header
 
Vorsicht: Dieser Film verbreitet gute Laune. Mike Leigh lässt uns am Leben der schrillen, albernen, dabei aber auch hochmoralischen Poppy teilhaben. Wärmstens ans Herz gelegtes Wohlfühlkino.

Sally Hawkins in "Happy-Go-Lucky"

"I'm quite an optimist, quite happy in life, quite smiley." Sally Hawkins bringt es auf den Punkt. Sie ist die Idealbesetzung. Es gibt keine Bessere. Die 32-jährige Londonerin ist Poppy. Eine Grundschullehrerin, die selbst ein wenig Probleme damit hat, erwachsen zu werden. Zu sehr ist sie lebensbejahender Gutmensch. Stets gut gelaunt, offenherzig und ihren Mitmenschen gegenüber unvoreingenommen. Ein Sonnenschein von Person. Eine wahre Frohnatur. Ihre unbekümmerte Art mag anfangs reichlich durchgeknallt rüberkommen, gar Befremden und Erstaunen auslösen. Poppy zu entgehen, kommt allerdings einem Ding der Unmöglichkeit gleich. Und sei es auch nur, dass man sich an ihrem tagtäglichen Flirt mit dem Leben und der einhergehend absurdesten Situationskomik erheitern will. Eine einmalige Möglichkeit, die sich dadurch ergibt, weil Poppy Protagonistin in einem dieser klassischen Wohlfühlfilme ist. Dessen Titel "Happy-Go-Lucky" ins Deutsche übersetzt zu allem Überfluss auch noch soviel wie "unbekümmert" heißt, die Leichtlebigkeit, einen Leichtfuß beschreibt. Eben Poppy. Wer damit nicht klar kommt, ist selber schuld.

Dabei steht das bisherige Schaffen von Regisseur Mike Leigh gar nicht für diese Art von Film. Man betrachte vor allem die größten Erfolge des fünffach Oscar-nominierten, 65-jährigen Briten: "Secrets & Lies" (1996), "Topsy-Turvy" (1999), "Vera Drake" (2004). Drama, Drama und nochmals Drama. Mal mehr, mal weniger. Die Inhalte: Britische Arbeiterklasse, Entstehung eines historischen Bühnenwerks, Leben im England der Fünfziger-Jahre. Millieustudien, in denen stets bittere zwischenmenschliche Erfahrungen thematisiert werden. Allesamt "künstlerisch herausragend" und "emotional anrührend", aber nur selten bis nie unterhaltsam im Sinne dessen, dass einem als Betrachter zwischendurch ein herzhaftes Lachen auskommen könnte. Vergleichbar mit jenem über das Schmunzeln hinausgehende, wie es bei "Happy-Go-Lucky" nicht bloß einmal der Fall war. Leighs zehnter Kinofilm mag zwar keine typische Geschichte mit klassischem Aufbau haben, wie man sie von einem angesehenen Drehbuchautor des New British Cinema erwartet. Stattdessen könnte man durch teilweise lose wirkendes Nebeneinander von Szenen gar irritiert werden. Doch keine Sorge: Auch in diesen 118 Minuten gibt es eine Botschaft zu entdecken.

Sally Hawkins wurde für ihre Darstellung der Poppy in "Happy-Go-Lucky" bei der diesjährigen Berlinale mit dem "Silbernen Bären" ausgezeichnet. Wer hierbei Bedenken äußert, kann eigentlich nur ein ebensolcher Griesgram wie Poppys Fahrlehrer Scott (Eddie Marsan) sein. Er ist soetwas wie der genaue Gegenpol zu ihr. Immer miserabel gelaunt, mit Hang zu Rassismus und Gewaltausbrüchen. Hinzu kommt die Paranoia hinter jedem und allem einen Angriff auf sein armseliges Leben zu vermuten. Kurz: Ein Psycho durch und durch. Die stets scherzende Poppy und der dauernd stänkernde Scott. Eine Schülerin-Lehrer-Beziehung, die auf Dauer unmöglich gutgehen kann. Da mag das Gutelaunegehabe noch so unerbitterlich sein. Da mögen bei ihren Begegnungen noch so viele amüsante Situationen entstehen. Bei ihrer letzten Fahrstunde wird aus dem Schmunzeln doch noch Gänsehaut. Aber Poppy wäre nicht Poppy, würde sie "Happy-Go-Lucky" schlussendlich nicht zum hochverdienten Happy End hinsteuern. Welcher Film, wenn nicht dieser?

Happy-Go-LuckyHappy-Go-Lucky
Regie: Mike Leigh.
Mit Sally Hawkins, Eddie Marsan, Nonso Anozie.
04.07.2008


[happy-go-lucky-movie.co.uk] [imdb.com]