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Rockstars und Drogen: Eine endlose Geschichte. "12 Bar Blues" erzählt davon.

Scott Weiland

Scott Weiland war Sänger von Velvet Revolver. Davor war - und seit diesem Jahr ist - er auch (wieder) Frontmann der Stone Temple Pilots. Zwei Bands, mit denen Weiland sieben Alben aufgenommen hat, die sich weltweit über 40 Millionen mal verkauften. Trotzdem - oder gerade deshalb - wurden sowohl Velvet Revolver als auch die Stone Temple Pilots von den Kritikern gehasst. Erstere bezeichnete man gerne als überflüssigen Guns N' Roses-Abklatsch, Zweitere als Trittbrettfahrer des Grunge-Booms. Weiland selbst befand sich in der Zwickmühle. Auf der einen Seite bei Konzerten von Fans umjubelt, andererseits bekam er tags darauf in Kritiken diverser Musikmagazine zu lesen, wie talentlos er sei. Kurz: Der ultimative Rockstar. Geliebt, gehasst und im Grunde nichts anderes als ein reicher, aber unglücklicher Mensch. Zum Lebensstil eines solchen Rockstars gehören auch Drogen. Weiland probierte sie, wurde abhängig und endete in einer Drogen-Rehabilitationsklinik. Nicht bloß einmal.

Die Drogensucht Weilands hatte oft schwerwiegende Folgen. Abgesagte Tourneen und Auftritte standen vor allem bei den Stone Temple Pilots an der Tagesordnung. Und so lag die Band nach Veröffentlichung ihres dritten Albums "Tiny Music... Songs From The Vatican Gift Shop" (1996) auf Eis. Die restlichen drei Viertel sahen sich bereits nach einen neuen Sänger um und gründeten Talk Show. Und der "Pilot without a crew"? Der vermeldete zu Beginn 1998 nach jahrelangem Dasein als Junkie clean zu sein. Und mit "12 Bar Blues" - dessen Cover, eine Hommage an John Coltranes "Blue Train" - seine Ambitionen als Solokünstler verwirklicht zu haben. Ein Album, das vor allem die qualvollen Momente der letzten Jahre in seinem Leben widerspiegelte. Das Ergebnis: Abstruser Avantgarde-Pop mit eindeutigen Querverweisen. Manische Drogen- und Rehab-Poeme, die in ihrer wirren Form der schonungslosen Selbsttherapie stark an die Siebziger-Werke von David Bowie erinnerten. "12 Bar Blues" zeigte das zerstörte Innenleben des egozentrischen Weiland. Dem Zuhörer blieben dabei nur zwei Möglichkeiten: Entweder man wendete sich mit Grauen ab, oder man litt begeistert mit. Ersteres mag die einfachere Lösung gewesen sein, letzteres jedoch die weitaus interessantere.

Wer auf "12 Bar Blues" den gängigen Stone Temple Pilots-Output erwartete, der wird seinen Ohren wohl nicht getraut haben. Mit Grunge-Rock hatte dieses Album ebenso wenig gemein wie das gestylte Outfit von Weiland mit Flanellhemd und Ziegenbart. Stattdessen bekam man ein stilistisches Wechselbad der Gefühle präsentiert. Von Glam-Punk über Psychedelic-Pop bis hin zu Industrial-Rock. Eine orientierungslose Mischung aus rohem Lo-Fi und kristallreinem High-Tech, wobei Weiland die unterschiedlichsten Stilanleihen solange malträtierte, bis die kreative Verwirklichung seiner Entzugstherapie verwirklicht war. Wem das noch nicht genug der avantdardistischen Gradwanderung war, der wurde auf "Lady, Your Roof Brings Me Down" mit Walzerryhtmen und einer Akkordeon-Darbietung von Sheryl Crow bedient. Nein, Weiland machte vor nichts halt. Wurde er früher aufgrund stilistischer Eintönigkeit kritisiert, so bombardierte er die Hörerschaft auf "12 Bar Blues" mit einem wahren Hagel abstrakter Soundkollagen. Der Mann hatte seine künstlerische Ader entdeckt. Und siehe da: Plötzlich wurde Weiland gelobt. Von visionärer Neuorientierung war die Rede. Er schien es also tatsächlich geschafft zu haben. Doch wie war das nochmal: Einmal Junkie, immer Junkie. Oder?

Scott Weiland: 12 Bar BluesScott Weiland
12 Bar Blues
30.03.1998


[scottweiland.com]
[myspace.com/scottweiland]

Anhang: Ende November veröffentlicht Scott Weiland zehn Jahre nach "12 Bar Blues" sein zweites Soloalbum "Happy In Galoshes". Inklusive Bowie-Cover "Fame". Dessen Vorbote "Paralysis" - "co-written by Mr. Weiland and everyone in No Doubt except Gwen Stefani" - klingt ja schon mal so sehr nach Bowie, dass es gar nicht schlecht sein kann. "The low-budg clip finds the rocker overdressed in the desert, daydreaming about caressing his sour girl. Presumably he's happier in the flashbacks, though he doesn't smile and I didn't spot any galoshes." [stereogum.com]