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Endlich. Oasis haben etwas gewagt. Und prompt ihr bestes Album seit dem unterschätzten "Be Here Now" aufgenommen. Raffiniert und wunderbar melancholisch. Eine Platte wie ein Trip.

Oasis: Gem Archer - Noel Gallagher - Liam Gallagher - Andy Bell.

Es muss etwa ein Monat vor Veröffentlichung von "Dig Out Your Soul", dem siebten Oasis-Album, gewesen sein. Zuerst meldete sich Liam zu Wort und schoss sich auf Radiohead, Coldplay und deren Fans ein. "I don't hate them. I don't wish they had accidents. I think their fans are boring and ugly and they don't look like they're having a good time." Folglich konnte sich auch Bruder Noel nicht weiter zurückhalten. Seine auserkorenen Opfer: Amy Winehouse, Mark Ronson, Kaiser Chiefs. Erstere verglich er mit einem "destitute horse". Zweiterem riet er "to learn three chords on the guitar and write a tune". Und Drittere? "I did drugs for 18 years and I never got that bad as to say: You know what? I think the Kaiser Chiefs are brilliant." Es sind Aussagen wie diese, die Oasis jeher sympatisch gemacht haben. Auch wenn es bloß Album-Promotion as usual ist, altbekannte Spielchen, die niemand mehr wirklich ernst nimmt. Hauptsache die üblichen Musikmedien springen darauf an. Und das tun sie. Immer noch. Weil unterhaltsam sind die Gallaghers allemal. Heute wie Gestern.

Waren das noch Zeiten als sämtliche Songs einer Oasis-Platte aus der Feder von Noel stammten. Nun nahm sich dieser ab Album No.4 aber mehr und mehr beim Songwriting zurück, ließ auch Fremdkompositionen zu. Zuerst bloß eine, danach bereits fünf, zuletzt gar sechs. Bei "Dig Out Your Soul" sind es wiederum fünf an der Zahl. Drei von Liam und jeweils eine von Gitarrist Gem Archer und Bassist Andy Bell. Keine Frage, letztere sind Füllmaterial. Okay, aber nicht mehr. Bei den Stücken von "Our Kid" sticht "I'm Outta Time" heraus. Weil es eine schlichtweg herzzerreißende Ballade ist, aber auch wegen dem Lennon-Sample. Was nun das Gute daran ist, dass nur sechs der elf Stücke von Noel geschrieben wurden? Es sind allesamt Top-Nummern. Drei der sechs von ihm selbst gesungen. Man beachte dabei vor allem das absolut fantastische "Falling Down". Egal ob nun in der Album-Version oder im Chemical Brothers-Remix der mehr als bloß würdige Nachfolger von "Setting Sun" und mitunter das Beste, was Noel in den Nullerjahren gelungen ist.

"Dig Out Your Soul" als bodenständiges Rock-Album abzutun, wäre vermessen. Handelt es sich hierbei doch um den abwechslungsreichsten Longplayer in der Oasis-Diskografie. Ihr "Revolver"? Ihr "Kid A"? Auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Nicht mehr ganz so einfach, geradlinig und melodiös wie man es bislang gewohnt war. Keine Sorge, auch "Dig Out Your Soul" klingt unverkennbar nach Oasis, nur eben öfter als sonst auch angenehm anders. Da geriet das Streben nach dem nächsten Überhit ein ums andere Mal doch tatsächlich ins Hintertreffen, wich man hin und wieder sogar vom traditionellen Strophe-Refrain-Mittelteil-Schema ab. Stattdessen begab man sich auf die Suche nach dem hypnotisierenden Sound, der treibenden Kraft, dem Groove. Das Ergebnis dessen erweist sich als rhythmusbetonter, experimentierfreudiger, schlichtweg interessanter, weil nachhaltiger. Vor allem ist "Dig Out Your Soul" ein richtiges Album geworden. Eines, das als Ganzes gehört werden will. Und als solches im Stande ist in nicht mehr für möglich gehaltenen Höhen zu wachsen. Bis hin zum drittliebsten Oasis-Album. Was verdammt viel zu bedeuten hat.

Oasis: Dig Out Your SoulOasis
Dig Out Your Soul
06.10.2008


[oasisinet.com]
[myspace.com/oasis]

[Review: Oasis - Don't Believe The Truth]

[Oasis @ Gasometer, Wien - 01.02.2006]

Konzerttipp:
Oasis @ Stadthalle, Wien - 26.02.2009.