header
 
Okay, sie klingen schon sehr nach Interpol (oder Joy Divison). Trotzdem sind die Editors weit mehr als nur ein billiges Imitat. Wer "The Back Room" eine Chance gibt, weiß warum.

EditorsWir schreiben das Jahr 2005. Jedes Monat eine neue - in einschlägigen Gazetten als das nächste große Ding gehandelte - Gitarren-Rock-Band, die uns mit ihrem Retrosound im Stil der Achtziger Jahre beglücken will. Beispiele gibt es genug. Ich erspare mir das Namedropping. Über den Großteil kann man ohnehin getrost hinweghören. Man verpasst nicht viel. Bei den Editors erwartete ich mir ähnliches. Kein Wunder, bei einem dermaßen umfangreichen Angebot gleichgesinnter Musik wird man schon mal misstrauisch. Daran konnten selbst zwei durchaus überzeugende Singles wenig ändern. Noch dazu, wo man bei dem britischen Quartett sehr schnell erkannt hat, dass es mit den Ansprüchen in Richtung musikalischer Eigenständigkeit nicht weit her ist. Stattdessen klaut man dreist, wo es sich zu klauen lohnt. Ein weiterer Fall von Trendsurfing?

Soetwas macht bereits den ersten Hördurchlauf eines Albums zur Bewährungsprobe. Da hilft es auch nichts, wenn es sich um ein Erstlingswerk einer Band in jungen Jahren handelt. Im Gegenteil. Erst recht nicht bei solch einem Album-Cover: Der Blick in einen Tunnelgang. Natürlich alles obligatorisch in düsterem Schwarz-Weiß gehalten. Das hatten wir alles schon unzählige Male. Vor gut 25 Jahren ebenso wie erst vor kurzem. Was mich auch gleich zu meinen ersten akustischen Eindrücken bringt. Und natürlich zu den unüberhörbaren Einflüssen. Nur soviel: Interpol sind auf "The Back Room" omnipräsent. Wobei das mit den New Yorkern als Bezugspunkt immer so eine Sache ist. Vielleicht sollte man es deshalb einfach bei Joy Division belassen. Wie auch immer. Sänger Tom Smith hat es jedenfalls drauf. Egal ob nun klagend, fordernd oder entrückt. Egal ob Ian Curtis oder Paul Banks.

Dark Disco Dudes From Midlands.

Das Bemerkenswerte an diesem Album? Die Editors mögen sich zwar bei dieser und auch jener Band bedient haben, nach dem zweiten oder dritten Durchlauf von "The Back Room" spielt das alles aber keine Rolle mehr. Nämlich spätestens zu jenem Zeitpunkt, wenn man die Größe des vorliegenden Songmaterials einfach anerkennen muss. Natürlich gibt es den ein oder anderen Durchhänger, Tracks wie das hymnische "Munich" oder das kraftvolle "Blood" lassen allerdings nur allzu leicht darüber hinwegsehen. Ich wage mal die Behauptung: Eine bessere Uptempo-Mixtur aus Pop und Rock mit dermaßen viel Dringlichkeit und Leidenschaft hat es 2005 noch nicht gegeben.

Was mich jedoch bei "The Back Room" endgültig überzeugte, war das eher Unerwartete, nämlich jene Momente, wo sich die Editors an ruhigeren Stücken - oder nennen wir es durchaus mal Balladen - probieren. Songs wie "Camera" oder die abschließenden "Open Your Arms" und "Distance" offenbaren eine vollkommen andere Seite der Band. Das atmosphärische, dabei aber auch progressive Liedgut unterstreicht eindrucksvoll ihr musikalisches Potential. Umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass dieses Album in nur dreieinhalb Wochen geschrieben wurde. Man darf jedenfalls gespannt sein, wo der Weg der Editors in Zukunft noch hinführen wird.

Editors: The Back RoomEditors
The Back Room
25.07.2005


[editorsofficial.co.uk]