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Das innovativste, melancholischte und überhaupt heißeste Elektro-Pop-Album dieses Jahres kommt von den Junior Boys. Ich wette, Neil Tennant und Chris Lowe mögen diese Platte.

Junior Boys: Matt Didemus - Jeremy GreenspanDie Junior Boys sind Jeremy Greenspan und Matt Didemus, kommen aus Kanada und veröffentlichen dieser Tage ihr zweites Album. Dieses erscheint auf dem Domino-Label, der Heimat von aktuellen Indie-Heroen wie Franz Ferdinand und Arctic Monkeys. Wer aufgrund dessen gitarrenorientierten Alternative-Pop/Rock erwartet, liegt bei den Junior Boys falsch. Vollkommen falsch. Denn das Duo steht für Elektro-Pop. Jenen der vollelektronischen und vor allem ruhigeren Sorte. Ein Aufeinandertreffen von kargen Beat- und melancholischen Klanglandschaften. Stylish und catchy zugleich. Das war schon bei ihrem Debut "Last Exit" so und ist bei "So This Is Goodbye" nicht anders. Wobei der beim Erstling ohnehin bereits bemerkenswerte Sound auf Album Nummer 2 noch um einige Nuancen gelassener, eleganter und komplexer wirkt. Wenn auch nicht unbedingt vertrackter. Eher schon dezenter. Wohl auch straighter. Dabei aber durchdachter. Vielleicht sogar innovativer.

"So This Is Goodbye" ist ein Pop-Album durch und durch. Klassischer Studio-Pop, wie man ihn in den Achtzigern gewohnt war. Mit dem feinen Gespür für die Symbiose aus Melodien, Synthies und Beats. Gleichermaßen geprägt von Kargheit und Wärme. Letzteres vor allem auch wegen der vor Gefühlen und Sehnsucht überquellenden Vocals. "So This Is Goodbye" deshalb als Eighties-Nostalgietrip abzutun, wäre dieser Platte jedoch unwürdig. Dafür wandelt das gute Stück viel zu geschickt auf der Grenze zwischen altmodisch und futuristisch. Da ist einerseits die verträumte Retro-Eleganz von sensibelsten Elektro-Pop, wie ihn früher mal die Pet Shop Boys hervorzauberten und in den letzten Jahren bestenfalls noch Zoot Woman und Hot Chip hinbekamen. Da ist aber auch dieser Club-Kontext, der unüberhörbare Disco-Einfluss. Vielleicht sogar Gay-Disco. Mit Sicherheit sind da House-Referenzen. Wo man auch hinhört. Ohne jedoch, dass "So This Is Goodbye" einer herkömmlichen House-Platte wirklich nahe kommt. Vielmehr "...like House if it had started in the wilds of Canada rather than the clubs of Chicago". Wenn man sich schon im Schubladendenken verzettelt, dann vielleicht Post-House-Synthie-Pop? Oder belassen wir es doch einfach bei wunderschöner elektronischer Popmusik? Man höre in diesem Zusammenhang nur mal die spacige Interpretation des Frank Sinatra-Standards "When No One Cares". Und schmelze dahin.

"Perfect for the heat of the night as well as the morning after." Ein Album, das zum Arschwackeln animiert. Ein Album, das aber auch zum Träumen verführt. Nicht genug damit, ist "So This Is Goodbye" auch eine jener raren Platten, die gleichermaßen Elektronik-Nerds als auch Liebhaber simpler, dabei aber alles andere als unintelligenter Popmusik zufriedenstellt. Vielleicht deshalb, weil sie sich - für das Genre eher unüblich - Zeit nimmt. Und die sollte man ihr auch zugestehen, sie bewusst hören. Im Idealfall über Kopfhörer. Oder bei einer langen Autobahnfahrt durch die Nacht. Wahlweise auch bei einer schier endlosen Zugfahrt. Eben jenen Zeitspannen, die wie gemacht dafür sind, Musik richtig erfahren zu können. Doch keine Sorge: "So This Is Goodbye" ist auch in diesem Fall ein Widerspruch in sich, funktioniert dieser akustische Geniestreich doch genauso als Hintergrundmusik, eben mal so beim Nebenbeihören. In diesem Sinne: Einfach auf Repeat schalten und dauerberieseln lassen. Man nenne es, wie man wolle. Ich nenne es Magie.

Junior Boys: So This Is GoodbyeJunior Boys
So This Is Goodbye
11.09.2006


[juniorboys.net]
[myspace.com/juniorboys]