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Es gibt sie noch, diese überdimensionalen Alben, die man sich erst erarbeiten muss. Alles andere wäre bei Broken Social Scene auch eine Enttäuschung gewesen. Grandiose Musik.

Broken Social Scene

Am Anfang war dieser eine Song: "7/4 (Shoreline)". Als Gratis-Download ins Netz gestellt. Quasi ein Teaser zum anstehenden Album. Da konnte man schon mal ins Schwärmen geraten. Aufgrund des wunderbar wechselnden Male/Female-Gesangs, vor allem aber wegen der unglaublichen Energie, die einem beim Hören dieses Songs entgegenströmte. "7/4 (Shoreline)" hat meine Erwartungen an den neuen Longplayer von Broken Social Scene ins Unermessliche gesteigert. Man erinnere sich nur an das unglaubliche letzte Album des kanadischen Musikerkollektivs. "You Forgot It In People" klang wie eine Compilation bester Indie-Ware. Lo-Fi-Rock, Folk, dazu Anleihen aus Jazz und Elektronika. Ohne dabei aber auch nur einen Moment die wunderbar eingängigen Melodien aus den Augen zu verlieren. Nach dem Motto: "Avantgardisten entdecken den Pop".

It's Raw Fucking Puke And Love.

Der erste Durchlauf des neuen, selbstbetitelten Albums von Broken Social Scene - den Titel "Windsurfing Nation" hatte man verworfen - ließ mich einigermaßen verwirrt zurück. Dass es nicht einfach werden würde, war mir klar. Diese Band macht keine Konsensplatte. Trotzdem verfolgte mich der Eindruck, dass hier irgendetwas nicht stimmen konnte. Die Produktion unter der Leitung von Langzeitpartner David Newfeld offenbarte sich mir als Soundbrei, wo teilweise die Vocals untergingen und Unmengen an Spuren sich gegenseitig überrollten. Zugegeben: Ich war enttäuscht. An der Qualität des vorliegenden Werkes hat es jedoch nicht gelegen. Das eigentliche Problem: Ich war schlichtweg überfordert.

Nur gut, dass mein Interesse an diesem Album dadurch keineswegs gelitten hat. Im Gegenteil. Ich fühlte mich richtiggehend herausgefordert. Das konnte es doch unmöglich gewesen sein? Und siehe da: Mit jedem Durchgang wurde es eine Spur besser. Langsam, aber doch. Nach und nach erhoben sich die einzelnen Songs in einer Größe und Schönheit, die mich schier überwältigen. Selten zuvor musste ich mir ein Stück Musik dermaßen erarbeiten. Selten zuvor war ich danach dermaßen begeistert. Und dabei habe ich gar nicht mal den Eindruck bereits am Höhepunkt angekommen zu sein. Denn immer noch entdecke ich beim Hören dieses Albums etwas Neues. Unglaublich, aber wahr: It's growing and growing.

We Hate Your Hate.

Der vierte Longplayer von Broken Social Scene - die letztjährige B-Sides-Collection "Bee Hives" mitgerechnet - ist ein richtiger Brocken von Album geworden. Über 63 Minuten lang. Dazu noch die knapp 27 Minuten lange Bonus-CD "E.P. To Be You And Me". Insgesamt eineinhalb Stunden Musik. Verteilt auf 21 Songs. Inklusive jeder Menge Gastmusiker: Feist, Mitglieder von den Stars, Weakerthans, Do Make Say Think, Metric. Und viele mehr. Da darf man durchaus von einem Koloss oder Monstrum sprechen. Noch dazu, wenn einem das vorliegende Stück Musik als Hörer dermaßen viel abverlangt. Aber wie bereits erwähnt: Hat man sich erst durchgekämpft, wird man in diesem Fall umso reichlicher beschenkt. Alle Mühe lohnt sich.

"Broken Social Scene" zeigt sich extrem vielschichtig, ist trotz seiner Komplexität aber doch recht catchy ausgefallen. Zumindestens auf die für diese Band typische Art. Denn bei all den ausgetüftelten Songarrangements und kunstvoll gestalteten Klangexperimenten wird einem immer irgendwo eine Melodie oder ein Rhythmus angeboten, an der/den man sich bei aufkommender Orientierungslosigkeit festhalten kann. Wobei es beim nächsten Durchgang schon wieder vollkommen andere Nuancen sein können, die einem beim Erkunden dieses Albums weiterhelfen. Und so tastet man sich nach und nach heran, bis die vorliegende Platte dann auch als Ganzes total eingeschlagen hat. Genauso sollte Musik sein: Zuerst interessant und spannend, gleichzeitig aber noch alles andere als durchschaubar. Große Musik muss nicht auf Anhieb funktionieren. Sie muss nur zum Weiterbeschäftigen animieren. Zumindestens bis zu jenem Zeitpunkt, wo es bei einem Klick macht und man dem Album einfach nur noch verfallen ist. Riecht verdammt nach Meisterwerk.

[Live: Szene, Wien - 30.05.2004]
[Live: Szene, Wien - 01.12.2005]

Broken Social Scene: stBroken Social Scene
st
10.10.2005


[arts-crafts.ca/bss]
wiesengrund (Gast) - 23. Okt, 20:39:
ich weiß...
...dass ich das vermutlich nicht merh erwähnen muss, aber die platte IST ein meisterwerk. :) 
wasix - 23. Okt, 23:08:
...
recht so ;-)