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Deerhunter ist mit "Microcastle / Weird Era Continued" eine extrem dichte Platte voller Ideen, Melodien und Ausbrüchen gelungen. Wer sich hiermit beschäftigt, wird ein Wunder erleben.

Deerhunter

Zuerst war da dieses eine Album: "Microcastle". Der Nachfolger von "Cryptograms", eines der "Forgotten Treasures" von 2007 [>], eine jener Platten, die lobende Worte verdienten, an dieser Stelle aber nicht bekamen. Aus welchen Gründen auch immer. "Eine psychedelische Tour De Force [...] einerseits hypnotisch und überwiegend instrumental, sowie andererseits leichtfüßig und acid-poppig [...] Eines dieser wahren Liebhaber-Alben, die man nicht mal eben so zwischen Tür und Angel auflegt." [>] "Cryptograms" war dieser einzigartige Trip, irgendwo zwischen Ambient und Pop, zwischen Sixties-Charme und verhallten Gitarren. Auch mir war das zuerst zu verwaschen, fehlten die Strukturen und Hinhorcher. Auch ich versuchte zwingende Melodien festzumachen, die kaum glaubt man sie gefunden, sich auch schon wieder verflüchtigt hatten. Da war von Anfang an zwar dieses Gefühl, dass "Cryptograms" Potential zu gefallen mitbrachte, nur wirklich funktionieren wollte es nicht. Jedenfalls solange nicht, bis ich mich ohne Wenn und Aber auf dieses Wunderwerk einließ. Eine Woche Dauerbeschallung per Wiederholtaste. Anders war unmöglich.

Nun also "Microcastle", das neue Album. Eine weitere dieser seltenen Platten, bei denen es so unendlich viel zu entdecken gibt, von denen man einfach nicht genug bekommen kann. Wohlbemerkt: Bei richtiger Handhabung. Jedenfalls wollen mir die zwölf Songs in knapp 41 Minuten nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr aus dem Kopf. Diesmal frühzeitiger als beim letzten Mal. Weil gewusst wie. Wobei es schon auch zwei, drei Hördurchgänge dauern sollte, bis eine echte Meinung gebildet werden konnte. Als die wäre: Wundervoll. Zwar scheinbar minder komplex als der Vorgänger, aber mit unzähligen unwiderstehlichen Ideen. Fast schon poppig, weniger undurchsichtig. Macht beinahe altmodische Psychedelica, aufgeräumter und ruhiger als bislang gewohnt. Nicht durchwegs, aber doch songorientierter, was bereits die vier Tracks der wenige Monate nach "Cryptograms" erschienenen "Fluorescent Grey"-EP andeuteten. Folglich leichter zugänglich, wenn auch noch schwerer einzuordnen. Fakt ist, besseren Shoegaze - meinetwegen auch Dream- oder Psych-Pop - gab es auch Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger nicht.

Lag es daran, dass "Microcastle" bereits Ende Mai dieses Jahres - also fünf Monate vor seinem physischen Release - in den Weiten des Internets aufgetaucht ist, dass man aus einem einfachen ein Doppelalbum machte, mit "Weird Era Continued" eine Bonus-CD beilegte? Nein, das ist keine der herkömmlichen Draufgaben. Das ist ein weiteres richtiges Album. Mit 13 neuen Stücken und einer Spieldauer von fast 42 Minuten. Das es allerdings nur im Doppelpack mit "Microcastle" käuflich zu erwerben gibt. Demnach darf der Fehler gemacht werden "Microcastle / Weird Era Continued" als Ganzes zu betrachten, auch als solches zu konsumieren. Noch dazu, weil Zweiteres zu Ersterem kaum abfällt. "Weird Era Continued" mag zwar skizzenhafter rüberkommen, ist aber von derselben außergewöhnlichen Dichte gekennzeichnet wie "Microcastle". Man beachte also: 25 Lieder am Stück, da gehört es sich allmählich heranzutasten. Anderenfalls könnte einem diese brutal gute Platte erschlagen. Gibt man "Microcastle / Weird Era Continued" hingegen die wohlverdiente Zeit, dieses Album wird einen berühren, umschlingen und ganz weit weg forttragen.

Deerhunter: Microcastle / Weird Era ContinuedDeerhunter
Microcastle / Weird Era Continued
27.10.2008


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