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Nach dem ersten Album nun also auch mein erstes Konzert von Blackmail. Beginn einer langen Freundschaft oder doch bereits das Ende nach gerade mal zwei aufgeschlagenen Kapiteln?

Ich hatte mal diesen Arbeitskollegen. Ein Musikverrückter. Im positiven Sinn. In Sachen Sechziger- und Siebziger-Gitarrenrock konnte ihm niemand etwas vormachen. Dementsprechend auch seine Neigungen als Musiker. Ich würde ihn durchaus als begabten Gitarristen bezeichnen. Einen, der sich noch dazu motivieren konnte so richtig viel zu üben. Trotzdem fehlte ihm etwas zu einem wirklich guten Gitarristen. Das wurde mir erstmals bei einem kleinen Konzert bewusst, wo er mit seiner Band auftrat. Eine jener Veranstaltungen, wo mehr Freunde, Bekannte und Verwandte der Akteure anwesend waren als wirklich Musikinteressierte. Da spielte er also. Vorwiegend Coverversionen aus jener Epoche, die er so verehrte. Und er machte seine Sache wirklich gut. Was fehlte, war der letzte Kick. Die Emotionen. Ein versierter Techniker, wie er ihm Buche steht. Allerdings mit dem Handicap es einen ganzen Abend lang nicht der Mühe wert zu finden aus sich herauszugehen, mal in die Saiten zu hauen und es einfach nur ordentlich krachen zu lassen.

Aydo AbayMein erstes Blackmail-Konzert erinnerte mich daran. Eigentlich merkwürdig, wenn man bedenkt, dass hier Hobbymusiker mit Leuten verglichen werden, die mit Platten und Live-Auftritten schon seit Jahren gutes Geld verdienen. Immerhin hat die Koblenzer Band Anfang 2006 bereits ihren fünften Longplayer veröffentlicht. Einmal mehr ein wirklich feines Rock-Album. Selten genug, dass sich die Fachwelt einig ist. Bei "Aerial View" war es jedenfalls so. Genau deshalb habe ich mir von ihrem Konzert in der Szene Wien etwas Besonderes erwartet. Blackmail sollten das Haus rocken. Zumindestens hatte ich mir das erhofft. Und deckte mich bei aller Vorfreude gleich mal am Merchandise-Stand mit alten Blackmail-Scheiben ein. Die vorgefundenen Dumping-Preise ließen Bedenken erst gar nicht aufkommen. Ich sollte den Kauf zwar nicht unbedingt bereuen, bis ich das erstandene Liedgut allerdings erstmals hören werde, könnte durchaus noch eine Weile dauern. Denn meine Begeisterung in Sachen Blackmail sollte an diesem Abend doch einen gewissen Dämpfer erhalten haben.

Dabei überlegte ich bereits - wenn auch nur kurz - mir Blackmail im Jänner dieses Jahres beim FM4-Fest in der Arena anzusehen. Danach war dann sogar allerorts von der besten Band des Events die Rede. Auch Blackmail selbst wussten an diesem Abend davon nur Gutes zu erzählen. Im Zuge dessen erwähnte Frontmann Aydo Abay auch gleich den letzten Headliner-Gig in Wien vor ziemlich genau zwei Jahren. Er erinnerte sich deswegen so gut an diesen Auftritt in der Szene Wien, weil er damals bei den Zugaben einen Heulanfall bekommen hatte und deshalb ziemlich abrupt die Bühne verließ. Emotionen, wie man sie bei hartgesottenen Rock-Konzerten eher selten zu Augen bekommt. Vor allem auf der Bühne. Ähnlich im Zuschauerraum. Diesmal blieb all das aus. Jedenfalls konnte ich nichts Vergleichbares erkennen. Und zum Herumschauen hatte ich ausreichend Zeit. Denn schon nach ein paar Stücken wurde mir klar, dass an diesem Abend nicht wirklich etwas Außergewöhnliches passieren würde. Zu distanziert die Band. Zu gewöhnlich die Performance. Es fehlte einfach etwas. Vor allem der letzte Kick. Vielleicht war die Anlage der Szene Wien einfach zu leise eingestellt, denn justament nach cirka 50 Minuten, als die ersten Zugaben angestimmt wurden und das Lautstärkevolumen merklich angehoben wurde, verbesserte sich neben dem Sound auch das Konzert selbst. Plötzlich gab es diese Breitwand-Gitarren, die ich mir erhofft hatte. Und man wurde endlich mit jenem Wall Of Sound eingedeckt, von dem ich in Kritiken von Blackmail-Konzerten gelesen hatte. Es schien fast so, als könnten sie mich doch noch mal rumkriegen, für all das versöhnen, was kurze Zeit davor doch eher enttäuscht hatte. Wenn da nur nicht dieser Abschluss gewesen wäre. Mit diesem schier endlosen Riff-Spektakel im Stil eines verkappten Achtziger-Revivals. Da war es dann auch schon egal, ob diese Selbstverherrlichung nun zehn Minuten oder doch um einiges länger dauern sollte. Mir reichte es. Genug ist genug. Schade eigentlich, denn Blackmail haben schon etwas drauf. Zweifelsohne. Doch was tun, wenn es im Live-Kontext einfach am Pepp fehlt. Eben genauso wie damals, bei diesem Arbeitskollegen.

Blackmail / Revolt
17.03.2006 - Wien, Szene.


[blackmail.de]
[revolt.de]