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Morrissey hat die Lizenz zum Leiden. Und er nützt sie. Auf "Ringleader Of The Tormentors" mehr denn je. Das Resultat: Ein Schmachtfetzen par excellence. Kitsch in Perfektion.

MorrisseyMorrissey hat es geschafft. Der Mann ist über jede Kritik erhaben. Das Beste daran? In seinem Fall wäre das alles nicht mal notwendig. Allerorts Lobeshymnen. Kaum Reviews, die es wagen würden negativ über das Schaffen des Meisters zu urteilen. Egal ob nun hinsichtlich Platten oder Live-Konzerten. Was nicht immer so war. Nach dem Ende von The Smiths lieferte Morrissey zwar den ein oder anderen potentiellen Single-Klassiker ab, mit den Longplayern wollte es - bis auf ganz wenige Ausnahmen - jedoch nie so recht klappen. Soetwas nagt selbst an einer Ikone. Die Folge: Morrissey verschwand Ende der Neunziger von der Bildfläche. Sieben lange Jahre brachte er kein Album auf den Markt. 2004 dann die Rückkehr. Ein fulminantes Comeback. Mit "You Are The Quarry" gelang ihm nicht nur die mit Abstand beste Platte seiner Solokarriere, sondern auch zweifelsohne ein Klassiker der Nuller-Jahre. Soetwas kann man nicht toppen. Unmöglich. Oder?

Wer nach dem eifrigst nachgeschobenen Doppelpack - bestehend aus Live-CD ("Live At Earls Court") und -DVD ("Who Put The M in Manchester") - gedacht hat, dass sich Morrissey in seinem Wahlexil in Kalifornien erst mal auf die faule Haut legen würde, der lag falsch. Bereits knapp zwei Jahre nach "You Are The Quarry" gibt es Nachschlag. Ein neues Studioalbum, für dessen Aufnahmen er nicht nur den Wohnsitz wechselte, sondern auch noch gleich eine der großen Produzentenlegenden der Siebziger und Achtziger reanimierte. Ersteres: Rom. Der Stil dieser Stadt. Und natürlich all seine schönen Menschen. Da muss sich ein Morrissey einfach wohl fühlen. Zweiteres: Tony Visconti. Die Glam-Rock-Ikone. Bereits vor 20 Jahren gab es bei "The Queen Is Dead" von den Smiths den ersten Annährerungsversuch. Doch Visconti lehnte ab. Ebenso wie bei Morrisseys drittem Soloalbum "Your Arsenal" (1992). Erst bei Nummer 8 sollte es nun endlich klappen. Und nicht nur das. Für eines der neuen Stücke steuerte sogar Altmeister Ennio Morricone Streicherarrangements bei. Die ewige Stadt macht’s möglich. Noch dazu handelt es sich dabei mit "Dear God Please Help Me" sogar um jenen Song, der in den letzten Wochen bei Musikkritikern mit Textzeilen wie "There are explosive kegs between my legs" oder "Now I'm spreading your legs with mine in between" für so manch zweideutigen Aufmacher sorgte. Morrissey und Sex. Das gehört einfach zusammen. Zumindestens wenn er zu singen beginnt.

Eines gleich vorweg: Mit "Ringleader Of The Tormentors" ist Morrissey ein weiteres Meisterwerk gelungen. Das beginnt schon beim Cover. Angelehnt an die alten Klassik-Platten der Deutschen Grammophon. Sogar die CD's sind schwarz. Wunderbar edel. Doch auch abseits der Verpackung erweist sich "Ringleader Of The Tormentors" als stilvolle Großtat. Ein Monumentalwerk in zwölf Teilen. Morrissey-Standards entsprechend natürlich unendlich selbstverliebt. Im Vergleich zu "You Are The Quarry" allerdings um einiges komplexer und nicht ganz so zugänglich. In Sachen Hitpotential steht "Ringleader Of The Tormentors" jedenfalls deutlich hinten an. Was nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Denn auch wenn dieses Album mehrere Durchgänge benötigt, so lässt es einem danach umso schwerer wieder los. Der Meister selbst beschreibt dies folgendermaßen: "The most beautiful - perhaps the most gentle so far". Wie auch immer. Großmächtiger wahrer Pop nie war. Man lausche nur mal diesem Übersong "Life Is A Pigsty". Natürlich wird es auch bei diesem Album Stimmen geben, die meinen, dass solch ein Übermaß an Schwulst auf die Dauer nerven würde. Ganz im Gegensatz zu all den Morrissey-Bewunderern, die "Ringleader Of The Tormentors" zu wahren Begeisterungsstürmen hinreißen wird. Ich schließe mich zweiterer Fraktion an. Wieder mal. Auch wenn mir die nervenden Kinderchöre auf "The Youngest Was The Most Loved" und "The Father Who Must Be Killed" eher ein Dorn im Auge sind. Aber darüber kann man bei solch einem überdimensionalen Album schon mal hinwegsehen. Eigentlich unglaublich: Jetzt begleitet mich Morrissey bereits 20 Jahre durch mein Leben und scheint doch tatsächlich noch besser zu werden. Hut ab vor diesem Mann.

Morrissey: Ringleader Of The TormentorsMorrissey
Ringleader Of The Tormentors
10.04.2006


[morrisseymusic.com]
[ringleaderofthetormentors.com]
srocca - 1. Mai, 15:25:
So schön...
Ich höre diese CD jetzt seit ca. drei Wochen fast täglich und kann einfach nicht genug davon bekommen. Sie wird besser und besser. Totale Suchtgefahr! 
wasix - 1. Mai, 19:54:
bei mir...
...war es das osterwochenende. viel mit dem auto unterwegs gewesen. und diese cd lief dabei auf dauer-rotation. das gute stück braucht zwar seine zeit, wenn es diese allerdings bekommt, dann ist suchtgefahr durchaus gegeben. was schreibe ich da: suchtgarantie !!!