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Zwei Jahre danach: "Young Adam" und "Evil" finden den Weg in die heimischen Kinos. Was trotz Kritikerlobes nur in einem Fall berechtigt ist.

Soetwas nennt man wohl Sommerloch. Es ist fast ein Monat vergangen seit der letzten Filmkritik an dieser Stelle. Dabei muss ich mir gar nicht mal den Vorwurf machen, zu faul gewesen zu sein oder nicht die Zeit aufgebracht zu haben. Der Grund dafür war einfach nur das mangelnde Angebot seitens der österreichischen Kinobetreiber. Es gab einfach keine Neustarts, über die es die Mühe wert gewesen wäre zu schreiben. Zumindestens meiner Meinung nach. Bei möglicherweise durchaus unterhaltsamen Filmgut wie "Fantastic Four", "Wedding Crashers", "Mr. & Mrs. Smith" und "Unleashed" reicht in absehbarer Zukunft der Gang zur Videothek. Wenn überhaupt. Zwei nennenswerte Ausnahmen gab es dann aber doch.

MadagascarErstens "Madagascar", der neueste Animationsfilm von Dreamworks. Ein wunderbares Kinoerlebnis für die ganze Familie. Inklusive unterhaltsamer Geschichte, Wortwitz und jeder Menge Anspielungen. Nicht zu vergessen die perfekte Animation. Woran es mir mangelte war einzig die unterschwellige Boshaftigkeit, die ein Genre-Highlight wie "Shrek" ausmacht. Sehenswert ist "Madagascar" allerdings allemal.

Und zweitens "Young Adam", der neue Streifen mit Obi-Wan Kenobi a.k.a. Ewan McGregor, der eigentlich gar nicht mehr so neu ist. Immerhin ist das schottische Drama schon zwei Jahre alt. Trotzdem startete "Young Adam" dieses Monat in den heimischen Kinos. Ähnlich verhält es sich bei dem schwedischen Streifen "Evil" (im Original: "Ondskan"), der unlängst sogar bereits in deutscher Sprache auf Kauf-DVD erschien. Ein Kinostart ist trotzdem geplant. Es scheint jedenfalls allgegenwärtig, das eingangs erwähnte Sommerloch.

Like Rocco Siffredi...

Tilda Swinton und Ewan McGregor in "Young Adam"Schottland der Nachkriegszeit: Joe (Ewan McGregor) ist ein Herumtreiber und gescheiterter Schriftsteller. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich in den Kanälen zwischen Glasgow und Edinburgh. Auf einem alten Lastkahn, der dem bodenständigen Les (Peter Mullan) und dessen undursichtiger Ehefrau Ella (Tilda Swinton) gehört. Als Joe und Les eines Morgens im Wasser die Leiche einer jungen Frau entdecken, ahnt noch niemand das dunkle Geheimnis dahinter. Handelt es sich um einen Unfall? Hat die Frau Selbstmord begangen? Oder war es gar Mord?

"Young Adam" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Alexander Trocchi, einem zu Lebzeiten von Heroinsucht gekennzeichneten schottischen Autor, dessen Bücher noch weit nach seinem Tod 1984 Einfluss auf Schriftsteller wie Irvine Welsh nahmen. In Szene gesetzt wurde die Geschichte um den verschwiegenen Anti-Helden von David Mackenzie, einem bereits mehrfach für seine Kurzfilme ausgezeichneten Regisseur und Drehbuchautor. Passend dazu die Besetzung: Allesamt schottische Darsteller: Ewan McGregor, Tilda Swinton, Peter Mullan. Eigentlich beste Voraussetzungen.

Trotzdem wurde ich von "Young Adam" enttäuscht. Vor allem deshalb, weil sich der ohnehin schon düstere und trostlose Streifen auch noch stilistisch als langezogen und träge erweist. Und das, obwohl es durchschnittlich alle zehn Minuten eine Sexszene zu sehen gibt. Denn der chronische Womanizer Joe stürzt sich im Laufe der gut eineinhalb Stunden auf alles Weibliche, das sich in seiner näheren Umgebung befindet. Passend dazu auch der Kurzauftritt von Ewan McGregors bestem Stück. Wenn ich mich recht erinnere, durften wir diesen Anblick allerdings bereits in "Trainspotting" und "Velvet Goldmine" miterleben. Also auch nicht gerade die Aufregung wert. Was bleibt, ist ein von Kritikern maßlos überbewerteter Streifen, den man am besten neben Fehlgriffe wie "Romance" oder "Intimacy" einreiht. Noch etwas: Wer ist eigentlich dieser "Young Adam"?

Like Jimmy Dean...

"Evil" ist der größte kommerzielle Kino-Erfolg in Skandinavien der letzten Jahrzehnte. Allein eine Million Schweden sollen den Streifen gesehen haben. Was bei einer neun Mal so großen Einwohnerzahl durchaus bemerkenswert ist. Dabei ist "Evil" alles andere als einer dieser hirnlosen Publikumsmagneten. Im Gegenteil. Die Verfilmung der Autobiografie von Bestseller-Autor Jan Guillou ist ein berührendes und äußerst intensives Drama. Eigentlich wie gemacht für eine Oscar-Nominierung. Die bekam Regisseur Mikael Hafström dann auch. Als bester fremdsprachiger Film. Was wiederum auch noch keinen guten Streifen ausmachen muss. Im Falle von "Evil" kann man den Geschmack der Academy-Jury allerdings schon mal Glauben schenken.

Andreas Wilson in "Evil"Schweden der Fünfziger Jahre: "Evil" erzählt die Geschichte des jungen Rebellen Erik Ponti (Andreas Wilson), der zu Hause von seinem Stiefvater verprügelt wird und sich dafür in der Schule rächt. Dort lässt der 16-Jährige seinen aufgestauten Emotionen freien Lauf und drischt auf jeden ein, der ihm in die Querre kommt. Was nicht ohne Folgen bleibt. Erik fliegt von der Schule. Die einzige Möglichkeit auf einen Abschluss bietet ihm das private Elite-Internat Stjärnsberg. Der Preis dafür: Er muss sich der dort vorherrschenden strikten Hierarchie unterordnen. Was soviel bedeutet, dass er all die sadistischen Erniedrigungen der älteren Mitschüler erdulden muss. Denn der von der Lehrerschaft geduldete Verhaltskodex besagt, dass er von der Schule fliegt, sobald er seine Fäuste sprechen lässt. Als sich Erik jedoch den Demütigungen widersetzt, gerät das perverses Katz- und Mausspiel immer mehr außer Kontrolle.

"Evil" zeigt den Wandel eines anfangs rücksichtslosen Schlägers hin zu einem jungen Mann, der trotz allem Druck seinen Prinzipien treu bleibt. Als Zuschauer geht man mit Erik durch die Hölle und kann es nicht erwarten, bis er sich endlich zur Wehr setzt. Wenn schlussendlich auch auf eine etwas überraschende Art und Weise. Besonders hervorzuheben ist dabei Hauptdarsteller Andreas Wilson, der mit seiner absolut überzeugenden Darstellung an die ganz großen Rebellen der Kinogeschichte erinnert. Und das bei seiner ersten Hauptrolle in einem Spielfilm. James Dean lässt grüßen.

Young AdamYoung Adam
Regie: David Mackenzie.
Mit Ewan McGregor, Tilda Swinton, Peter Mullan.
22.07.2005 / DVD (OF)


[sonyclassics.com/youngadam]

EvilEvil
Regie: Mikael Hafström.
Mit Andreas Wilson, Henrik Lundström, Linda Zilliacus.
DVD


[filmnytt.com/ondskan]