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Seine Identität bleibt ein Geheimnis. Ausnahme-Dubstepper Burial lässt lieber die Musik für sich sprechen. Unfassbar schön, wie von Geisterhand erschaffen, dieses "Untrue".

Es war in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, irgendwann Mitte Oktober, als man auf BBC-Radio bei Mary Anne Hobbs' "Radio 1's Experimental Show" erstmals Burials "Untrue" lauschen durfte. Nicht dem kompletten Album. Das wäre knapp vier Wochen vor Release doch zu viel des Leichtsinns gewesen. Stattdessen wurde ein etwa viertelstündiger Kompaktmix des Albums präsentiert. Zusammengestellt von Kode9: Dubstep-Artist, DJ und Besitzer von Hyperdub, dem Londoner Label, wo "Untrue" veröffentlicht wird. Nein, man musste diese Nacht natürlich nicht On Air verbringen, um diesem ganz besonderen Klangerlebnis beiwohnen zu dürfen. Diverse MP3-Mitschnitte machten ein ebenso atmosphärisches Nachhören möglich. Ein betörendes Miteinander von ständig wiederkehrender, bloß dezent variierender, dabei stets prägender und unabkömmlicher Lead-Bassline, düsterer Soundmalerei und traumwandlerischen Vocals. Dubstep, aber doch mehr. Weil keine typische Club-Musik. Eher der Soundtrack für das Danach. Beim Hinunterkommen vom Euphorietrip. Für den Nachhauseweg. Die etwas andere Rückkehr zur Realität. Schwer fassbares Musikgut... "the ghost of rave transported through the decades."

BurialWer ist dieser Burial? Eines ist gewiss: Ein begnadeter Dubstep-Produzent. Ansonsten: Keine DJ-Gigs. Keine Live-Auftritte. Keine Radio-Shows. Einige wenige Fotografien existieren. Zu identifizieren ist Burial darauf nicht. Interviews gibt es auch. Sollte sich Burial dazu bereit erklären über seine Musik zu sprechen, kommt dies zwar einer Rarität gleich, hin und wieder passiert es aber doch. Die wenigen Ausgesuchten, die bislang Fragen stellen durften, scheinen jedenfalls dichtgehalten zu haben. Wenigstens im Großen und Ganzen. Was durchgesickert ist: Der junge Mann kommt aus dem Süden Londons und führt dort ein Doppelleben. Denn jene, die ihn privat kennen, haben keine Ahnung von seinem Treiben als Dubstepper. Und jene, die wiederum über seine musikalische Existenz Bescheid wissen, sind noch nie mit dem Burial aus dem "normalen" Leben in Berührung gekommen. Ausnahmen davon gibt es nur eine Handvoll: "Only about five people know I make tunes", gab Burial unlängst zu Protokoll. Die Hüter des Grals... "I think. I hope."

Dabei begann die Sensation bereits vor eineinhalb Jahren. Das selbstbetitelte Burial-Debut machte schnell klar, dass hier weit über den Dubstep-Rahmen hinausgeschossen wird. Piratenradio, Kassettentausch, Mund-zu-Mund-Propaganda. All das machte das Album zum Selbstläufer. Einer, der in keiner Bestenliste fehlen durfte. Es sei denn, man verweigerte sich, war für den großen Wurf noch nicht bereit. Wie meine Wenigkeit. Die 13 Stücke wurden zwar probegehört, schlussendlich dann aber doch links liegen gelassen. Mit ein Grund, dass beim nun vorliegenden Nachfolgewerk die Wirkung umso beeindruckender ausfällt. "Untrue" aus dem CD-Player zu bekommen, fällt mir schwer. On Repeat. Dauerrotation. Und das nun schon seit Wochen. Weil "Untrue" wie kein anderes Album zur Zeit im Stande ist, jede nur erdenkliche Situation zu bereichern. Es passt perfekt zur kalten Jahreszeit, zu Spaziergängen durch die verregnete Großstadt, zur Monotonie ewig langer Autobahnfahrten. "Untrue" funktioniert sogar beim Nebenbeihören, eben gerade, während diese Zeilen abgetippt werden. Ein Mysterium, anders als andere Musik... "it can send brains directly to another dimension."

Burial: UntrueBurial
Untrue
12.11.2007


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