header
 
Album Nr. 6 und keine Änderung in Sicht. Auch auf "Don't Believe The Truth" setzen Oasis durchgehend auf Altbewährtes. Fan ist, wer es trotzdem bleibt.

Liam Gallagher - Andy Bell - Noel Gallagher - Gem Archer

Ein neues Oasis-Album ist und bleibt etwas besonderes. Zumindestens für mich. Damals - vor etwa zehn Jahren - war ich ganz großer Oasis-Fan. "Definitely Maybe", "(What's The Story) Morning Glory" und mit Abstrichen auch noch "Be Here Now" - alles unverzichtbare Platten der Neunziger. Da wurden sämtliche Singles zum Pflichtkauf. Denn keine andere Band schrieb bessere B-Seiten. Hätten sich Oasis zu dieser Zeit aufgelöst, sie wären als Legenden in die Musikgeschichte eingegangen. Dabei standen sie nicht bloß einmal knapp davor. Und siehe da: Die allgemeine Euphorie hat sich mit den darauffolgenden Alben von selbst gelegt. Auch die meinige. Denn "Standing On The Shoulder Of Giants" und "Heathen Chemistry" konnte man bestenfalls noch als gehobenes Mittelmaß bezeichnen. Drei, vier wirklich gute Songs, mehr hatten diese Alben nicht zu bieten. Das Bemerkenswerte daran: Selbst das reichte den Gallagher-Brüdern, um den Großteil der Brit-Pop-Konkurrenz hinter sich zu lassen. Und sei es auch nur aufgrund von Liams Skandalen oder der unterhaltsamen Interviews von Noel.

"Our Kid" entdeckt die große Welt des Liederschreibens.

Nun ist sie also doch noch fertig geworden, die sechste Oasis-Platte. Fast drei Jahre sind seit "Heathen Chemistry" vergangen. Die längste Pause zwischen zwei Alben in ihrer zwölfjährigen Diskografie. Und das, obwohl Noel nach der Veröffentlichung der letzten Platte noch in seiner gewohnt großmäuligen Manier verkündete, bereits neue, natürlich supertolle Stücke geschrieben zu haben, und wie froh er doch sei, dass sich inzwischen auch die anderen Bandmitglieder beim Songwriting miteinbringen. Sogar sein kleiner Bruder Liam sei in dieser Hinsicht richtig fleißig. "Heathen Chemistry" war also soetwas wie ein Neubeginn. Und "Don't Believe The Truth" ist nun die Fortsetzung dessen. Warum die Aufnahmen zum neuen Album trotzdem ins Stocken gerieten, hatte mehrere Gründe. Es begann mit der ersten Recording-Session, die man gemeinsam mit Death In Vegas in Angriff nahm. Zehn fertige Songs waren bereits im Kasten, als Meister Noel sein Veto einlegte: Nicht gut genug. Und so schrieb man weiter an neuen Songs. Solange bis man an die 50 Stück zur Auswahl hatte. Kurzfristig war sogar von einem Doppel-Album die Rede. Was bei der letzten Platte des Deals mit Sony ein zu großes Geschenk gewesen wäre. Folglich beschränkte man sich dann doch lieber auf den Umfang eines herkömmlichen Longplayers. Mit elf Songs. Fünf stammen von Noel, zwei von Bassist Andy Bell, einer von Gitarrist Gem Archer und beachtliche drei Stück von "Our Kid" Liam, der damit den Sprung vom rüpelhaften Band-Prolo zum schwer beschäftigten Liedermacher wagt. Wobei das eine natürlich das andere nicht ausschließt.

Damit bin ich auch schon beim leidlichen Thema des Albums angekommen. Noel Gallagher ist als Songwriter einfach zu gut für den Rest der Band. Seine Kompositionen heben sich jedenfalls deutlich ab und sind die unbestrittenen Höhepunkte auf "Don't Believe The Truth". Die von Noel selbst gesungenen "The Importance Of Being Idle" und "Part Of The Queue" zählen zu den unspektakulärsten, dabei aber nachhaltigsten Stücken, die er bislang geschrieben hat. Im Gegensatz zum Oasis-typischen Rocker "Lyla" oder dem hymnischen Finale "Let There Be Love", das durchaus als Remake von "Stop Crying Your Heart Out" durchgeht. Oder "Champagne Supernova". Je nach Bedarf. Klingt trotzdem unverschämt gut. Vor allem ab jenem Moment, wo die Nummer zum Bruder-Duett wird. Was es übrigens erstmals auf einem Oasis-Album gibt. Fazit: 100% Hit.

Abseits dessen gibt es wieder einmal nur gut gemeinte Lückenfüller. Die Referenzen kommen dabei von den üblichen Verdächtigen: Beatles, Rolling Stones, The Who, The Kinks. Neuerdings auch Velvet Underground ("Mucky Fingers"). Wie gehabt: Oasis klauen sich hemmungslos durch die Geschichte der Rock- und Popmusik. Nicht weiter schlimm, wäre es durchgehend gut gemacht. Nur leider geht mit Liam beim Liederschreiben noch allzu oft seine Naivität durch. Seine Vorliebe für John Lennon ist bekannt. Etwas mehr Abstand zum pathetischen Folk-Pop der Beatles zu derer indischen Phase wäre jedoch wünschenswert. Er würde sich so manche Peinlichkeit ersparen. Den schlimmsten Fehlgriff erlaubt er sich bei "Guess God Thinks I'm Abel". Großkotziger geht's nicht mehr. Lennon dreht sich im Grabe um.

Bewusster Verzicht auf Neuerfindung.

Natürlich kommt auch "Don't Believe The Truth" nicht an die ersten beiden Oasis-Alben heran. Die Zeiten, wo man soetwas erwarten konnte, gehören längst der Vergangenheit an. Der vorliegende Longplayer ist vielmehr das Werk einer Band, die sich in Selbstzufriedenheit suhlt. Oasis tun wieder einmal das, was sie schon immer getan haben. Vieles davon allerdings dermaßen gut, dass man ihnen nicht wirklich böse sein kann. Von dieser Band zu verlangen, musikalisches Neuland zu ergründen, wäre vermessen. Den Versuch zu experimentieren hatten wir in Ansätzen schon mal bei "Standing On The Shoulder Of Giants". Und was hat es gebracht? Nichts, rein gar nichts. Was bleibt, ist eine gute, wenn auch keine sehr gute Oasis-Platte. Und die Einsicht, dass ein Soloalbum von Noel Gallagher mehr als überfällig ist.

Oasis: Don't Believe The TruthOasis
Don’t Believe The Truth
30.05.2005


[oasisinet.com]
srocca - 23. Jul, 19:31:
the importance of being idle
einer der besten oasis songs ever. und dann erst das video! rhys ifans at his very best. bin echt begeistert! 
wasix - 23. Jul, 22:57:
...
Oasis with Rhys Ifanstoller song (und dabei nicht mal typisch oasis) und ebenso toller videoclip (bei rhys ifans kein wunder). beides zusammen hat es bei oasis schon 'ne ganze weile nicht mehr gegeben. bin ebenfalls begeistert...