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Die Indie-Gemeinde liebt Death Cab For Cutie. Da ist eine ausverkaufte Arena keine Überraschung. Was man dort zu Augen und Ohren bekam hingegen schon. Ein Konzert mit Körpereinsatz.

Death Cab For CutieVor ziemlich genau zwei Jahren spielten DCFC hierzulande ihr erstes Konzert. Genauer: Am 23. Februar 2004 in der Szene Wien. Mit ihrem fünften Album "Transatlanticism" hatten sie im Jahr davor ein wunderbares Stück Musik unters Volk gebracht. Eine Platte, die jedes Indie-Herz höher schlagen ließ und dank Grand Hotel Van Cleef bzw. Wohnzimmer Records auch in Österreich auf den Markt kam. Wenn auch erst Monate nach dem US-Release. Aber für gute Platten ist es bekanntlich nie zu spät. Wirklich herumgesprochen hatten sich die Qualitäten des Vierers aus Seattle zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Das Live-Debut von DCFC auf heimischen Bühnen war alles andere als ausverkauft. Habe ich mir sagen lassen. Von einem Konzert im familären Rahmen wurde mir erzählt. Einem, das für die wenigen Anwesenden jedoch zu einem ganz besonderes Erlebnis wurde. Wie meistens, wenn man eine Band vor dem großen Durchbruch miterleben darf.

Die Zeiten haben sich geändert. DCFC genießen inzwischen nicht nur jenseits des Atlantik Kultstatus, sondern können sich auch hierzulande einer beachtlichen Fangemeinde erfreuen. Gründe dafür gibt es mehrere. Zuallererst hat "Transatlanticism" seinen Weg gemacht. Auch ohne große Plattenfirma im Rücken. Ganz im Gegensatz zum Nachfolger "Plans", der erstmals in der Bandgeschichte bei einem Major-Label veröffentlicht wurde. Und auch vollkommen zurecht für Furore sorgte. Kaum eine Bestenliste des vergangenen Jahres, wo DCFC mit ihrem sechsten Longplayer nicht vertreten waren. Einen weiteren nicht gerade unbeträchtlichen Karriereschub brachte eine Mainstream-TV-Serie, wo der Hauptdarsteller öfters mit einem Band-T-Shirt zu sehen ist und ein ums andere Mal DCFC als seine Lieblingsband bezeichnet. Nie gesehen, trotzdem hat es sich auch bis zu mir herumgesprochen, dass "O.C., California" zumindestens hinsichtlich Musik einiges zu bieten hat. Beispielsweise den Titelsong von Phantom Planet, die dadurch mit "California" im zweiten Anlauf einen Hit landen konnten. Oder auch DCFC, die Songs für den Soundtrack beisteuerten und in der zweiten Staffel sogar einen Gastauftritt haben. Massenkompatibler Nachhilfeunterricht für guten Musikgeschmack.

Was sich dann auch im Kartenvorverkauf für die diesjährige Europa-Tournee von DCFC bemerkbar machte. Allerorts ausverkaufte Hallen. So auch in Wien. Der Schwarzmarkt vor der Arena blühte. Manch einer, der sich zu lange Zeit ließ, musste tief in die Geldbörse greifen, um eine der angesagtesten Bands in Sachen hymnischem und melodieverliebtem - kurz: vorzüglichem - Indie-Pop live sehen zu können. Eines gleich vorweg: Die Investition sollte sich auszahlen. Zumindestens für all jene, die das Konzert vor zwei Jahren verpasst haben. Also auch meine Wenigkeit. 90 Minuten lang zeigten sich DCFC von einer wesentlich rockigeren Seite, als man es von ihren doch eher zurückhaltenden Platten gewohnt ist. Der Wohlklang wurde mit einer gehörigen Portion dreckigem Rock versehen, ohne dass dabei jedoch die unwiderstehliche Leichtigkeit der Kompositionen von Songwriter Ben Gibbard zu leiden hatten. Im Gegenteil, das ein oder andere Lied gewann dadurch sogar an Stärke. Vor allem jene, welche die Band bei ihrer Live-Performance ausschweifen ließ, wo durchaus auch mal improvisiert wurde. Wobei man auch erkannte, dass DCFC keineswegs die harmlose Indie-Band von Nebenan ist, sondern durchaus einiges drauf hat. Da wurde schon mal wild abgejammt. Inklusive dem ein oder anderen Instrumentenwechsel. Höhepunkt dessen der Einsatz eines zweiten Schlagzeuges. Schnell mal von den Rowdies aufgestellt und niemand geringeren als Herrn Gibbard höchstpersönlich bearbeitet. Ein mitreißendes Trommelduell. Mit einer Ausgelassenheit, die man ihm in diesem Ausmaß eigentlich gar nicht zugetraut hätte. Vielleicht einfach nur um die Nervosität zu bekämpfen, mit welcher der ständig herumzappelnde Gibbard doch sichtlich zu kämpfen hatte. Vielleicht aber auch nur, um seine Musik hemmungslos ausleben zu können und damit all jene vor den Kopf zu stoßen, die DCFC nur allzu gerne in die Softie-Schublade stecken. Was blieb, war ein erstklassig emotionales Konzert. Und die Erkenntnis, dass ein Sitzplatz in der Arena nicht nur Vorteile mit sich bringt. Vor allem im Nachhinein gesehen.

Death Cab For Cutie / John Vanderslice
17.02.2006 - Wien, Arena.


[deathcabforcutie.com]
[dcfc-tour.net]
[johnvanderslice.com]