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Wotan Wilke Möhring - Andre Hennicke"Antikörper" orientiert sich an amerikanischen Vorbildern und versprüht trotzdem den deutschen Anti-Charme. Geschickt inszeniertes Remake oder doch nur aufgepeppter Tatort?

In Berlin geht der Polizei unter der Führung von Kommissar Seiler (Heinz Hoenig) bei einer Routineüberprüfung der Serienkiller Gabriel Engel (Andre Hennicke) ins Netz. Er steht unter Verdacht mehr als ein Dutzend männliche Minderjährige vergewaltigt und bestialisch ermordet zu haben. Auch im kleinen Provinzdorf Herzbach atmet man auf. Denn der Mord, der dort vor einem Jahr begangen wurde, passt genau in das Täterprofil. Bis auf einen Punkt: In Herzbach wurde ein Mädchen ermordet. Das bringt den hiesigen Polizisten Michael Martens (Wotan Wilke Möhring) dazu, der Sache weiter nachzugehen. Ganz zum Widerwillen der Dorfbevölkerung. Als Engel nach der Verhaftung zwölf Morde gesteht, jedoch behauptet mit der Tat an dem Mädchen nichts zu tun zu haben, macht sich Martens auf den Weg nach Berlin um den Verdächtigen zu befragen. Das selbsternannte "perverse Schwein" lässt sich auch prompt auf ein Gespräch ein. Allerdings mit dem Hintergedanken den naiven und streng gläubigen Dorfpolizisten in ein Kräftemessen zwischen Gut und Böse zu verwickeln. Was dem kranken Psychopathen auch gelingt. Es folgt ein morbides Spiel. Für den verunsicherten Martens. Aber auch für seine Familie.

"Antikörper" ist das Kinodebut des 31-jährigen Regisseurs Christian Alvart, der weder eine Filmschule besucht noch eine andere adäquate Ausbildung genossen hat. Sein Wissen stammt ausschließlich von privaten Filmsitzungen. Was beim Betrachten von "Antikörper" durchaus einen Reiz offenbart. Der Mann ist zweifelsohne Fan. Und Psychothriller mit Triebtätern und Serienkillern eindeutig sein Metier. Folglich erweist sich "Antikörper" als kunstvoll zusammengesetztes Puzzle unterschiedlichster Genre-Highlights. "The Silence Of The Lambs" und "Se7en" sind allgegenwärtig. Wobei Alvart beim Abkupfern jedoch nie krampfhaft versucht seine Vorbilder zu vertuschen, sondern diese vielmehr zitiert. Ein Regisseur, der also zu seinen Diebstählen steht. Und trotzdem im Stande ist zu überraschen. Denn jedes Mal, wenn der Zuseher glaubt den Handlungsablauft vorherzusehen, setzt Alvart auf eine Wendung, die dem eingeschlagenen Weg des Vorbildes widerspricht. Auch eine Möglichkeit sich einen Hauch von Eigenständigkeit zu bewahren.

Wen haben Sie erwartet? Hannibal Lector?

"Antikörper" zu verreißen, wäre ein Leichtes. Gründe gibt es genug. Zuallererst all die offensichtlichen Anleihen bei bekannten Hollywood-Produktionen. Gleichzeitig aber auch das Handicap, dass der Streifen viel zu deutsch ausgefallen ist. Passenderweise auch noch mit einem Hauptdarsteller (Wotan Wilke Möhring), der aussieht wie der kleine Bruder von Marius Müller Westernhagen. Nicht zu vergessen der Kurzauftritt "unserer" Nina Proll. Wobei man ihr jedoch zugestehen muss, dass sie die Rolle der versauten Bettgespielin äußerst glaubwürdig rüberbringt. Und da wäre noch das leidliche Spiel mit religiösen Motiven. Inklusive unzähliger Bibelzitate. Wobei es gegen Ende des Streifens auch noch äußerst pathetisch wird. Stichwort: Rehe.

Trotz all dem ist "Antikörper" ein sehenswerter Thriller geworden. Was an dem bemerkenswerten Drehbuch liegt. Denn der Film ist vor allem eines: Spannend. Und in manch einer Szene auch ziemlich gewagt. Was den Streifen schlussendlich auch vom herkömmlichen deutschen Krimi-Alltag abhebt. Gewisse Parallelen zur Tatort-Serie sind zwar durchaus gegeben, ein Sendeplatz im Hauptabendprogramm wird "Antikörper" jedoch mit Sicherheit verwehrt bleiben. Dafür würden die Nerven der herkömmlichen TV-Konsumenten dann doch zu sehr beansprucht. "Antikörper" könnte jedoch auch einigen Kinogängern übel aufstoßen. Da bin ich mir sicher. Welche der aufgelisteten Gründe dafür verantwortlich sind, muss allerdings jeder für sich selbst herausfinden.

AntikörperAntikörper
Regie: Christian Alvart.
Mit Wotan Wilke Möhring, Andre Hennicke, Heinz Hoenig.
12.08.2005


[antikoerper-derfilm.de]
srocca - 1. Sep, 10:04:
Kein Filmgenuss am Schluss
Mir hat der größte Teil des Films wirklich gut gefallen. Das Ende hat dann allerdings ziemlich genervt. 
wasix - 1. Sep, 15:24:
stimmt.
vor allem die sache mit den bibelzitaten nimmt gegen schluss überhand. wobei ich aber schon auch sagen/schreiben muss, dass die geschichte an sich bis zum schluss spannend bleibt. trotz jeder menge richtungswechsel...