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Es gibt Platten, die lassen einen nicht mehr los. Man muss sie einfach ins Herz schließen. Graham Coxon hat solch eine Platte gemacht. Schon wieder.

Graham Coxon"When Blur wanted to move on, I wasn't finished with where we were." Mit seiner alten Band hat Graham Coxon abgeschlossen. Endgültig. Auch wenn es immer wieder mal Spekulationen über seine Rückkehr gibt. Beispielsweise nach jenem Treffen im vergangenen Jahr, wo sie alle Vier an einem Tisch gesessen sind. Ein äußerst emotionales Meeting soll es gewesen sein. Und sehr gut verstanden sollen sie sich haben. Die Wiedervereinigung der Band wird es trotzdem nicht geben. Graham Coxon arbeitet lieber weiter an seinen Solo-Alben. Zeit für mehr hat er nicht bzw. will er sich nicht nehmen. Das muss man akzeptieren. Auch wenn es schade ist. Und so werden Blur ein weiteres Album als Trio aufnehmen. Ohne zusätzlichen Gitarristen. Diesen Job will Damon Albarn höchstpersönlich übernehmen: "We decided that if we're going to make another record it's just got to be the three of us and I've got to play guitar. And because I'm such a rudimentary guitarist it has to be really stupid and basic punk rock." Da sind wir ja mal gespannt.

Initiiert wurde jenes ominöse Treffen übrigens von dem ehemaligen Blur-Produzenten Stephen Street. Der Mann hat von "Parklife" (1994) über "The Great Escape" (1995) bis hin zu "Blur" (1997) alles produziert, was diese Band wichtig und bekannt gemacht hat. Ebenso saß Street vor zwei Jahren bei "Happiness In Magazines" hinter den Reglern. Jenem Album von Graham Coxon, wo sich dieser erstmals während seiner Solo-Karriere im wahrsten Sinne des Wortes am Riemen gerissen und dadurch seine Kreativität gewinnbringend fokussiert hat. Wirkten die vier Vorgänger ungehobelt und alles andere als fertig produziert, zeigte sich Coxon bei "Happiness In Magazines" von seiner bislang zugänglichsten und wohl auch poppigsten Seite. Verschrobene Akustik-Lieder gehörten der Vergangenheit an. Stattdessen verfiel Coxon dem Punk. Allerdings jenem der melodischen Sorte. Eine wunderbare Platte. "Happiness in Magazines" gehörte zweifelsohne zu meinen Lieblingsalben 2004.

Auch bei "Love Travels At Illegal Speeds" - wie ich übrigens meine: Ein sensationeller Albumtitel - heißt der Produzent Stephen Street. Bereits im Mai des letzten Jahres beendete Graham Coxon die Aufnahmen dazu. Zehn Monate später - aus welchen Gründen auch immer - kommt seine sechste Solo-Platte nun endlich auf den Markt. Ein Konzeptalbum ist es geworden. Basierend auf dem Thema "Liebe". Und allen seinen Spielarten. Coxon dazu: "Love. Every song is something to do with love. Not in a soppy S Club 7 way, just L-O-V-E from all angles, whether it be jealousy, lust, splitting up, being in love and not enjoying it or whatever." Alles Liebeslieder. Sehr schön. Der Mann war mir ja immer schon sympathisch. Und so präsentiert sich das neue Album nicht unähnlich der Gangart seines Vorgängers. Wenig akustisches, dafür umso mehr lauter E-Gitarren-Krach. Dass Coxon einen Schritt zurück geht oder gar Mut zum Experimentieren beweist, darf man nicht erwarten. Hier wird die Hörerschaft mit dem straightesten und melodieverliebtesten Punk-Pop konfrontiert, den man sich nur vorstellen kann. Die Abwechslung besteht allein in der ein oder anderen herzzerreißenden Ballade. Das war es schon. Die einzige Weiterentwicklung ist in Coxons Gesang zu erkennen. Dieser scheint tatsächlich von Album zu Album mutiger und vor allem besser zu werden. In der Gegenwart bewegen sich seine Vocals in etwa zwischen "half-singing" und "half-yelling". Von Schüchternheit oder gar Gleichgültigkeit ist jedenfalls nichts mehr zu bemerken. Graham Coxon zeigt Emotionen. Und schafft es dabei auch noch sich seine Naivität zu bewahren. Wieder nichts mit dem Erwachsenwerden. Und das mit fast 37 Jahren. Weiter so.

Graham Coxon: Love Travels At Illegal SpeedsGraham Coxon
Love Travels At Illegal Speeds
13.03.2006


[grahamcoxon.co.uk]