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Die Mike Patton-Show war in der Stadt. Die vielleicht einmalige Möglichkeit Peeping Tom live zu erleben. Ein für den Meister ungewöhnlich zugängliches Konzert. Famose Unterhaltung.

Mike PattonMike Patton: Kranker Schweinehund und Legende der alternativen Musikszene. Einer, der unmöglich in Schubladen zu packen ist. Einer, bei dessen immensen Output man nur allzu leicht die Übersicht verliert. Unzählige Projekte pflastern seinen Weg. Mal Noise-Rock, mal Hip Hop, mal einfach nur Krach. Manch einer würde sein wildes Herumexperimentieren als Avantgarde bezeichnen. Manch einer würde aber auch behaupten, dass Mister Patton verrückt sei. Wie auch immer. Der Mann ist ein Unikat. Immer für eine Überraschung gut. Oder konnte man vor einem Jahr noch damit rechnen, dass der inzwischen 38-jährige etwas für Pop-Musik übrig hätte? Keine Pop-Musik im herkömmlichen Sinn. Vielmehr jene Sorte, die Patton selbst gerne im Radio hören würde. Wenn er denn solches überhaupt aufdreht. Nennen wir es mal Patton-Pop. Auf Platte: Peeping Tom. Alles andere als 08/15. Und trotzdem auch für den Mainstream durchaus hörbar. Wie gemacht für die Massen. Und trotzdem weit davon entfernt von diesen gehört zu werden. Da hilft auch die illustre Gästeliste nichts. Erst recht nicht, wenn man das Projekt ins Live-Format übersetzen will. Wer braucht schon Norah Jones? Oder Massive Attack? Das Wien-Gastspiel von Peeping Tom bewies es eindrucksvoll: Niemand.

Acht Akteure standen da in der gut gefüllten Arena auf der Bühne. Für die Grundlage verantwortlich zeigte sich das höllisch groovende Dub Trio, an diesem Abend Vor- und Begleitband in einem. Eine New Yorker Formation, die ihr musikalisches Treiben schon durch den Bandnamen definiert. Drei Menschen - Gitarrist, Bassist und Drummer - spielen Dub. Allerdings jene Sorte, wo auch Anleihen aus Metal und Rock nicht fehlen dürfen. Weiters je ein Mann an Turntables und Keyboards. Dann die bezaubernde Imani Coppola, die mit ihre Stimme für den souligen Touch sorgte, zwischendurch aber auch immer wieder mal gerne an der Geige fiedelte. Nicht zu vergessen: Die "Human Beatbox" Rahzel. Was der Mann drauf hat, sucht seinesgleichen. Stichwort: "Seven Nation Army". Sensationell. Allein seine zehnminütige Zwischeneinlage wäre an diesem Abend das Eintrittsgeld wert gewesen. Noch besser das Gesamte, mit dem Meister irgendwo mittendrin. Schick im weißen Anzug. Anfangs mit Schal und schwarzem Hut, später nur noch mit ebensolchem Haarnetz. Mike Patton ist und bleibt nun mal "die coolste Sau alive".

Und so brachte er uns dann auch alle zum hemmungslosen Herumhüpfen. Einfach nur, um uns bei nächster Gelegenheit mit breitem Grinser im Gesicht auslachen zu können. Doch nicht genug damit, streckte er uns auch noch den Mittelfinger entgegen. Nicht bloß einmal. Nein, immer und immer wieder. Und was machen wir? Ihm zu Füßen liegen, begeistert nach mehr verlangen. Was wir dann auch bekamen. In Form des großartigen Bobby Womack-Covers "Across 110th Street". Weil danach die tobenden Zugabe-Rufe aus dem Auditorium aber immer noch nicht verstummen wollten, musste halt improvisiert werden. Kein Problem, warum hat man einen DJ in den Reihen. Und Mitmusikanten, die an einen solch ausgelassenen Abend auch nicht davor zurückschreckten, mitten auf der Bühne zu "Jump Around" und "Smells Like Teen Spirit" den Kasper raushängen zu lassen. Zumindestens solange, bis der Boss den Laptop frisch gefüttert hatte. Und die Party noch um einen weiteren, viel umjubelten Song verlängert wurde. Mike Patton mag ein "kranker Schweinehund" sein. Er ist aber auch ein Guter. Einer, dem die Fans gar nicht so egal sind, wie man vielleicht annehmen könnte. So einen darf man durchaus mal in den Himmel loben. In diesem Sinne: Schon wieder ein "Konzert des Jahres".

Peeping Tom
21.11.2006 - Wien, Arena.


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