des Guten. Dazu kommt noch das bei Johnston sehr gewichtige Problem mit Satan (hinsichtlich Plattenfirmen und natürlich einer Band namens Metallica), das mit Fortdauer des Streifens zum Overkill verkommt. Wie auch immer. Sehenswert ist "The Devil And Daniel Johnston" allemal. Immerhin ist es ein Dokumentarfilm über "den größten lebenden Singer und Songwriter unserer Tage". Oder "den größten real existierenden Anti-Helden der Popkultur". Man wähle selbst.
[Sorry Entertainer - The Story Of Daniel Johnston]
[Review: Discovered Covered - The Late Great Daniel Johnston]
Was He Really So Strange?
Der Mann, der zu Beginn des Streifens in vergammelten Klamotten durch den Wald irrt und wenig später in einen Bach springt, hat den Namen Blake. Er ist Musiker. Ein sehr erfolgreicher noch dazu. Allerdings auch einer jener sensiblen Künstler, die mit dem dazugewonnenen Ruhm rein gar nichts anfangen können. Die Flucht aus der Realität ist die Folge. Mit Hilfe von Drogen. So auch bei Blake. Kaum eine Szene, wo er zurechnungsfähig wirkt. Stets stammelt er irgendwelches wirres Zeug vor sich hin. Seine einzigen lichten Momente hat er dann, wenn er seiner großen Leidenschaft - dem Musikmachen - verfällt. Was ihn jedoch auch nicht mehr retten kann. Blake steuert unaufhaltsam dem Ende entgegen.
Blake - dargestellt vom famosen Michael Pitt - soll natürlich niemand geringerer als Kurt Cobain sein. Jenes Role-Model einer ganzen Generation, das sich am 5. April 1994 in seinem Haus in der Nähe von Seattle mit einer Schrotflinte den Kopf wegschoss. Gus Van Sant - immerhin einer der führenden US-Independent-Regisseure - hat für "Last Days" dessen letzte Lebenstage nachgestellt. Mit jeder Menge Fantasie. In Form zusammenhangloser Einzelteile. Voll mit Trauer und Todessehnsucht. Was eindringlich sein will, erweist sich auf die Dauer von gut eineinhalb Stunden irgendwann nur noch als anstrengend. Der Rockstar leidet. Ansonsten passiert so gut wie nichts. Ausnahmen sind, wenn Musik ins Spiel kommt. Ansonsten erwischt man sich nicht bloß einmal dabei aufgrund des tragik-komischen Drogendilemmas sogar zu schmunzeln. Von einem intensiven Kinoerlebnis jedenfalls keine Spur. Fazit: "Last Days" ist eigentlich eine Zumutung. Depressiver geht es nicht mehr. Getreu dem trostlosen Cobain-Motto: "I hate myself and I want to die."
[Kurt Cobain: Memoria]
[Nirvana: Das letzte Konzert]
[Review: Nirvana - With The Lights Out]
[Rückblick auf die Viennale 2005, Teil 1]
Is It Really So Strange?
Regie: William E. Jones.
Dokumentation.
Viennale 2005
[shiftlessbody.com]
The Devil And Daniel Johnston
Regie: Jeff Feuerzeig.
Dokumentation.
Viennale 2005
[thedevilanddanieljohnston.com]
Last Days
Regie: Gus Van Sant.
Mit Michael Pitt, Lukas Haas, Asia Argento.
Viennale 2005
[lastdaysmovie.com]
wasix - 1. Nov, 14:50 - [2005 Filme]