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The Paper Chase fordern mit "Now You Are One Of Us" vollste Aufmerksamkeit. Alles andere würde diesem faszinierend verstörten Album auch nicht gerecht werden. Hinhören und wundern.

The Paper ChaseErstmals mit der Musik von The Paper Chase in Berührung gekommen bin ich vor etwa eineinhalb Jahren. Spät, ich weiß. Immerhin hatte das Quartett aus Dallas, Texas zu diesem Zeitpunkt mit "God Bless Your Black Heart" bereits sein viertes Album herausgebracht. Es benötigte erst den Opener jener Platte um mich eines Besseren zu belehren. "Said The Spider To The Fly" ist aber auch ein Über-Drüber-Song. Da konnte man unmöglich vorbei. Eine ganz große Ballade. Dabei aber doch vollkommen anders. Eindringlicher, zerfahrener. "Kiss me like you mean goodbye, said the spider to the fly." Eigentlich Grund genug um sich eingehender mit dem Rest des Albums zu beschäftigen. Und auch gleich die Möglichkeit wahrzunehmen dem Wien-Gastspiel von The Paper Chase im Chelsea beizuwohnen. Nun ja, beides habe ich versäumt. Und bereue es. Vor allem das mit dem Konzert. Weil logischerweise nicht mehr rückgängig zu machen. Im Gegensatz zum Konsum von "God Bless Your Black Heart". Was dieser Tage endlich geschehen ist. Und in Kürze auch mit den beiden Vorgängern geschehen soll. Warum plötzlich der Nachholbedarf? The Paper Chase haben einen neuen Longplayer auf dem Markt. Eine jener raren Platten, die im Stande ist Hörgewohnheiten völlig umzukrempeln. Weil alles andere als leicht verdaulich, aber trotzdem süchtig machend. Krasses Teil. Der schiere Wahnsinn.

"Now You Are One Of Us" kam in den USA am 6.6.2006 auf den Markt. The Devil's Day. Was perfekt passt. Kein Zombie-Klassiker von George A. Romero, wo dieses Album nicht den passenden Soundtrack abgeben würde. Kein Teenie-Horrorfilm, wo einem bei dieser Untermalung nicht das Lachen im Hals stecken bleiben würde. Denn die Stimmung, die hier transportiert wird, ist kalt, bedrohlich und furchteinflößend. Fast schon gänsehauterzeugend. Gleichzeitig auf seltsam morbide Weise aber auch irgendwie schön. Das mag ziemlich kaputt klingen, doch inmitten all dieser konstruktiven Zerstörung gibt es Momente, die nur so vor herzzerreißenden Melodien schwelgen. Einziges Problem: Man muss die Schönheit unter all dem Krach und Chaos erst mal finden. Sie sich erarbeiten. Das klingt nicht nur anstrengend, das ist es auch. Nur gut, dass das Ganze ziemlich viel Spaß macht. Eben ein durch und durch bizarres Werk. Man betrachte nur mal das Albumcover, wo in einem kahlen, weißen Raum vor einem kleinen Fernsehgerät im Eck ein Typ mit behaartem, nacktem Arsch von der Decke baumelt.

John Congleton - Sänger und musikalischer Mastermind von The Paper Chase - ist ein verdammtes Genie, dem mit "Now You Are One Of Us" nun endgültig sein Meisterstück gelungen zu sein scheint. Selten zuvor wurde seelische Zerrüttung in dermaßen angemessene Musik übersetzt. Übliche Harmonien sucht man hier vergeblich. Obwohl sie doch eigentlich da sind. Grund dafür ist die bewusst dilettantische Spielweise. Immer einen Deut daneben. Nie der herkömmlichen Norm entsprechend. Das Ergebnis ist gekennzeichnet von kreischenden Stimmen, schrägen Gitarrenriffs, krächzenden Geigen, krachenden Rumpelbeats und wahnwitzigen Samples. Wobei man bei Letzteren jeden Moment mit Marilyn Manson rechnet, es schlussendlich dann aber doch mit "Faaip De Oiad" von Tool und dem Ende von The Smiths "Rubber Ring" zu tun bekommt: "You are sleeping. You do not want to believe." Soetwas verwundert, macht im Kontext eines Konzeptalbums aber durchaus Sinn. Von wegen Aufbau und wiederkehrende Motive. Sowohl bei Text als auch Melodie. Da stört es dann auch nicht, dass The Paper Chase hier und da - beispielsweise bei Cursive oder ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead - schamlos abkupfern und dass "Now You Are One Of Us" alles andere als der Erste seiner Zunft ist. Viel wichtiger ist, dass dieses Album im Stande ist Assoziationen auszulösen, schlussendlich aber dann doch keine Einzige wirklich zutrifft. Schaudernde Bewunderung.

The Paper Chase: Now You Are One Of UsThe Paper Chase
Now You Are One Of Us
12.06.2006


[thepaperchaseband.com]
[myspace.com/thepaperchaseband]

[The Paper Chase @ Chelsea, Wien - 01.05.2007]
driftwood - 1. Aug, 00:13:
The Paper Chase kupfern auf dem Album vorallem von sich selbst ab und das ist dann natürlich immer noch besser, als das meiste, was es sonst so gibt, aber so wirklich spannend dann leider doch nicht mehr.

(und wahrlich eine Schande, sie live verpasst zu haben, denn ihre Konzerte gehören mit zum Besten, was ich je vor einer Bühne stehend erleben durfte) 
wasix - 3. Aug, 10:04:
das mit dem verwenden von samples, die bereits bei - mehr oder weniger - bekannten songs (eben tool, the smiths) verwendet wurden, hat mich anfangs dann doch ziemlich verwundert, fast schon abgeschreckt...

(...ich hoffe, ich kann das mit dem live-konzert irgendwann nachholen. the paper chase werden doch mal wieder den weg nach wien antreten, oder?) 
The Tom (Gast) - 25. Mai, 02:31:
sorry, aber...
...mit "bewußt dilletantischer Spielweise" tust du den buben unrecht! paper chase spielen halt harmonieweise am "wohlklang" stets um ein äutzerl vorbei. mit dilletantismus hat das aber echt gar nichts zu tun, eher genau mit dem gegenteil! die sind alle wirklich hervorragende, technisch versierte musiker, andernfalls hätte die band nicht jene wirkung, die sie eben hat.
der sound im chelsea war übrigens exzellent! hab damals dem monkey, der das ganze gemischt hat ein riesen-komplimet gemacht. er meinte nur: "das is die band. die haben schon nach 5 minuten soundcheck so geil geklungen. wissen eben, was sie machen..." 
wasix - 25. Mai, 08:36:
ich wollte das können der herren nie in frage stellen, deswegen auch "bewusst dilettantische spielweise". vielleicht habe ich mich auch nur unpassend ausgedrückt...

l.g.