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Wenn der Vater mit dem Sohne: Die charmanten Krachmacher von der Eel Pie Island haben mit "Making Dens" jetzt schon das ungewöhnlichste Pop-Album des Jahres abgeliefert.

Mystery JetsEs gibt sie noch, jene Bands, die nicht in die Norm des aktuellen Zeitgeistes passen, die etwas Eigenständiges machen und ihre Musik nicht einfach nur irgendwelchen angesagten Trends unterordnen. Die Mystery Jets sind solch eine Band. Mit Sicherheit kein ausgedachtes Produkt von "schlauen" Plattenfirmenleuten. Nein, die Band von der Eel Pie Island gibt es - wenn auch in unterschiedlicher Besetzung - bereits seit fast zehn Jahren. Eigentlich unglaublich, wenn man bedenkt, dass vier der fünf Bandmitglieder zwischen 19 und 20 Jahre alt sind. Nummer Fünf in die Berechnung des Durchschnittalters miteinzubeziehen, würde das Ganze dann doch zu sehr in die Höhe pushen. Wobei wir auch schon beim augenscheinlichsten Kuriosum der Mystery Jets wären: Ihrem 55-jährigen Rhythmus-Gitarristen. Dass der "Alte" da mitmacht, ist ja ganz cool, aber warum eigentlich? Des Rätsels Lösung: Die Mystery Jets sind soetwas wie ein Familientreffen. Der Mid-Fünfziger Henry Harrison ist nämlich der Vater von Sänger Blaine. Ob hinter soetwas gar Marketinggründe stecken? Glaube ich nicht. Würde auch meine Einschätzung dieser Band komplett über den Haufen werfen. Außerdem gehörten doch sowohl Vater als auch Sohn zu den Gründungsmitgliedern. Und wenn ich mich trotzdem irre, dann handelt es sich bei dem verwendeten Gag wenigstens um einen verdammt guten. Vergleichbares ist mir jedenfalls unbekannt.

Es sollte eine Weile dauern bis die Mystery Jets ihr erstes Album auf die Menschheit loslassen konnten. Zwei selbstfinanzierte EP's und fünf Singles standen davor bereits zu Buche. Das Meiste davon veröffentlichte man im vergangenen Jahr. Vier der Singles sind auch auf "Making Dens" zu finden. Einzig "On My Feet" fehlt. Schade eigentlich. Doch das Ziel der Mystery Jets war es, ein Album im guten, alten Dreiviertelstunden-Format zu machen. Zehn Songs, dazu jeweils ein Intro und Interlude. Nicht mehr und nicht weniger. Trotzdem wird auf diesem Album nichts ausgelassen. Aber auch schon rein gar nichts. Experimente ohne Ende. Kein Lied ist wie das andere. Auf die eine ungewöhnliche Nummer folgt schon die nächste. Wer sich an "Making Dens" heranwagt, sollte auf einige Überraschungen gefasst sein. Und vor allem nach dem ersten Schlag vor dem Kopf nicht gleich verzweifeln. Dieses Album mag stellenweise ein wenig seltsam klingen, offenbart bei etwas Geduld aber ganz große Klasse. Auch wenn man das beim ersten Durchlauf nicht so recht wahrhaben will. Gibt man diesem ungestümen Gemischtwarenladen der Pop-Geschichte nur die Zeit, die er sich verdient, dann wird man davon schon bald nicht mehr loskommen wollen.

Zumindestens das halbe Album besteht aus unumstößlichen Übernummern. Man nehme nur die letzten drei Singles: Das beschwingt-melancholische "You Can't Fool Me Dennis", das schräge, trotzdem aber eingängige "Alas Agnes" oder das abgedrehte, dabei aber auch ziemlich kitschige "The Boy Who Ran Away". Alles wunderbarst. Allerdings auch Musik, die nur schwer zu definieren ist. Zu abstrus scheint das Gehörte. Da treffen Prog-Rock, Punk und todtraurige Akustikballaden aufeinander. Und trotzdem ist man mit dieser Mischung noch meilenwert vom tatsächlichen Sound der Mystery Jets entfernt. Denn bei "Making Dens" setzt man auf keine herkömmliche Gangart. Hier tritt man bewusst ins Fettnäpfchen. Peinlichkeiten gehören dazu. Das Ergebnis ist tragisch und komisch zugleich. Irgendwie nostalgiebehaftet. Vor allem aber eines: Über alle Maße charmant. Typisch britischer Charme irgendwo zwischen Monty Python und dem Happy-Brit-Pop-Sound der frühen Neunziger, wie ihn damals Blur und Supergrass in Perfektion praktiziert haben. Das alles - und noch viel mehr - macht "Making Dens" zum ungewöhnlichsten Stück Indie-Pop seit langem. Eine wahrhaftig originelle Truppe, diese Mystery Jets. Allerdings eine, die auch etwas drauf hat.

Noch etwas: Passend zur wunderbaren Musik hat "Making Dens" auch noch ein großartiges Cover vorzuweisen. Wie gemacht dafür, um sich unbedingt die Vinyl-Version zuzulegen. Anderenfalls sei beim Kauf der CD wenigstens die Special-Edition ans Herz gelegt. In edler Kartonverpackung und mit Bonus-DVD inklusive 78-minütiger Band/Tour-Doku. Wirklich empfehlenswert. Ende April dann auch hierzulande im Plattenladen des Vertrauens zu erwerben.

Mystery Jets: Making DensMystery Jets
Making Dens
06.03.2006 (UK-Import)


[mysteryjets.com]