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The Notwist @ Orpheum, Graz. Und nicht im Wiener RKH. Schuld daran ist der "alternative" Jugendkulturradiosender. Egal, für die Weilheimer Helden pilgert man gerne mal in die "Grüne Mark".

The Notwist

"The Devil, You + Me" ist ein ziemlich genialer Albumtitel. Keine Frage. Umso bedenklicher, wenn man aus der Not heraus dazu vergattert wird eben jenen für ein Gewinnspiel verwursteln zu müssen. Zu beachten: Es scheint ein Kurzes von The Notwist zu Gummitwist. Und so ließ man sich halt zu einem kleinen Reim hinreißen. Einen, der dann während des Gummihüpfens - angeblich eine beliebte Pausenbeschäftigung in Schulen - rezitiert werden sollte. Man durfte verzweifeln. Oder auch nicht. Je nach eigener Ansichtssache. Erstens, das böse FM4 war Schuld an allem. Weil sie eine weitere Lotterie für die verhätschelte Zielgruppe veranstalteten. Und kein First-Come-First-Serve. Und weil sie uns durch ihre Imagepflege das "reguläre" Wien-Konzert von The Notwist versaut haben. Zweitens, beschriebener Radiosender organisierte Konzert, Location und Drumherum, hatte folglich auch das Recht den erlauchten Kreis auszuwählen. Und sei es durch Reimwettbewerb. Dass die üblichen Verdächtigen ohnehin dabei waren und der "wahre" Fan womöglich nicht, musste man so hinnehmen. Übrigens: "The Devil, You + Me. Ein Rachepakt. Wir woll'n dort sofort hin. Sonst Blumi nackt." Kläglich gescheitert.

Was blieb mir also übrig, ich musste nach Alternativen Ausschau halten. Variante 1: An einem Donnerstag nach Steyr, 160 Kilometer ins unbekannte Röda. "Ein offener, alternativer und selbstverwalteter Raum für junge zeitgenössische Kunst und Kultur." [>] Variante 2: An einem Sonntag nach Graz, 190 Kilometer ins ebenso unbekannte Orpheum. "Einer der beliebtesten Veranstaltungsorte in Österreich und die hier schon aufgetretenen Künstler würden so manchen "Who Is Who" Almanach qualitativ bereichern." [>] Die Wahl fiel auf Zweiteres. Gut so. Gründe: Problemlose Hin- und Rückreise. Trotz spinnendem Navigationssystem ein nahezu problemloses Finden der Veranstaltungshalle. Gleich um die Ecke von dieser empfehlenswertes Gelati im Selbstbedienungseisgeschäft. Nicht zu vergessen der Ort des Geschehens selbst. Geräumig, Stufenbau, folglich gut überblickbar und vor allem: Allgemeines und von streng dreinschauenden "Men In Black" überwachtes Rauchverbot. Sehr sympatisch, dieses Orpheum.

Von den Einstürzenden Neubauten über Scooter und Rammstein bis hin zu Can. Einiges an deutscher Musikgeschichte, das seit 1985 in den Hallen des Orpheums aufgespielt hat. Nun also auch The Notwist, die interessanteste deutsche Band der letzten zwei Dekaden. Auf ihr neuestes Album musste man mehr als sechs Jahre warten. Doch bevor überhaupt offiziell veröffentlicht, wurde "The Devil, You + Me" auf heimischen Bühnen präsentiert. Noch vor Deutschland, Frankreich und England, wenn auch nach Tschechien, Slowenien und Kroatien. Dass auch unsereins zu diesem Zeitpunkt das neue Werk bereits in- und auswendig kannte, ist der Lauf der Zeit, änderte nichts an der Besonderheit des Auftritts. Im Gegenteil: Es machte die 110 Minuten mit seinen neun aus elf neuen Nummern, aber auch zehn altbekannten, großartig umarrangierten und dabei ungewohnt ausschweifenden Stücken nur noch mitreißender. Bewundernswert, mit welcher schlafwandlerischen Sicherheit das Quintett - Kerntrio Gebrüder Acher, Elektronikfrickler Gretschmann plus Live-Drummer und -Gitarrist - sein Repertoire zum Besten gab. Trickreicher Pop und lärmender Rock. Düsterer Dub und verspielter Jazz. Frenetischer Applaus meinerseits.

The Notwist / B. Fleischmann
27.04.2008 - Orpheum, Graz.


[notwist.com] [myspace.com/notwist]
[bfleischmann.com] [myspace.com/bfleischmann]

[UPDATE: THE NOTWIST - THE DEVIL, YOU + ME]

[Review: The Notwist - The Devil, You + Me]

[The Notwist @ Donaufestival 2007]