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Tori Amos @ Stadthalle. Was hilft eine inzwischen noch wandlungsfähigere Singer/Songwriter-Ikone, wenn dabei doch bloß ein allzu kühler und kantenfreier Konzertabend herausschaut?

Tori Amos ist eine Gute. Ich mag sie. Trotzdem stellte sich mir in den letzten Jahren bei jeder ihrer Neuveröffentlichungen auf's Neue die Frage, wann der inzwischen auch schon fast 44-jährige Rotschopf seine letzte wirklich gute Platte herausgebracht hat? "Little Earthquakes" (1992) war außergewöhnlich. "Under The Pink" (1994) nur ungleich schwächer. Und "Boys For Pele" (1996) wusste sich geschickt interessant zu machen. Tori Amos gehörte in den Neunzigern zu den wichtigsten Pop-Frauen. Soviel ist sicher. Was jedoch danach kam, war Stagnation. Tori Amos musizierte jeher in ihrer eigenen Welt. Ohne Zurhilfenahme eines Produzenten verkam all das aber immer mehr zum Einheitsbrei. Fern neuer Wagnisse, zu welchen sie hingelockt werden hätte können. Auch "American Doll Posse" ist eine vertane Chance. Eine mit gelungenem Marketingkonzept. Mehr nicht. Natürlich: Die Dame weiß, was sie kann. Und das ist immer noch hörenswert. In Summe aber dann doch nicht mehr als ein weiteres recht nettes und - wieder einmal - viel zu langes Album. Tori Amos eben.

Tori AmosIhr erster Auftritt in Wien liegt inzwischen auch schon 13 Jahre zurück. Am 12. Mai 1994 gastierte Tori Amos im Konzerthaus. Etwas Verpasstes, dem ich heute noch nachtrauere. Daran konnten auch jene zwei Wien-Konzerte, denen ich danach beiwohnen durfte, nichts ändern. Kein Wunder, vergleiche man nur das Drumherum. Beim Debut klassisches Ambiente. Danach Libro Hall und Gasometer, gleichzusetzen mit wenig bis gar keinem Ambiente. Ersteres damals sogar als Stehkonzert konzipiert, was im Falle von Tori Amos rein gar nicht geht. Beim vierten Wien-Gastspiel nun aufkeimende Hoffnung. Mein erstes Mal in der kleinen Stadthalle, der im Gegensatz zum großen Pendant bestuhlten Halle F. Eine wirklich gelungene Erwachsenen-Halle. Weil doch in solch schön giftigem Rot gehalten und in Sachen Akustik doch tatsächlich nahe dran am perfekten Hörgenuss. Schlager- und Volksmusik-Fans haben es hierzulande scheinbar besser.

Das Konzept zu "American Doll Posse" wurde bereits angeschnitten. Tori Amos ist nicht mehr bloß eine sondern gleich fünf Frauen. Jede hat ihr eigenes Outfit und singt ihre eigenen Songs. Ein Leitmotiv, das es nun auch auf der Bühne zu bestaunen gibt. So präsentiert Tori Amos nicht nur sich selbst, sondern schlüpft wahlweise auch in eine der anderen vier Rollen. In Wien war es jene der Santa, wo sie sechs Songs lang mit blonden Ponyfransen und silber Glitzerkleid die Sinnlich-Verruchte zum Besten gab. Erst nach Umkleidepause mit "Professional Widow"-Intermezzo gab es Tori pur. Was jedoch bleiben sollte, war der Flair des kühl Durchkalkuliertem. Allzu perfekt und steril, sowohl seitens der Band als auch von der Hauptakteurin selbst. Da passte jeder Ton. Da wurde auch die Stimme in den danach verlangenden Momenten vollkommen ausgehallt. Was fehlte, war das Herzbluttriefende, was Tori Amos einst in ihren Konzert vermitteln konnte. Schade. Auch deshalb, weil sich der Nicht-Hardcore-Fan an diesem Abend doch recht bald fadisieren musste. Grund genug um den Moment zu nützen, als nach offiziellem Ende alle Dämme brachen und Unzählige aus hinteren Hallenregionen Richtung Bühne stürmten, und den Heimweg anzutreten.

Tori Amos / Seth Lakeman
08.06.2007 - Stadthalle (Halle F), Wien.


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[Tori Amos @ AOL Music Sessions]