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Man nehme Sonderling und Sexpuppe und erhalte eine intelligente und wunderbar unaufdringliche Tragikomödie. "Lars And The Real Girl" mit dem stets sehenswerten Ryan Gosling.

Ryan Gosling in "Lars And The Real Girl" 
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Halluzinationen sind Sinnestäuschungen. Man sieht, hört oder riecht etwas, was in Wirklichkeit gar nicht da ist. Beispiel: Die Stimme aus der Steckdose. Eine Halluzination hat für den Halluzinierenden Realitätscharakter, kann nicht von der Realität unterschieden werden. Anders verhält es sich bei der Wahnvorstellung. Hier wird einer realen - auch von anderen nachzuvollziehenden - Wahrnehmung eine wahnhafte Bedeutung zugemessen. Gegenteilige Hinweise werden ignoriert, die persönliche Gewissheit des Betroffenen ist so stark, dass rational nicht abänderbar. Beispiel: Das Verhältnis von Lars zu Bianca. Vor allem in jener Hinsicht, wie er sie sieht, nämlich als richtigen Menschen. Für Lars ist Bianca eine an den Rollstuhl gefesselte Missionarin - halb Dänin, halb Brasilianerin -, die er im Internet kennengelernt hat. Seine erste Freundin, angehende treue Lebenspartnerin. Und nicht jene von ihm bestellte, per Holzbox gelieferte, lebensgroße Silikonpuppe, die Bianca in Wirklichkeit ist.

Eines ist klar: Lars (Ryan Gosling) ist kein gewöhnlicher Zeitgenosse. Der schüchterne Schnauzbart- und Seitenscheitelträger lebt irgendwo in der amerikanischen Einöde zurückgezogen in der Garage seines Elternhauses. Gleich neben seinem älteren Bruder (Paul Schneider) und dessen schwangerer Frau (Emily Mortimer), die stets bemüht, den distanzierten Lars zu überreden, zu ihnen ins Haupthaus zu ziehen. Ohne Erfolg. Jegliche Form von Nähe, selbst das gemeinsame Frühstück, ist Lars ein Greuel. Kurz: Ein Einzelgänger wie er im Buche steht. Liebenswert, aber doch irgendwie merkwürdig. Einer, der sich vehement gegen das Anflirten seiner Arbeitskollegin (Kelli Garner) wehrt, keinerlei Interesse für eine potentielle Freundin hegt. Jedenfalls bis zum Zeitpunkt als er Bianca kennenlernt. Auf irgendeiner einschlägigen Seite im Internet. Dementsprechend die Verwirrung, als Lars seine Eroberung Bruder und Schwägerin als reale Person vorstellt. Was tun? Gegen die Wahnvorstellung angehen oder die künstliche Plastikfreundin als vollwertiges Familien- und Gemeindemitglied akzeptieren? Man entschließt sich für zweiteres und spielt mit. Und zwar alle. Die gesamte Kleinstadt.

Eine Geschichte, wie gemacht um dessen filmische Umsetzung zum billig-peinlichen Klamauk verkommen zu lassen. Dem ist nicht so. Vielmehr gelingt Regisseur Craig Gillespie mit seinem zweiten Spielfilm eine erfrischend andere Mischung aus Komödie und Drama. Keine Spur von attraktionshungriger Inszenierung inklusive platter Gags und einhergehend schallendem Gelächter. Stattdessen erweist sich "Lars And The Real Girl" als sensibler und ungekünstelter Streifen. Nicht, dass es an Humor fehlt. Im Gegenteil. Nur kommt dieser merklich leiser und feinfühliger rüber als erwartet. Es darf zufrieden geschmunzelt werden. Ebenso wie man einer gewisser Rührung nicht entgehen kann. Keine Sorge, die Gefahr sich einem Übermaß an Kitsch hingeben zu müssen, ist nicht gegeben. Irgendwie bizarr und doch herzerwärmend, das ist "Lars And The Real Girl". Eine reichlich ungewöhnliche, dabei nicht minder menschliche Tragikomödie mit großartigen Schauspielern. Allen voran Ryan Gosling, der in der Rolle des leicht verschrobenen Lars ein weiteres Mal sein außerordentliches Talent für die etwas anderen Rollen unter Beweis stellt. Identifikation und Sympathie gegeben. Ein großer, kleiner Film.

Lars And The Real GirlLars And The Real Girl
Regie: Craig Gillespie.
Mit Ryan Gosling, Emily Mortimer, Paul Schneider.
06.06.2008


[larsandtherealgirl-themovie.com] [imdb.com]