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Erklimme einen Berg. Bezwinge seinen Gipfel. Betrachte in Ehrfurcht den atemberaubenden Ausblick. Der Soundtrack dazu kommt von Kyte. "Orchestral. Sweeping. Melancholic. Epic."

Kyte

Nennen wir es "Post-Rock", jenes Genre "characterized by the use of musical instruments commonly associated with rock music, but using rhythms, harmonies, melodies, timbre, and chord progressions that are not found in rock tradition". Oder doch lieber "Shoegazing". Beziehungsweise "New Shoegazing", kurz: "Nu Gaze", so die neueste Bezeichnung. Wegen seines "extensive use of guitar effects, and indistinguishable vocal melodies that blended into the creative noise of the guitars". Vielleicht ist die zuckersüße Kategorisierung "Dream-Pop" - "fusing post-punk experiments with bittersweet pop melodies into sensual, sonically-ambitious soundscapes" - doch die treffendere. Egal. Jede dieser Schubladisierungen streift die Wahrheit, liegt dieselbe wohl irgendwo dazwischen. Der Einfachheit halber der Bandvergleich: Verträumter, dezenter elektronisch als The Postal Service. Nicht ganz so bombastisch wie Mew. Nicht ganz so toternst wie iLiKETRAiNS. Hinzu gesellt sich eine hohe, sanfte Stimme, minutenlang oft gar nicht in Erscheinung tretend, und wenn, dann eher als weiteres Instrument als der Vermittlung von Inhalten dienend. Stichwort: Hopelandisch. Genau: Wer Sigur Ros liebt, wird auch Kyte verfallen.

Fünf Jungspunde aus der englischen Grafschaft Leicestershire. Banddurchschnitts-alter: 21 Jahre. Was ihrer Musik nicht anzumerken ist. Noch dazu, weil sich Kyte doch einem Genre bedienen, das schon zum x-ten Mal für tot erklärt wurde. Umso bemerkenswerter die Lobeshymnen, mit denen Kyte von der britische Musikjournalie abgefeiert wurden. "It's positively hymnal, like Sonic Youth's Daydream Nation played in a church", titelte Guardian Online. "Epic, glacial soundscapes tempered by warm, wonky electronica", bezeichnete Time Out ihren Sound. HighVoltage brachte es mit "It's absolute beauty" auf den Punkt. Und selbst der altehrwürdige NME zeigte sich begeistert, vergab 8 von 10 Punkten und meinte: "Kyte will steal your heart as soon as look at you." Alles andere als selbstverständlich, bedenkt man, dass bei dem hier vorliegenden elegisch atmosphärischen, stets auf eine gewisse Komplexität bedachten Liedgut fünf von acht Songs die Sechs-Minuten-Grenze überschreiten, einer davon mehr als sieben, ein weiterer fast neun Minuten Spielzeit aufweist. Also definitiv ungeeignet für Dancefloor oder Rockstadion, eben all das, was von einschlägigen Insel-Gazetten üblicherweise in den Himmel gehypt wird.

In den UK bereits im Februar dieses Jahres erschienen, gibt es das selbstbetitelte Debut-Album von Kyte seit Anfang September nun auch in der European Edition - "packaged as a special CD edition including a bonus track, fold out poster booklet and a free copy of the Erased Tapes label compilation" - hierzulande käuflich zu erwerben. Es scheint ganz so, als ließ man sich extra Zeit, um diese herrlich herbstliche Platte nicht sinnlos in den hochsommerlichen Monaten zu verbraten. Wenn es diesem kleinen Juwel von Album dadurch doch nur die Aufmerksamkeit beschert, die es sich verdient. Anderenfalls könnte all jenen, die sich gerne mal in charmant schüchterne, ausnehmend melodische, stets ein wenig geheimnisvolle Klangkunstwerke verlieren, mitunter das Schönste, das man sich dieses Jahr zu Gehör führen kann, entgehen. 46 Minuten verspielt verträumte Kopfhörermusik aus einem Guss, wie gemacht zum Träumen, sich darin fallen zu lassen. Gebettet in Zuckerwatte. Nein, das eckt nicht an. Muss es auch nicht.

Kyte: stKyte
st
08.09.2008


[kytetheband.blogspot.com]
[myspace.com/kyteband]