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Mit "Saw 4" fanden die sadistischen Spiele auch 2008 ihre Fortsetzung. Dagegen muss das spanische Gruselmärchen "El Orfanato" einfach abstinken. Wenn auch auf angenehme Weise. Horror mit Stil.

El Orfanato

Da wähnt man die gleichermaßen erfolgreiche als auch umstrittene Hardcore-Horror-Welle der letzten Jahre im Abflauen und schon findet sich das dritte Sequel jenes 2004 erstmals inszenierten Prototypen und Vorreiters dieses kompromisslosen Genrekinos auf Platz 1 der heimischen Kinocharts wieder. Was bloß eine Woche lang hielt und wohl auch auf die schwächelnde Konkurrenz zurückzuführen ist. Aber immerhin. Unwahrscheinlich, dass das dafür zahlende Kinopublikum ausschließlich aus Nerds mit Hang zu perfiden Foltertechniken besteht. Wahrscheinlicher, dass die Neugier für gewagtes Schocker-Kino immer noch zieht, sich auch Otto Normalverbraucher gerne mal in Splatter-Exzessen suhlt. Okay, das Inhaltliche - schweigedenn das Stilistische - des zum x-ten Mal Aufgewärmten mag stagnieren. Das hat selbst der geneigte Fan eingesehen. Auch wenn inzwischen genörgelt wird, von Torture-Porn-Konfektionsware die Rede ist, hingehen tut man trotzdem. Zahlreich in hiesige Lichtspielhäuser. Noch zahlreicher in Videotheken bzw. in den nächstbesten Elektroniksupermarkt. Und ich? Teil der blutsüchtigen Meute. Klar doch.

Was all das mit Juan Antonio Bayonas Erstlingswerk "El Orfanato" (deutscher Titel: "Das Waisenhaus") zu tun hat? Nichts, aber auch schon rein gar nichts. Und das ist gut so. Der von Star-Regisseur Guillermo Del Toro produzierte Film mag zwar ebenso als Horrorspektakel beworben werden, trendige Bilder von auf durchaus einfallsreiche Weise gequälten Menschen sucht man hier jedoch vergeblich. Die Geschichte erinnert eher an den Stil heutzutage fast schon altmodisch wirkender Gruselfilme: Frau kehrt mit Mann und Sohn an den Ort zurück, wo sie aufgewachsen ist. Ein verlassenes Waisenhaus, das sie wiedereröffnen will. Wären da nicht ihre alten, inzwischen unsichtbaren Freunde von damals. Und so umgibt "El Orfanato" dann auch genau der Flair, als würde man sich irgendeinen Genre-Klassiker längst vergangener Zeiten zu Gemüte führen. Ohne sich in Referenzen zu verwickeln. Einfach vom Gefühl her.

Natürlich gibt es Stimmen, die meinen, dass es sinnlos wäre im dritten Jahrtausend einen solchen Film zu drehen. Knarrende Dielen. Von selbst zuschlagende Türen. Soetwas konnte vielleicht anno dazumal schockieren. Aber das abgestumpfte Publikum von heute? Alles bloß Miesmacherei, sind es doch genau jene vermeintlich altbackenen Stilelemente, die zu fesseln wissen, einen in den Kinosessel zurückpressen und schlussendlich auch den Charme dieses stilgerechten Gruselmärchens ausmachen. Da mögen die ganz großen Schockmomente zwar rar gesät sein, nur fällt gerade deshalb aber das Zusammenzucken umso intensiver aus. Man erwartet etwas, nichts tut sich. Man fühlt sich sicher, schon passiert es. Back To The Roots. Einschlägiger Stoff, der dieser Tage zwar keine Jugendschützer und Moralapostel mehr auf die Barrikaden steigen lässt, dessen intelligent eingesetztes Zusammenspiel von Spannung und Suspense auf den Betrachter immer noch nervenzerreißende Wirkung hat. Zugegeben: Alles schon dagewesen. Inmitten all der Folterei aber eine wohltuende Ausnahme, dieser Old-School-Spuk im Waisenhaus.

El OrfanatoEl Orfanato
Regie: Juan Antonio Bayona.
Mit Belen Rueda, Fernando Cayo, Roger Princep.
15.02.2008


[daswaisenhaus.senator.de] [imdb.com]