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Lou Reed: Berlin @ Gasometer. Die Legende und sein Klassiker. 10/2007: Die Viennale zeigt die Konzert-Doku. 07/2008: Das Jazzfest Wien bringt das Live-Erlebnis auf heimische Bühnen. Endlich.

Am Tag des Konzertes: Ich suche nach der Beginnzeit, gebe im Google die Suchbegriffe "Lou Reed" und "Gasometer" ein. Und siehe da: Auf der ersten Ergebnisseite gibt es folgendes zu lesen: "Auf'n Lou Reed wird g'schissn". Noch dazu verweist der Link auf das eigene Blog. Wodurch sich der Verdacht auftut, ich hätte etwas gegen den inzwischen 66-jährigen New Yorker Songwriter-Poeten. Okay, ich mag nicht der ganz große Fan sein, akzeptiere ihn jedoch als unverzichtbares Stück Musikgeschichte. Zu meiner Verteidigung: Das G'schichtl zur erwähnten Überschrift hat rein gar nichts mit Herrn Reed zu tun, dessen Name kommt abgesehen von erwähntem Zitat kein einziges Mal vor. Warum dann das vermeintliche Dissing? Schuld daran ist eine Wortmeldung von David Pfister, Mitglied der Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune, welche dieser im vergangenen April während eines Auftritts eben jenes vom Lesezirkel zur Heurigen-Combo mutierten Quartetts im Wiener WUK [>] von sich gab. Besseres fiel mir als Titel beim Niederschreiben der dazugehörigen Gedanken nicht ein. Nichtsahnend, dass ich knapp drei Monate später erstmals ein Lou Reed-Konzert besuchen würde.

Lou ReedWarum erst jetzt? Der Grund ist "Berlin", Reeds dritte LP nach The Velvet Underground, veröffentlicht im Juli 1973. Zu einer Zeit, wo des Albums Namensgeber noch eine geteilte Stadt war. Der besondere Flair des Berlin zu DDR-Zeiten übte in den Siebzigern auf viele Künstler eine starke Anziehungs-kraft aus. Doch keiner nützte den Einfluss zu einem dermaßen depressiven Opus, wie "Berlin" es war. Dabei hatte sich Reed doch eben erst mit dem von David Bowie produzierten "Transformer" und dessen Hitsingle "Walk On The Wild Side" als Solo-Künstler etabliert. Und als Nachfolger das: Ein düsteres Konzeptalbum mit zehn Minidramen, die sich der tragischen Geschichte von Jim und Freundin Caroline annehmen, von zwei Junkies erzählen, die sich in Berlin "in den Untergang saufen, prügeln und sehnen." Das konnte zur Hochzeit des Glam-Rock unmöglich gut gehen. Ging es auch nicht. Die Reaktionen auf das Album waren furchtbar. Doch die Zeiten haben sich geändert und "Berlin" gilt heute als Klassiker.

Und genau dieses "Berlin" wurde 2006 in New York erstmals in seiner Gesamtheit live gespielt und feierte 35 Jahre nach dessem Release nun sein Wien-Debut. Bei dem dabei betriebenen Aufwand schien "dick aufgetragen" noch untertrieben: Rockband, Streicher, Bläser, Mädchenchor. Macht in Summe etwa 30 Musiker. Hinzu kam das von Regisseur Julian Schnabel - er drehte die bei der letzten Viennale gezeigte Doku von den NY-Konzerten [>] [>] - gestaltete Bühnensetting inklusive Videoprojektionen. Der Ablauf der "Berlin"-Aufführung entsprach 1:1 dem Songzyklus auf Platte. Nur dass die Stücke merklich in die Länge gezogen wurden. Nichts gegen die offensichtliche Spielfreude von Reed & Co., nur dass die Momente ausufernder Jam-Sessions - aus 50 wurden knapp 90 Minuten - die ursprüngliche Tragik doch etwas schmälerten. Der Meister selbst? Bemerkenswert hüftsteif, mal die akutische, mal die E-Gitarre zupfend, stets darauf bedacht sein Großensemble zu leiten und lenken. Umso schöner, dass er der überschaubaren Zuschauermenge nach schier endlosem Bitten und Betteln eine unglaubliche Version von "Satellite Of Love" gestattete. Da verzieh man ihm dann auch, dass zum "Perfect Day" doch einiges fehlte.

Lou Reed: Berlin
04.07.2008 - Gasometer, Wien.


[loureed.com] [myspace.com/officialloureed]